Rheinmetalls Rüstungsexport-Strategie

Das Ausweich-Manöver

Um die bundesdeutschen Rüstungs­export-Auflagen zu umgehen, verlagert die Düsseldorfer Rüstungsschmiede Rheinmetall mehr und mehr Aktivitäten ins Ausland.

Unlängst begann Rheinmetalls italienische Tochter-Gesellschaft RWM Italia S.P.A. mit dem Ausbau eines Werkes auf Sardinien. Auch im südafrikanischen Kapstadt, wo die Waffenschmiede gemeinsam mit der einheimischen Firma Denel das Joint Venture „Rheinmetall Denel Munition“ (RDM) betreibt, tut sich etwas. Und das hat einen simplen Grund: Von diesen Standorten aus kann das Unternehmen reibungsloser Rüstungsgüter an Länder liefern, die – wie Saudi Arabien gerade im Jemen – Kriege führen. Solche Transaktionen fallen dann nämlich nicht mehr unter die Rüstungsexport-Bestimmungen des bundesdeutschen Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontroll-Gesetzes. „Lieferungen aus anderen Staaten unterliegen den jeweiligen nationalen Genehmigungsverfahren dieser Staaten, unabhängig davon, ob es sich dabei um deutsche Tochter-Unternehmen handelt“, hält die Bundesregierung fest.

Und diese Staaten haben sich den Düsseldorfern gegenüber bisher immer sehr großzügig gezeigt, weshalb sich in den Trümmern zerbomter jemenitischer Häuser dann auch Reste deutscher Wertarbeit finden. Mit Panzern und anderem Kriegsgerät im Wert von 100 Millionen Euro haben die ausländischen Rheinmetall-Ableger Saudi Arabien Jahr für Jahr bestückt. Überdies entwickelt der Konzern direkt vor Ort Aktivitäten. In Al Kharj bei Riad baute RDM für das saudi-arabische Unternehmen SAMI eine Waffen-Fabrik, die der saudische Verteidigungsminister Kronprinz Mohamed bin Salman im Jahr 2016 gemeinsam mit dem damaligen südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma feierlich eröffnete. Sogar eine direkte Kooperation mit den „Saudi Arabian Military Industries“, die der ehemalige Rheinmetall-Manager Andreas Schwer leitet, steht an. SAMI will nämlich bei Denel einsteigen und damit auch deren 49-Prozent-Anteil an RDM übernehmen.

Über Großbritannien bedient die Düsseldorfer Firma das Königreich ebenfalls. So sind die 48 Eurofighter, die Saudi Arabien im letzten Jahr auf der Insel kaufte, mit der Flugzeug-Bordkanone BK27 made by Rheinmetall ausgestattet. Und künftig dürfte das Unternehmen von dort aus noch mehr Transaktionen mit den Saudis abschließen. Es ging Ende Januar nämlich ein Joint Venture mit dem Rüstungsmulti BAE Systems ein, der seinen Sitz in Telford hat. „Damit entsteht ein neuer europäischer Marktführer, der sich im Bereich militärischer Fahrzeuge eine Spitzen-Position im internationalen Wettbewerb sichern will“, frohlockt der Konzern.

Rheinmetall verstärkt seine Auslandsaktivitäten, weil Deutschland bei der Erteilung von Ausfuhr-Erlaubnissen seit einiger Zeit restriktiver vorgeht. In ihrem Koalitionsvertrag einigten sich CDU und SPD darauf, keine Exporte in Staaten mehr zu gestatten, die „unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind“. Einen „Vertrauensschutz“ erhalten nur diejenigen Firmen, die „nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfänger-Land verbleiben“. Diesen gewährte die Bundesregierung allerdings recht freigiebig. Bis Oktober 2018 gelangten noch einmal Rüstungsgüter für fast 160 Millionen Euro nach Saudi Arabien. Dann aber ging nichts mehr. Nach dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 forderten Merkel & Co. die Waffenschmieden auf, in den nächsten zwei Monaten überhaupt keine Geschäfte mit dem Öl-Staat mehr zu machen. Da CDU und SPD dieses Embargo im Dezember noch einmal bis zum 9. März verlängerten, liegt derzeit teilweise schon seefest gemachtes Kriegsgerät im Wert von zwei Milliarden Euro auf Halde, darunter auch Sattelschlepper für den Panzer-Transport, die Rheinmetall in Tateinheit mit MAN entwickelte. Diesen 200-Millionen-Euro-Deal will sich der Konzern jedoch nicht so einfach entgehen lassen. Er legte beim „Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr-Kontrolle“ Widerspruch gegen das Moratorium ein. „[D]a die Regierung mit ihrer Entscheidung bereits durch den Bundessicherheitsrat genehmigte Exporte aus politischen Gründen aufhalte“, wie der „Spiegel“ die Unternehmenssicht wiedergibt, erwägt die Firma sogar eine Klage.

Unterdessen mehren sich im Regierungslager die Stimmen, die ganze bisherige Praxis der Export-Genehmigungen auf den Prüfstand zu stellen. SPD-Politiker*innen fordern, für bestimmte Rüstungsgüter überhaupt keine Bewilligungen auszustellen. Überdies verlangen sie, Zusagen nicht mehr generell, sondern nur noch befristet für einen bestimmten Zeitraum zu erteilen. Sogar an das Über-Bande-Spielen, wie es vor allem Rheinmetall betreibt, möchten sie ran. „Diese unselige Verbindung zwischen einer deutschen Rüstungsfirma und Saudi Arabien muss die Bundesregierung auf jeden Fall unterbinden“, meint etwa der Bundestagsabgeordnete Florian Post. Als probates Mittel dazu schwebt Post und seinen Mitstreiter*innen eine Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vor.

Ob es zu all dem jemals kommt, steht jedoch sehr in Frage, tragen doch einige Christdemokrat*innen noch nicht einmal das jetzige Embargo gegen Saudi Arabien mit. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Joachim Pfeiffer, etwa sieht durch diesen Schritt die Achse Berlin-Paris gefährdet. Der Nachbar hängt nämlich auch im Kriegssegment der Losung des freien Waren-Verkehrs an und würde das gerne auch bei Airbus, dem deutsch-französisch-spanischen Konzern, so handhaben. „Die Franzosen werden in Zukunft keine Kooperationen mehr mit uns eingehen, wenn wir unseren exportpolitischen Alleingang fortsetzen“, fürchtet Pfeiffer deshalb und mahnt: „Deutschland muss bereit sein, Kompromisse einzugehen, und die Exportkontroll-Praxis anderer EU-Staaten respektieren.“ Angela Merkel scheint das ähnlich zu sehen. Bei der feierlichen Unterzeichnung des Aachener Vertrages mit Frankreich am 22. Januar 2019 deutete die Kanzlerin laut „Spiegel“ ein Entgegenkommen an: „Wir können uns nicht bei jeder Export-Frage über jede Schraube in Haare kriegen.“ Und so dürfte Rheinmetall der lukrative saudische Absatz-Markt vorerst erhalten bleiben.

Jan