Rassistisch schreiben – Schau zu, mach mit!

Ein Kommentar zur Berichterstattung der Rheinischen Post

Es ist gar nicht nötig, besonders empfindlich zu sein für rassistische Sprache. Wer die Rheinische Post liest, bekommt in regelmäßigen Abständen in aller Deutlichkeit Paradebeispiele geliefert. Nun muss die RP als big player der Lokalzeitungen auch nicht besser sein, als es zu erwarten wäre. Schließlich würde das uns kritische Leser*innen in unserer bekannten Sehnsucht nach Häme und Spott auch nicht glücklich machen. Im Sinne der Sache sind Negativ-Ausreißer wie der jüngste aber bei aller Lust auf Glosse und krittelnde Medienschelte nur schwer zu ertragen.

So titelte die RP am 6. Januar 2019: „Stadt will Kriminelle schneller abschieben. Düsseldorf schafft neue Stellen in Ausländerbehörde“. Was der Überschrift nach ein Text zur Struktur und Arbeitsweise der städtischen Ausländerbehörde im Umgang mit straffällig gewordenen Menschen mit nicht-deutschem Pass hätte sein können, entpuppte sich aber bereits in den ersten Abschnitten als Zahlen-Klitterung in Sachen Kriminalitätsstatistik, als Aneinanderreihung von rassistischen Wortblasen, die (fast) niemanden benennen und doch sehr genau darauf zeigen, was zwischen den Zeilen steht.

Die Autorin Stefani Geilhausen versucht zu schildern, dass das zuständige Düsseldorfer Kriminalkommissariat seit Beginn eines kriminalpolizeilichen Programmes zu „Intensivtätern“ im September 2017 gegen „rund 100“ Männer ermittelt und in den seitdem vergangenen Monaten „36 Schwerkriminelle […] aus dem Verkehr gezogen“ habe. Die durch „Verurteilung und Abschiebung frei gewordenen Plätze“ auf „der Intensivtäterliste“ seien aber längst „von Nachrückern besetzt“. Ähnlich der Berichterstattung zur Platzierung von Sportler*innen in einem attraktiven Wettbewerb um Medaillen und Auszeichnungen beschreibt Geilhausen die Top 6 und wie sie ganz oben auf die Liste der „Schwerkriminellen“ gekommen seien. Nach einem Punktesystem zur Bewertung von Kriminalität hätten es nämlich „vier Nordafrikaner, ein Türke und ein Albaner auf die Spitzenplätze [geschafft]. Raub, Erpressung, Körperverletzung – alle sechs sind inzwischen abgeschoben worden.“ Punkt. In einem nachgeschobenen Satz heißt es: „Die anderen 30 Kriminellen sind überwiegend Deutsche, derzeit mit Wohnsitz in einer JVA.“ Punkt. Und ohne Überleitung lässt Geilhausen diesen Zahlenbefund zum Täter-Herkunftsverhältnis von knapp 16% : 84% (ebenso wie die weiter oben eingefügte Vokabel „Verurteilung“) nahezu unter den Tisch fallen, wenn ihr nächster Satz lautet: „Polizeipräsident Norbert Wesseler hatte es vor einem Jahr auf den Punkt gebracht: ‚Mehr Haftstrafen, schneller (sic!) Abschiebungen. Diese Leute müssen von der Straße.‘“

Bei Düsseldorfs oberstem Polizeibeamten Wesseler verweilt die Journalistin dann im Folgenden, schildert, dass er Ende 2018 mit seiner Polizeitruppe wohl in Marrakesch gewesen und dass der Austausch mit den marokkanischen Kolleg*innen fruchtbar gewesen sei. Selbst in Marokko kenne man Düsseldorf. Das „Maghreb-Viertel“ habe man mit seinen „Besonderheiten“ nicht „jedem Gesprächspartner“ erklären müssen. Ein Einschub im graphisch abgegrenzten Kasten erklärt, dass das Oberbilker „Maghreb-Viertel“ seit 2014 im Visier der Ermittler*innen sei, weil es in Düsseldorf so viele Taschendiebstähle und Raubdelikte gegeben habe. Das „Casablanca-Projekt“ der Kriminalpolizei hätte mit Razzien und Ermittlungsarbeit bestätigt, dass die „Soko Taschendiebstahl“ in Oberbilk einen Schwerpunkt von Verdächtigen vermutet. Näheres über die „2200 Intensivtäter“, die sich regelmäßig im „Maghreb-Viertel“ aufhielten, erfahren wir nicht.

Die Polizei in Marokko, fährt Geilhausen fort, habe nach Wahrnehmung von Wesseler die Düsseldorfer Polizei in einem Punkt jedoch nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen – denn sie sei wohl nicht die einzige deutsche Behörde, „die von Marokko die Rücknahme solcher Krimineller fordert“, so O-Ton Wesseler im RP-Bericht.

Schließlich schildert Stefani Geilhausen in ihren Text eingeflochten noch, dass die Ausländerbehörde eigentlich geplant habe, die Abschiebe-Papiere für Menschen, gegen die die Polizei in Düsseldorf just wegen wiederholter Straftaten ermittele, schon so weit vorzubereiten, dass alles zur Abschiebung bereitliege, wenn die Ermittlungen den Verdacht bestätigten. Diese Gleichzeitigkeit sei aber hier und da nicht von Nutzen gewesen, da die Strafakten am Ende so dick gewesen seien, dass die Abschiebe-Behörde das viele Papier nur langsam hätte bearbeiten und die Straffälligen im Abschiebe-Knast nicht länger hätten festgehalten werden können. Was für eine Misswirtschaft! Ob diese voreilige Kooperation grundsätzlich in Ordnung ist, ob die Ermittlungen am Ende auch zu einer strafrechtlich zweifellos schlüssigen justiziellen Be- bzw. Verurteilung führen oder ob die „erfahrenen Sachbearbeiter“ bei der Polizei in ihrer „persönliche[n] Einschätzung“ eines Verdächtigen immer richtig liegen (und nach welchen Kriterien?), lässt die Reporterin offen. Sie fragt gar nicht erst danach.

Am Ende wissen wir Leser*innen aber immerhin, dass zwei extra eingeplante Mitarbeiter*innen beim Ausländeramt sich nun mit den schwerkriminellen „Härtefällen“ beschäftigen werden. Die Überschrift des Artikels erinnert uns: „schneller abschieben“, darum geht es, wenn „Spezialisten“ in der Ausländerbehörde gesucht werden.

Am Ende hat die Rheinische Post in ihren Bericht hineingerührt, was die Meute hören will. Die Kommentare im Online-Portal der Lokalzeitung fallen entsprechend aus. Der Artikel ist aber auch geradezu dazu angetan, genau diese Stimmung anzuschieben. Schließlich heißt es aus Wesselers Mund, dass „vor allem die alteingesessenen Bewohner des Viertels“ in Oberbilk darunter „leiden“ würden, dass das Viertel rund um die Ellerstraße am Hauptbahnhof so „in Verruf geraten“ sei.

Wer lernen möchte, wie ein populistisch formulierter Artikel auf wenigen Abschnitten alle, eigentlich ganz ‚neutralen‘, ressentiment- und vorurteilsbezogenen Vokabeln so aneinanderreiht, dass am Ende niemand mehr so genau sagen kann, was eigentlich mit den 83 % Intensivtätern ist, die offenbar keinen unsicheren Aufenthaltsstatus haben oder die nicht als Geflüchtete in Düsseldorf sind, … der oder die nehme dieses Paradebeispiel von Zeitungsartikel zur Hand. Aber um „Intensivtäter“ an sich ging es ja auch gar nicht. Das wurde im Titel ja auch nicht versprochen. Es ging darum, dass zunächst nicht näher bezeichnete Kriminelle schneller abgeschoben werden sollen und dass es dazu zwei neue Mitarbeiter*innen in der Ausländerbehörde gibt.

Jedoch: The German Angst ist Vokabeltrainer dieser Sprache, die sehr genau weiß, dass „Kriminalität“ und „Abschiebung“ ein Wortpaar bilden, das rechte und rassistische Logiken und Polemiken bedient. Wer über ein Thema schreibt, in dem diese Begriffe aus guten Gründen Erwähnung finden und Sachverhalte erläutern sollen, muss wissen, dass Verkürzungen ihre Lesart verschieben. Darum sind Artikel wie dieser ohne Not hübsch verpackte Geschenke für rassistische Hetze. Denn die eigentliche, die vermittelte Botschaft des Artikels ist eingehämmert zwischen den Zeilen: Die Verbrecher*innen, das sind immer die anderen. Und die anderen, die müssen weg. Und genau das können wir nicht nicht kommentieren. Punkt.

Till Jakob