Zusammen gegen Faschismus

Am 8. Mai 2016 demonstrierten etwa 500 Menschen in Düsseldorf mit einer Kundgebung am Hauptbahnhof und einer Demo zum Rathaus in der Altstadt gegen Faschismus und für eine gemeinsame Haltung gegen rechts – ganz egal, welche Sprache die Faschist*innen sprechen. Dank dem Engagement der Teilnehmer*innen, Redner*innen und Organisator*innen der antifaschistischen Demonstration blieb so der seit mehreren Jahren regelmäßig im Mai in Düsseldorf stattfindende Aufmarsch der türkischen Faschist*innen – der Grauen Wölfe – in diesem Frühling erstmals nicht unbeantwortet.

Nur wenige Wochen vor dem 8. Mai mobilisierte der vorgebliche „Kulturverein“ Turk Federasyon, unter dessen Deckmantel sich die Faschist*innen der extrem rechten Partei der Nationalistischen Bewegung (Milliyetçi Hareket Partisi – MHP), auch genannt: die Grauen Wölfe, in Deutschland organisieren, zum diesjährigen Aufmarsch. Dass die Grauen Wölfe auch im Mai 2016 ihre ultra-nationalistischen, faschistischen und chauvinistisch-militaristischen Inhalte auf Düsseldorfs Straßen tragen wollen würden, war vorhersehbar. Schon in den letzten Jahren waren sie um die gleiche Zeit in ihren auf den ersten Blick merkwürdig anmutenden Kostümen mit mehreren Hundert Teilnehmenden zu ihren Aufmärschen in Düsseldorf aufgetaucht. Bis 2016 blieb die Propaganda-Show der Grauen Wölfe aber weitgehend ohne kritische Begleitung – linke Strukturen in Düsseldorf hatten die etwa auch 2014 und 2015 sehr kurzfristigen Ankündigungen der Aufmärsche nicht frühzeitig genug wahrgenommen, um dem bizarren Treiben der türkischen Faschist*innen organisiert und gemeinsam zu begegnen. 2014 noch waren die Grauen Wölfe sogar von Antifaschist*innen nahezu unbemerkt mit Trommeldröhnen und „Präsentiert den Säbel“ durch Düsseldorfs Straßen gezogen.

2016 war das anders. Kaum, dass das Datum des Aufmarsches der Grauen Wölfe feststand, zimmerte ein sehr breites Bündnis aus türkischen linken Strukturen, kurdischen Organisationen, antifaschistischen Gruppen aus Düsseldorf, dem Solidaritätskreis „Düsseldorf für Kurdistan“, „Düsseldorf stellt sich quer“, der VVN BdA, der Partei „Die Linke“ und vielen anderen flott und unaufgeregt eine für die Kürze der Zeit doch ansehnliche Gegenmobilisierung zusammen. Und was so rasch dahingebastelt schien, sollte sich am 8. Mai als kraftvolle und vor allem einige und solidarische Stimme gegen die Faschist*innen herausstellen. Überrascht waren dann auch die Organisator*innen selbst, dass am Hauptbahnhof, dem Ort der Auftaktkundgebung der antifaschistischen Demonstration, so viele Menschen zusammengekommen waren, um sich dem Protest anzuschließen.

Kein fernes Problem

Redebeiträge eines Vertreters der türkischen Bildungsgewerkschaft, der Gruppe AKKUSTAN und vor allem der Beitrag von Özlem Alev Demirel (Die LINKE) machten deutlich, dass es sich beim Protest gegen türkische Faschist*innen nicht um die Kritik an einem überraschend gelandeten Ufo, dem Problem anderer Länder oder um eine zu vernachlässigende Erscheinung am rechten Rand des Meinungsspektrums handelt. Wenn am Rande Europas Menschen- und Völkerrechte mit Füßen getreten werden, wenn Angehörige des türkischen Militärs und der türkischen Polizei hunderte Zivilist*innen jeden Alters ermorden, weil sie Kurdinnen und Kurden sind, wenn die einfachsten Spielregeln demokratischer gesellschaftlicher Verfasstheiten (Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung) mit einem Handstreich umgeschrieben und kritische Journalist*innen, Anwält*innen oder Wissenschaftler*innen inhaftiert und angeklagt werden: dann geht uns das alle etwas an. Und das hat nicht einmal etwas mit der Demonstration der türkischen Faschist*innen zu tun, die sich an diesem Mai-Sonntag zu gleicher Zeit eine Häuserecke weiter zu ihrem bizarren Marsch aufstellten. Das hat etwas damit zu tun, dass es Zeit ist, eine kritische Gegenstimme auf die Straße zu bringen, wenn EU und Bundesregierung vorhaben, aus lauter sogenannter Angst vor Flucht und Migration (verursacht u. a. durch Kriege, von denen sie selbst profitieren und die sie selbst mit entfacht haben) einem Geschäftspartner und Erfüllungsgehilfen aus der Hand zu fressen. Einem ‚Dealer’ sozusagen, der wie Recep Tayyip Erdoğan ohne mit der Wimper zu zucken gegen Völker- und Menschenrecht verstößt, demokratische Grundwerte mit Füßen tritt und einen dreckigen Krieg gegen Kurdinnen und Kurden im eigenen Land führt. Motto: „Ihr schweigt zu meinen Menschenrechtsverbrechen und zum Umbau ‚meines’ Staates in ein von mir allein beherrschtes faschistisches Reich. Ich halte Euch dafür Menschen auf der Flucht vor (u.a.) meinen Bomben und Militärs vom Hals.“

Dies allein ist Grund genug, Position zu beziehen: gegen das europäische Grenzregime, gegen die verlogene Politik der EU, die zum Zweck ihrer Abschottung auch mit Autokraten auf deren Weg zum lupenreinen Faschismus Geschäfte macht. Besonderer Ansporn war in diesem Jahr zugleich aber auch die Tatsache, dass sich die Faschist*innen ausgerechnet den 8. Mai, den Tag des Gedenkens an das Ende des deutschen Faschismus, den Tag der Befreiung, für ihren Aufmarsch ausgesucht hatten. Vom DGB-Haus in der Friedrich-Ebert-Straße, dem Sammlungsplatz, den die Grauen Wölfe als Startpunkt von der Düsseldorfer Polizei genehmigt bekommen hatten, hing folgerichtig schon einig Tage vor dem 8. Mai eine konsequente Grußbotschaft an die Faschist*innen: „Faşizme Karşı Omuz Omuza! Gemeinsam gegen Faschismus!“ Gemeinsam gegen euch und euresgleichen.

Polizei als Helfershelfer

Wie richtig es ist, die Stimme in diesem Sinne zu erheben, sollte dann auch – ebenso schon Tage vor dem Aufmarsch der Grauen Wölfe – eine beinahe absurd anmutende Begebenheit im DGB-Haus noch einmal unterstrichen haben: So sollen Beamt*innen der Düsseldorfer Polizei Gewerkschafts-Mitarbeiter*innen im Vorfeld der Faschist*innen-Demo einen Besuch abgestattet haben. Ob das denn nötig sei, dieses Transparent? Das könne doch provozierend wirken. Ach? Wirklich? Was bitte ist provozierender, als einen Faschist*innen-Aufmarsch für den 8. Mai zu planen, ihn sich von der Polizei genehmigen zu lassen und sich mit dieser in einem Kooperationsgespräch dann auch noch ausgerechnet auf die Straße vor dem DGB-Haus als Startpunkt zu einigen? Und die ach so chauvinistischen Wölfe im Schafspelz sind dann wiederum so empfindlich, dass sie die Unterstützung der Polizei brauchen, um sich nicht von einem Transparent provoziert zu fühlen? Die Polizei ihrerseits wittert Provokation auf der Seite der Antifaschist*innen? Da haben wir – dank der Grauen Wölfe und ihrer hilfsbereiten Assistent*innen von der Polizei – wieder etwas gelernt: Transparente wirken!

So bleibt im Rückblick die positive Wahrnehmung, zum diesjährigen Aufmarsch der Grauen Wölfe vieles richtig gemacht zu haben. Richtiger als in den Jahren zuvor. Das Transparent am DGB-Haus mag hierfür Sinnbild sein: Es waren viele Menschen unterwegs, um an diesem Sonntag ein klares selbstbewusstes Zeichen dafür zu setzen, dass Antifaschismus international ist. Seite an Seite gingen viele Menschen aus den verschiedensten Zusammenhängen für einen solidarischen Ausdruck gegen Faschismus auf die Straße – das ist deutlich geworden am 8. Mai 2016. Und wenn das provokativ ist, ja, dann wollen wir genau das sein: Wir provozieren mehr Aufrichtigkeit, eine ehrliche antifaschistische Haltung, Seite an Seite, und ein Bekenntnis der bundesdeutschen Innen- und Außenpolitik dazu, dass der BRD und ihren entscheidenden Politiker*innen Menschenrechte und demokratische Werte vollkommen egal sind. Denn genau diesen Eindruck provozieren eben diese bis heute ununterbrochen. Über die demokratischen Defizite in der Türkei wie eine großmäulige Gouvernante stöhnen und zugleich dem Sultan vom Bosporus den Koffer tragen? Wer denkt denn da noch an einen glaubwürdigen Humanismus aus dem Hause BRD? Und da könnte mensch sich wiederum seinerseits provoziert fühlen, künftig noch häufiger gemeinsam auf die Straße zu gehen – gemeinsam gegen Grenzen. Zusammen gegen Faschismus.

Lesetipp
Danny Marx hat auf dem sechel-Blog einen ausführlichen Bericht über die Demo der türkischen Faschist*innen aber vor allem auch über das Verhalten der Düsseldorfer Polizei berichtet (http://www.sechel.it/mit-dem-schwert-zur-demo). Auf diesen Artikel möchten wir aufrichtig hinweisen – er provoziert so schön!