Patriotendämmerung

Die extrem rechte Demonstration am 2. Februar 2019 in Düsseldorf

Nachdem am 17. November 2018 noch um die 450 „Patrioten“ dem Ruf der Kleinstgruppierung „Patrioten NRW“ nach Düsseldorf gefolgt waren (TERZ 12.18), erschienen am 2. Februar nur noch um die 130 von ihnen auf dem Johannes-Rau-Platz, um gegen „Gewalt auf unseren Straßen“ zu demonstrieren.
Eine Zusammenfassung nebst Ausblick von Lucas Eriksson von der Redaktion „Düsseldorf Rechtsaußen“.

Erneut hatten die „Patrioten NRW“ um Stefan Witte und Stefanie van Laak, beide aus Köln, zu der Demonstation aufgerufen, unterstützt von diversen, zumeist nur aus wenigen Personen bestehenden Zusammenhängen. Nicht mit aufgerufen hatten im Gegensatz zum 17. November die „Mütter gegen Gewalt“ und die in „Internationale Kölsche Mitte“ umbenannte rechte Hooligan-Gruppierung „Begleitschutz Köln“. Der Verein „Mönchengladbach steht auf“ um Dominik Roeseler, der für den 17. November noch kräftig getrommelt hatte, informierte zwar über die Demonstration am 2. Februar in Düsseldorf, erklärte aber, daran nicht teilnehmen zu können, da man „zur Gelbwesten-Demo nach Maastricht fahren“ wolle. Und auch die „Bruderschaft Deutschland“, von der die Angriffe auf Gegendemonstrant*innen am 17. November ausgegangen waren, zog es am 2. Februar vor, nicht aufzutauchen, was weniger mit dem zeitgleichen Auswärtsspiel von Fortuna Düsseldorf in Hoffenheim als mit dem in den Wochen zuvor stärker gewordenen gesellschaftlichen Gegendruck und der für sie negativen Medienberichterstattung zu tun haben dürfte. Bis auf eine Handvoll nicht zuzuordnender Personen war die rechte Hooligan-Szene am 2. Februar 2019 auf der „Patrioten NRW“-Demo nicht präsent.

„Wir brauchen keine Antifa, wir zerlegen uns selbst“

Sechs Redner und Rednerinnen präsentierten sich am 2. Februar – moderiert von Stefan Witte – vor und nach der etwa 45-minütigen Demonstration mit großteils langatmigen Reden. „Robert Einzelfall“ zeichnete mit Unterstützung von „Nicole“ einmal mehr das Bild großer Scharen meuchelmordender Nichtdeutscher und verwies auf seine immer länger werdende „Leine des Grauens“, mittels der er entsprechende Mord- und Körperverletzungsfälle dokumentiere und in die sich an diesem Tag mehrere der selbsternannten und sichtlich von den ständigen Aufrufen, beim Tragen der Leine zu helfen, genervten „Abendland“-Retter verhedderten. Alexander Siewers aus Krefeld, seit 2016 immer häufiger Redner auf extrem rechten Demos – insbesondere bei PEGIDA – konnte inhaltlich locker mit Robert „Einzelfall“ mithalten und wetterte wieder einmal gegen „arabische Clans“, „afrikanische Drogendealer“ und „Internationalisten“ wie Merkel und Macron. „Stasi-Kommunismus-Kröten und Großkapital-Schlangen“ hätten „sich fest verbündet [...]. Und der Feind das sind wir, die mündigen Bürger.“ Siewers, der 2015 an zahlreichen DÜGIDA-Demos teilgenommen hat, betätigt sich auch in der „Anti-Antifa“-Arbeit. Als am 9. Februar 2019 etwa 1.200 Menschen in Düsseldorf-Eller gegen Rassismus und rechte Schläger demonstrierten, filmte er Demoteilnehmer*innen und hielt erst Abstand, nachdem er eine unmissverständliche Ansage bekommen hatte. Bereits vor Demobeginn hatte er das „Brauhaus Fuchsjagd“ in Eller besucht, um sich zu beschweren, dass die „Bruderschaft Deutschland“ dort ein Hausverbot kassiert hatte. Als weiterer rassistischer Redner präsentierte sich am 2.2. Kevin Strenzke aus Duisburg, der es 2018 geschafft hatte, PEGIDA NRW und deren Auftritte in Duisburg vermutlich endgültig gegen die Wand zu fahren. Als weitere Rednerin trat Yvonne Csokova von „Hand in Hand gegen die Gewalt auf unseren Straßen“ aus Wiesbaden auf, die sich an der AfD Rheinland-Pfalz abarbeitete und mehr Zusammenhalt und weniger „Einzelkämpfer“ einforderte: „Wieso finden Leute nicht zueinander, die eigentlich einer Meinung sind? Wir sind uns selbst im Weg. Wir brauchen keine Antifa, wir zerlegen uns selbst.“ Es wären offenbar „nur noch Einzelkämpfer am Werk [...]. Einer besser wie der Andere. Einer wichtiger wie der Andere. Und wenn’s drauf ankommt, stehen 50 Leute auf dem Platz.“ Stefanie van Laak gab mit ihrer Hauptrede den anwesenden Journalist*innen unbewusst Rätsel auf. „Wir sind es unseren Kindern schuldig, für sie eine freie sichere Zukunft zu schaffen. Aber auch unseren Eltern und Großeltern und Vorfahren, die diese wunderschöne tolerante soziale Heimat für uns wieder aufbauten und zu dem machten, was sie ist. Aber auch all denen, die vor 80 Jahren ihr Leben ließen für unsere Freiheit und für unsere Sicherheit. Und denen danke ich.“ Vor 80 Jahren, also 1939, überfiel Nazideutschland bekanntlich Polen und verursachte damit den Zweiten Weltkrieg. Wen also meint die NRW-„Patriotin“, die nichts mit Neonazismus zu tun haben will? Gefallene Soldaten der unterlegenen polnischen Armee? In den Konzentrationslagern ermordete Kommunist*innen? Oder etwa doch gefallene Wehrmachtssoldaten? Und welche zuvor angeblich vorhandene „wunderschöne tolerante soziale Heimat“ soll da nach 1945 wieder aufgebaut worden sein? Rätsel über Rätsel ...

Düsseldorfer Beteiligung

Schwer zu schätzen ist die Anzahl der rechten Teilnehmer*innen aus Düsseldorf. Augenscheinlich dürfte sie aber recht gering gewesen sein. Wie immer auf derartigen Aktionen anzutreffen waren Thorsten Pohl aus Düsseldorf-Derendorf und Sven Böhme aus Düsseldorf-Lierenfeld, die 2015 fast keinen DÜGIDA-Aufmarsch verpasst hatten und bis zum 11. November 2017 – dem Datum der Parteiauflösung – für die extrem rechte Partei „Bürgerbewegung pro Deutschland“ aktiv waren. Pohl, der seit 2014 Mitglied des Stadtrats Remscheid ist (gewählt über die Liste der extrem rechten Partei „pro NRW“), war bis Ende 2017 Mitglied des „pro D“-Bundesvorstands. Böhme war bis zur Auflösung Mitglied des „pro D“-Landesvorstands NRW. Beide sind auch überregional auf extrem rechten Demonstrationen anzutreffen, beispielsweise bei den „Merkel muss weg!“-Aufläufen in Berlin. Berührungsängste zu noch weiter rechts stehenden Organisationen wie beispielsweise zur NPD scheinen beide nicht zu haben, was sich bei Pohl nicht zuletzt bei und nach DÜGIDA-Demonstrationen zeigte und bei Böhme unter anderem an seiner Teilnahme an Aktionen der NPD.

Erstmals wurde der aus Sachsen zugezogene „Dynamo Dresden“- und DEG-Fan Böhme in Düsseldorf am 12. Mai 2012 bei einem nicht öffentlich angekündigten NPD-Infostand anlässlich der anstehenden NRW-Landtagswahlen auf der Düsseldorfer Schadowstraße gesichtet – und in den Jahren danach bei diversen weiteren NPD-Aktionen, beispielsweise 2016 bei den NPD-Demonstrationen in Essen und Bochum. Im selben Jahr nahm er auch an der extrem rechten Hooligan-Demo von „Gemeinsam stark Deutschland“ in Magdeburg teil. Nach der Auflösung von „pro Deutschland“ scheint er seine neue politische Heimat bei den „Patrioten NRW“ gefunden zu haben. Bei allen bisherigen Aktionen der „Patrioten NRW“ in Düsseldorf war er vor Ort, am 2. Februar wirkte er als Demoordner und stand in ständigem Kontakt zu den Veranstaltern. Er fährt aber auch nach wie vor zu auswärtigen Aktionen. Bei der Kundgebung der „Identitären Bewegung“ am 18. November 2018 in Bonn war er enemfalls vor Ort. Für den 9. Februar 2019 rief Böhme seinen Freundeskreis auf, mit ihm in Düsseldorf-Eller, „gegen den linken Aufmarsch zu demonstrieren“, der „fast vor meiner Tür“ stattfinden würde. „Linke Faschisten“ wolle er bei sich im Stadtteil nicht haben. Letztendlich kamen drei „Freunde“, unter ihnen der bereits erwähnte Alexander Siewers. Ebenso wie Siewers observierte Böhme wenig erfolgreich die antifaschistische Demonstration.

Raider heißt jetzt Twix

Uneinigkeit scheint in den Reihen der NRW-„Patrioten“ unter anderem darüber zu herrschen, wo und wie oft man demonstrieren möchte. Einmal im Monat samstags in der Landeshauptstadt? 14-tägig freitagsabends in der Landeshauptstadt? Eventuell ja auch mal in einer anderen Stadt? Und nicht immer nur im Rheinland? Fragen über Fragen. Offenbar scheint es bereits wenige Tage nach der Demonstration am 2. Februar eine Spaltung gegeben zu haben. Auf der Facebook-Seite der „Patrioten NRW“ war Folgendes zu lesen: „Wir werden als ‚NRW steht auf‘ weiter auf die Straßen gehen. Bis auf den Namen und die Orga hat sich nichts geändert, die Orga besteht jetzt aus Steff Charlotte, Harald BE und Ela Saskia Lorbach. Euer Team ‚NRW steht auf‘.“ Am 8. Dezember 2018 hatte Witte bei einer Minikundgebung in Essen die „Orga“ als aus drei Personen bestehend bezeichnet: aus Stefanie van Laak („Steff Charlotte“), Harald Berke aus Gelsenkirchen und ihm höchstpersönlich. Witte ist demnach also aus der „Orga“ ausgestiegen (worden), neu im Team ist Ela Saskia Lorbach aus Solingen. Ob Witte weiterhin unter dem Label „Patrioten NRW“ auftritt, ist unklar, nach der Düsseldorfer Demo war von ihm nichts mehr zu hören.

Kurz nach ihrer Neubildung hatte die neue „Orga“ auch darauf hingewiesen, dass man die nächste Demonstration für April plane. Am 23. Februar wurde dann der genaue Termin und der Ort nachgereicht: Am 6. April in Gladbeck im Kreis Recklinghausen. Geworben wird mit beiden Logos, dem der „Patrioten NRW“ und dem von „NRW steht auf“.