„Ab jetzt wieder Unsinn-Modus ...“?

Eine Polemik zu AfD/FPÖ/BRD/DCSE: in Düsseldorf und sonstwo

„Ab jetzt wieder Unsinn-Modus“, verabschiedet sich Robin Dullinge von seinen Follower*innen im Kurznachrichten-Dienst Twitter. Nach fünf Stunden voller #noafddus-Hashtags – dem Marker für alle gezwitscherten Nachrichten, die sich an diesem 13. Februar 2016 mit dem Kongress der AfD und FPÖ in Düsseldorf und mit den Gegenprotesten beschäftigen. Fünf Stunden lang hätten kritische Beobachter*innen des Kongresses auch über ihre Blumenkohl-Ohren berichten können. Denn die müssten sie als aufmerksame Zuhörer*innen eigentlich haben, wenn sie es ohne Blessuren, Nerven- oder hysterische Zynismus-Zusammenbrüche geschafft haben, sich die Beiträge der Rechtspopolist*innen und extremen Rechten aus AfD und FPÖ anzuhören. Kein Wunder also, dass der twitternde Journalist am liebsten prompt in einen herzerfrischenderen „Unsinn-Modus“ schalten wollte, sobald er das Messegelände im Düsseldorfer Norden verlassen hatte. Aber, bremst er sich selbst: „Nee, Unsinn-Modus, der war ja gerade“, und meint die Redebeiträge von Petry, Pretzell, Strache & Co. Danke, wehrter Kollege, für Deine Beharrlichkeit! Danke, für diese ebenso trockene wie bittere Einschätzung des soeben beim AfD-/FPÖ-Kongress zu „Europäischen Visionen – Visionen für Europa“ Erlebten!

Nur Rechtspopulismus?

Ein „Europa der Vaterländer“ sei ihr Ziel, für das sie seit 2013 kämpfen würden – so etwa AfD-Chefin Frauke Petry am Nachmittag des 13. Februar in Düsseldorf. Nation, Identität, Kultur, Staat, Wirtschaft. Schlagworte einer „Alternative für Deutschland“. Antreten wolle man als rechtskonservative Kraft in diesem „Europa der Vaterländer“, um einer „Invasion der Wirtschaftsflüchtlinge“ zu begegnen (FPÖ-Mann Strache). Der rechtsaußen-Politiker aus der Ostmark – pardon, aus Österreich –, „HC“ Strache, brachte in Düsseldorf ein ums andere Mal auf den rechtspopulistischen bis extrem rechten Punkt, was der AfD ihr Nachtgebet ist: „Unsere Identität ist keine Schande. Das ist eine Verantwortung für unsere Kinder und Kindeskinder, Eure Heimat zu erhalten.“ Und Frauke Petry sekundierte nur wenig später: „Ein gesunder Patriotismus ist die Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft“. „Gesund“? Das klingt nach „Volkskörper“. Mit Blick auf die familienpolitische Agenda von AfD und FPÖ ist das wohl auch keine Übertreibung. Wie um dies zu bestätigen, hatte „HC“ Strache am späten Nachmittag ja auch schon „den Erhalt der traditionellen Familie statt Genderwahn“ gefordert. „Genderwahn“ und „Migrationskrise“? Es fehlte an diesem Nachmittag eigentlich nur die Sentenz von der „Zuwanderung in die Sozialsysteme“, der sich der volksdeutsche Steuerzahler (die AfD nutzt stets und ausschließlich das generische Maskulinum) zu erwehren habe, wenn all die „illegalen Einwanderer“ aus „Osteuropa“ kommen. Aber nach Petrys breit durch alle Medien getragener, öffentlich geäußerter Idee, an den europäischen Außengrenzen Geflüchtete beim unerlaubten Grenzübertritt zu erschießen, zweifelt ja auch wirklich niemand mehr, dass es die AfD ernst meint mit ihrer ganze eigenen ‚Lösung‘ der „Migrationskrise“.

Und ja: der Tweet spricht Wahres: das ist Unsinn-Modus. Unsinn, der der AfD zum sprunghaften Anstieg ihrer Umfrage-Werte verhilft. Aber leider ist auch das nur die halbe Miete. Denn wenn wir von „Unsinn“ im Gewand der AfD-Statements sprechen, sollten wir auch erwähnen, dass die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD einen großen Teil jenes Unsinns, den AfD und FPÖ reden, im Bundestag zur Maxime ihrer politischen Entscheidungen machen – in die Tat umsetzen, gewissermaßen. Auch wenn natürlich niemand im Bundestag ernsthaft darüber nachdenkt, ob Petry mit ihrem „Schießbefehl“ auf der richtigen Seite ist oder nicht. Hoffentlich.

Im Bundestag hat die SPD 193 Mitglieder. 173 stimmten am 15.10.2015 für das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz. Acht SPD-MdBs enthielten sich, eine Handvoll fehlte. Nur eine einzige sozialdemokratische Abgeordnete, Canzel Kiziltepe aus Berlin, gab ihre Stimme nicht für die beschleunigte „Rückführung“ von „Abzuschiebenden“, und für die Erfindung von sicheren Herkunftsstaaten auf „dem Balkan“ her. Und die MdBs aus Düsseldorf und Umgebung? Andreas Rimkus (Düsseldorf), Kerstin Griese (Mettmann) und Peer Steinbrück (auch Mettmann)? Alle stimmten mit „Ja“: Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, das ist unser politischer, sozialdemokratischer Wille. Nicht anders muss man die namentliche Abstimmung im Bundestag verstehen. Und für die kommende Entscheidung für das „Asylpaket II“ dürfte aus dieser Richtung ein ähnliches Abstimmungsverhalten zu beobachten sein. Von CDU und CSU erwartet niemand etwas anderes als deren Zustimmung zur ausgrenzenden Asylpolitik.

„Gegenkundgebung mit Sozen“

Genau jene SPD, die im Bundestag durch die hiesigen Abgeordneten Griese, Steinmeier und Rimkus vertreten ist, war auch draußen, vor der Düsseldorfer Messe, bei den Protesten gegen den AfD-/FPÖ-Kongress vertreten. Das ist eigentlich gut. Denn es ist eine gute, den Frust bremsende Vorstellung, dass es auch sozialdemokratische Genossinnen und Genossen gibt, die die politischen Entscheidungen ihrer Vertreter*innen in den hohen Gremien von Landes- und Bundesparlamenten nicht teilen. Aufrichtig freuen mag auch der kritische Geist sich über jeden und jede, die oder der überhaupt auf die Straße geht, um dem rassistischen Normalzustand in politischen Entscheidungsfindungs-Eliten und unser aller Alltag die Stirn zu bieten. Und sei es ‚nur‘ durch das Tragen einer Fahne oder eines Pappschildes mit der Aufschrift „Refugees Welcome“. Das ist wichtig und gut. Es hätte mehr Menschen gebraucht, am 13. Februar 2016, mehr als die wenigen Hundert Personen, die jede*r einzeln zum Gelingen der Protestkundgebung vor dem Congress Center beigetragen haben. Danke, dass ihr da wart! Gewerkschaften, Düsseldorfer Appell, Düsseldorf ist bunt, Düsseldorf ist queer, DSSQ: sie alle hatten aufgerufen, sich den Gegenprotesten anzuschließen. Die, die da waren – heißt es immer in der Workshop-Moderation enttäuschend dünn besetzter Arbeitsgruppen so schön – waren genau die Richtigen. Aber wo waren all die anderen? Ist ihnen der rassistische Normalzustand in unserer Düsseldorfer Welt egal? Keine Zeit für Antirassismus?

Und Antirassismus ist dringend notwendig. Vom dramatischen Anstieg rassistischer Gewalt – strukturell verletzend oder schmerzhaft konkret – müssen wir hier nichts schreiben. Wir wissen darum. Und empören uns. Aber wir sollten ebenso benennen, wo auch aufrichtige Antirassist*innen ausgrenzende Politik machen. So wie die Gewerkschaftsjugend von ver.di. Fight Fortress Europe: gegen das Grenzregime der Europäischen Regierungen sind die Aktivist*innen am Samstag eingetreten. Und mit diesem Anspruch haben sie auch die Mit-Streiter*innen von der SPD angesprochen, die ihre Fahnen in den Winternachmittagswind gehalten haben. „Gegenkundgebung mit unzähligen Parteifahnen der Festung Europa“, zwitscherte es mit #noafddus auf Twitter. Wieder: mit diesem Beigeschmack, zynisch und leider wahr. Schade, dass keine*r der Redner*innen bei den Gegenprotesten daran erinnert hat, dass die Sozialdemokratie zur Großen Koalition gehört und in dieser Funktion Politik im Sinne der Festung Europa macht. Danke, ver.di-Jugend, dass Ihr Euer Transparent habt sprechen lassen.

Und wenn wir schon bei „Unsinn“ waren und dabei, auch im Holzschnitt-„Modus“ zu benennen, was schief hängt im kollektiven Gesicht-Zeigen gegen rechts: Wieso, zum Irrwitz, hat das Düsseldorfer Congress Center dieses Banner an seine Eingangstür gehängt: „Düsseldorf für Humanität . Respekt . Vielfalt“? Sollte das eine Anspielung auf jene staatstragende Argumentation sein, dass ein starker Staat den Pluralismus der Meinungen (=„Vielfalt“) aushalten muss? Eine „Vielfalt“, die da ihre Grenzen hat, wo Linke sich lautstark bemerkbar machen und – wie bei den Gegenprotesten gegen den AfD-/FPÖ-Kongress oder bei den Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen DüGidA – Rechte blockieren und dafür von Staats wegen kriminalisiert werden? Ist das Banner über dem Portal des CCD der peinliche Versuch der Messegesellschaft, darüber hinwegzutäuschen, dass ihre Distanzierung zu den Parteien, an die sie vermietet, nicht mehr und nicht weniger ist als Image-Politur aus der Marketingabteilung? Und welche Partei war das nochmal, die die Mehrheiten im Stadtrat auf ihrer Seite und somit auch die entscheidende Möglichkeit hat, der stadteigenen Tochter Düsseldorf Congress Sport & Event GmbH die Gier nach Einnahmen zu verweigern, aufrichtig peinlich berührt zu sein und Leute, die von „Migrationskrise“ sprechen und bewaffneten Grenzschutz gegen Geflüchtete befürworten, einfach rauszuschmeißen, koste es, was es wolle? Besser noch: solchen Leuten die eigenen Räume gar nicht erst zu vermieten? Liebe SPD-Mitglieder, Ihr müsst diskutieren! Und: Ihr müsst Euch entscheiden – rassistischer Normalzustand oder Solidarität. Ein bisschen von beidem geht nicht. Das wäre Unsinn-Modus.