Vor 25 Jahren wurde Halim Dener erschossen

Eine deutsche Geschichte

Veranstaltung am 11. Juni und Aufruf zur Demo

Bei Wikipedia wird das Alter von Halim Dener mit 41 Jahren angegeben. So alt wäre er tatsächlich, hätte ihm nicht vor 25 Jahren, in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli, ein deutscher Polizist in den Rücken geschossen. Halim Dener wurde erschossen, weil er in dieser Nacht Plakate der kurdischen Befreiungsbewegung plakatierte.

Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen.

gefoltert.

Der 16-jährige Kurde Halim Dener musste 1994 vor der Verfolgung durch den türkischen Staat aus seiner Heimat Kurdistan fliehen. Damals zerstörte das türkische Militär mehr als 4.000 Dörfer. Menschen zu ermorden, verschwinden zu lassen und zu foltern war eine gängige Praxis von Polizei, Geheimdienst und Paramilitärs. Halim selbst wurde nach einer Festnahme von der türkischen Polizei eine Woche lang verhört und gefoltert.

geflüchtet.

Halim flüchtete vor Krieg und Verfolgung unter falschem Namen, um seine Familie in der Heimat nicht zu gefährden. Als sogenannter „minderjähriger, unbegleiteter Flüchtling“ kam er in die BRD. Hier war nach öffentlicher rassistischer Hetze und Pogromen an Geflüchteten und Migrant*innen 1993 das Grundrecht auf Asyl durch Änderung des Grundgesetzes faktisch abgeschafft worden.

Auch heute fliehen Menschen aus Konfliktregionen, und hoffen in Europa auf ein sicheres Leben, darunter viele Minderjährige. Doch die europäische Union setzt immer mehr auf eine rigide Abschottungspolitik, das Mittelmeer wird zum Massengrab, Helfer*innen werden kriminalisiert.

verboten.

Im November 1993 wurden in der BRD die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und alle ihr nahestehenden Organisationen als „Terrororganisation“ verboten. Durch öffentliche Hetze gegen Kurd*innen wurde ein Klima von Hass und Angst geschaffen, das von einer simplen Gleichung bestimmt war: Kurd*innen = PKK = Terrorist*innen. Nach wie vor findet das Verbot rege Anwendung: Die Repression trifft die Strukturen der kurdischen Bewegung, insbesondere aber kurdische Jugendliche und Aktivist*innen, die sich mit der Bewegung identifizieren und politisch engagieren.

erschossen.

Auch in der BRD setzte sich Halim für die kurdische Bewegung ein. So plakatierte er wenige Wochen nach seiner Flucht in Hannover Plakate mit dem Emblem der ERNK, dem (damaligen) politischen Arm der PKK. Dabei wurde Halim in der Nacht vom 30.06.1994 von SEK-Polizist*innen in Zivil überrascht. Bei der Festnahme wurde ihm aus kürzester Entfernung in den Rücken geschossen. An dieser Schussverletzung starb Halim wenig später. Der Polizist wurde von seinen Kolleg*innen gedeckt. In einem zweifelhaften Prozess wurde der Schütze freigesprochen, ohne dass die Tat aufgeklärt werden konnte.

Halims Tod ist kein Einzelfall: Christy Schwundeck, Oury Jalloh oder Achidi John sind weitere bekannte Opfer von Polizeigewalt.

Veranstaltung zu Halim Dener und der Repression gegen Kurd*innen
Di. 11. Juni, 19.30 Uhr, Linkes Zentrum – Hinterhof, Corneliusstr. 108

Bundesweite Demonstration
Sa. 6. Juli, 14.00 Uhr, Ernst-August-Platz, Hannover

Nachdem der Mord an Halim Dener bekannt wurde, fand kurz darauf auch in Düsseldorf eine Spontan-Demonstration statt. Die damals gehaltene Rede ist mit ihren Aussagen bis heute erschreckend aktuell. In den 25 Jahren hat sich kaum etwas verändert. Die Repression gegen Kurd*innen existiert in Deutschland weiter und verschärft sich noch, die Leute fahren wieder in die Türkei in den Urlaub, Waffen werden weiterhin in die Türkei verkauft.

Die Rede im Worlaut, gehalten am 1. Juli 1994:

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

in der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde in Hannover der 16-jährige Kurde Halim beim Plakatieren von einem deutschen Polizisten erschossen. Der tödliche Schuss sei - so ein Polizeisprecher - unbeabsichtigt durch einen „Greifreflex" des Polizisten ausgelöst worden. Augenzeugen hingegen sprechen von einem „Schuss beim Aufstehen", nachdem der Schütze sich nach seiner Waffe gebückt hatte.

Es ist kein Zufall, dass dieser Todesschuss fiel! Seit längerer Zeit wird in der BRD der berechtigte Widerstand des kurdischen Volkes kriminalisiert, wird zu einer wahren Hexenjagd auf politisch aktive Kurdinnen und Kurden geblasen, ist ein Klima erzeugt worden, in dem Kurdinnen und Kurden als erbarmungslose Monster dargestellt werden, denen mit allen Mitteln begegnet werden muss.

Fakt ist, dass die BRD mit ihren Waffenlieferungen an die Türkei zum Völkermord an den Kurd*nnen in erheblichem Maße beiträgt und so eine politische Lösung unmöglich macht. Waffen im Wert von 3,6 Mrd DM schenkte die BRD der Türkei. Nicht der kurdische Widerstand, sondern das Verhalten der BRD ist Terrorismus - Staatsterrorismus!

Fakt ist, dass die BRD kurdische Flüchtlinge in die türkischen Foltergefängnisse zurückschickt und seit 1980 türkische Polizisten u. a. von der berüchtigten GSG9 ausgebildet werden.
Fakt ist, dass die BRD dem türkischen Staat in jeder Hinsicht Rückendeckung gibt, nicht zuletzt durch das Verbot von über 40 kurdischen Organisationen und Vereinen.
Fakt ist, dass deutsche Tourist*innen durch ihre Urlaubsreisen in die Türkei den Völkermord am kurdischen Volk mitfinanzieren.

Unsere Solidarität gilt dem Befreiungskampf des kurdischen Volkes. Wir fordern:

- Lückenlose Aufklärung des Tathergangs in Hannover!
- Schluss mit den Waffenlieferungen an die Türkei!
- Aufhebung sämtlicher Verbote der kurdischen Vereine!
- Sofortiger Stopp der Abschiebungen von Kurd*innen!
- Kein Urlaub im Folterstaat Tükei - keine Mark für den Völkermord!