Lokaltermin auf der Kiefernstraße

Wunschkonzert mit dem OB

Am 18. Mai lud die Kiefernstraße zu einem „Wunschkonzert“. Mit auf der Setlist zum Thema „Stadtplanung“: Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel. Der legte auch eine ganz schmissige Performance hin. Dem Fakten-Check hielt sein Auftritt auf dem Bauwagen-Platz jedoch nicht stand.

Immer näher rücken der Kiefernstraße Bau-Projekte auf die Pelle. Schon seit Längerem mit dem B8-Center im Rücken lebend, alarmierten die Bewohner*innen Ende 2018 die Pläne des Investors Cube Real Estate (CRE), auf dem großen Parkplatz an der Erkrather Straße ein Hotel mit 300 Zimmern sowie 150 Mikro-Apartments zu errichten. Ein Anwohner mochte sich jedoch partout nicht mit der Rolle des Zuschauers bei diesem Monopoly-Spiel abfinden und konfrontierte Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel Anfang des Jahres mit der Frage, warum eigentlich die Anwohner*innen bei der Erstellung von Bebauungsplänen keine Mitsprache-Rechte hätten. Es handele sich hier doch nicht um ein Wunschkonzert, erwiderte dieser kurzerhand.

Damit wollte die Kiefernstraße sich nicht abspeisen lassen. Sie nahm den OB wörtlich und veranstaltete am 18. Mai wirklich ein Wunschkonzert: „[D]enn wir meinen, dass mit Engagement und etwas Fantasie Wünsche tatsächlich Realität werden können.“ Als Stargast kam da natürlich nur Thomas Geisel himself in Frage. Und honorigerweise sagte der dann auch wirklich zu, sich am 18. Mai den Weg zum Bauwagen-Platz zu bahnen.

Mit Fortuna-Schal um den Hals, kumpelhaft, aber entschieden in der Sache, stand er Rede und Antwort. Zunächst einmal sah er sich genötigt, die Sache mit dem Wunschkonzert geradezurücken: Da wäre er falsch verstanden worden, so sei das alles nicht gemeint gewesen. Dann gab es ein Update zu den aktuellen Entwicklungen an der Erkrather Straße. „Ich sag’ Dir einfach, was los ist“, wandte der Oberbürgermeister sich an den Moderator und erstattete dann von dem Gespräch mit Cube Real Estate Bericht. Demnach verzichtet der Projekt-Entwickler auf das Hotel, mit dem er nach Geisels Einschätzung angesichts der 25 anderen derzeit in Planung befindlichen Hotelburgen in der Stadt auch nicht glücklich geworden wäre – und schon gar nicht an der avisierten Stelle. Stattdessen baut CRE nun zur Kiefernstraßen-Seite hin sogar Sozialwohnungen und belässt es ansonsten bei den Mikro-Apartments.

Positive Bilanz?

Gegen diese Schlaf-Schachteln hat Thomas Geisel nicht viel, obwohl billiges Wohnen anders geht. Und sein Bekenntnis: „Wir wollen Vielfalt in unserer Stadt“ könnte mensch deshalb durchaus in dem Sinne verstehen, dass er meine, der Kiefernstraßen-Monosubkultur würden zur Abwechslung vielleicht ein paar Besserverdiener*innen-Farbsprenkel auch mal ganz gut tun.

Insgesamt sieht Geisel Düsseldorf in Sachen „Wohnen“ durch die Politik der Ampel-Koalition auf einem guten Weg. „Wir haben den Hebel wirklich umgelegt“, sagt er. An allen Ecken und Enden würde gebaut, und erstmals entstünde mehr preiswerter Wohnraum als durch Auslaufen der Sozialbindungen wegfiele. Die Überschreibung allen Grund- und Immobilien-Besitzes der Kommune auf die „Städtische Wohnungsgesellschaft Düsseldorf“ (SWD) hat sich dem Sozialdemokraten zufolge ebenfalls als Erfolg erwiesen, weil das Unternehmen so mehr Möglichkeiten hat, der Wohnungsnot entgegenzutreten.

Für alles Übrige sorgt dann nach Geisels Worten das Handlungskonzept Wohnen, das bei Großprojekten allen Investor*innen die Schaffung von öffentlich gefördertem und preisgedämpftem Wohnraum zur Auflage macht. Auch bei der Veräußerung städtischen Grund und Bodens achtet das Rathaus streng darauf, die Preise so festzulegen, dass sie die Käufer*innen in die Lage versetzen, erschwingliche Quartiere zu bauen, so der OB. Nur Filetstücke an Hot Spots gehen für teuer Geld raus, versicherte er.

Und wenn nur die Bürokratie mit ihren vielen Bau-Auflagen nicht wäre, gäbe es seiner Ansicht nach noch viel mehr zufriedene Mieter*innen in Düsseldorf. Allerdings warnte Thomas Geisel auch vor übertriebenen Ansprüchen an die Politik, da deren Einfluss begrenzt sei. Darum plädierte er für ein „vernünftiges Erwartungsmanagement“, was sich auch nicht viel besser anhörte als „Es handelt sich hier doch nicht um ein Wunschkonzert“.

Der Faktencheck

Zudem übersteht seine Bilanz den Faktencheck nicht. Die genauen Zahlen zum Wohnungswesen in Düsseldorf, welche die Partei „Die Linke“ bei der Verwaltung regelmäßig abfragt, erlauben da den Abgleich. Von den jährlich 3.000 neuen Wohnungen, davon 1.000 mit Sozialbindung, die Thomas Geisel vor drei Jahren in Aussicht gestellt hat, ist bisher nicht viel zu sehen. 2016 entstanden nur 1.985 Wohnungen. Davon waren 479 Eigentums- und nur 118 Sozialwohnungen. Und 2017 stellt sich die Situationen nicht besser dar: 2.072 neue Wohnungen, davon 1.082 Eigentums- und bloß 156 Sozialwohnungen.

Die „Städtische Wohnungsgesellschaft Düsseldorf“ schafft es auch nach ihrer Neuorganisation nicht, gegenzusteuern. Bei insgesamt rund 330.000 Wohnungen in Düsseldorf kommt sie mit ihren 1.500 Sozialwohnungen auf einen Marktanteil von weniger als 0,5 Prozent und verfügt somit nicht über das Potenzial, preisdämpfend zu wirken. Und die Quote steigt auch nicht. In den Jahren 2016 und 2017 errichtete das kommunale Unternehmen lediglich 78 Sozialwohnungen, während 367 die Sozialbindung verloren. So schrumpft deren Anteil am Gesamtbestand von insgesamt 8.569 Wohneinheiten kontinuierlich. Nicht einmal längerfristig dürfte es der Wohnungsgesellschaft gelingen, den jährlichen Wegfall von rund 1.000 Wohnungen aus der Sozialbindung zu kompensieren. In diesem Jahr plant die SWD den Bau von 150 Wohnungen, darunter 50 öffentlich geförderte. Bis 2021 will sie 802 errichten, davon 527 mit Sozialbindung.

Gegen die Spekulation hat die Ampelkoalition ebenfalls noch kein probates Mittel gefunden. Gegenwärtig stehen in Düsseldorf 3,6 Prozent der Wohnungen leer, weil die Vermieter*innen auf noch bessere Zeiten hoffen. Zu allem Übel entziehen dann Airbnb & Co. auch noch rund 3.500 Wohneinheiten dem Miet-Markt, indem die Unternehmen diese als Tourist*innen-Unterkünfte missbrauchen. Hier wenigstens scheint jedoch die Zweckentfremdungssatzung Abhilfe schaffen zu können, gegen welche die FDP ihren Widerstand endlich aufgegeben hat. Aber die Aussichten bleiben dennoch trübe – selbst bei einem heruntergeschraubten Erwartungsmanagement.

Jan