Im Namen der Mieter*innen

Ein Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Mietpreisbremse

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil die sog. Mietpreisbremse für verhältnismäßig und verfassungskonform erklärt. Konkret ging es in dem Urteil um die Verfassungsbeschwerde einer Vermieterin und zwei Kontrollanträgen des Landgerichts Berlin.

Um es vorweg zu sagen: Für den Kampf gegen Immobilienspekulation, Mietenwahnsinn und Verdrängung ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgesprochen wichtig.

Zu dieser Einschätzung kommen wir, als Bündnis für bezahlbaren Wohnraum, nicht, weil wir die Mietpreisbremse für ein besonders wirksames Instrument zur Begrenzung von Mietsteigerungen oder gar als eine Hilfe im Kampf gegen Verdrängung ansehen. Denn beides ist sie ganz sicher nicht, auch nicht in ihrer aktuellen Form, mit den von der Regierung gerade beschlossenen Änderungen: Die Regelung soll Mietpreissteigerungen ja nicht verhindern, sondern nur begrenzen, sie ist nicht flächendeckend, es obliegt vielmehr den Ländern, ob sie überhaupt und wenn ja, welche „Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt“ sie ausweisen. Zudem ist die Mietpreisbremse zeitlich befristet und orientiert sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete, die in Großstädten selbst schon Ausdruck eines hohen Mietniveaus ist und nicht nach einer einheitlichen Methode erhoben wird. Schließlich ist die Einhaltung der Mietpreisbremse nur schwer zu kontrollieren, und auf einem angespannten Wohnungsmarkt werden sich am Ende nur wenige mit Vermieter*innen anlegen wollen, die überhöhte Mieten verlangt haben. Aufgrund dieser Einschränkungen liegt die bisherige Wirkung der Mietpreisbremse auch nach allen Einschätzungen nahe bei Null.

Die politische Bedeutung der Mietpreisbremse liegt deswegen auch gar nicht in ihrer konkreten Wirkung, sondern darin, dass der Staat mit dieser Regelung den Anspruch reklamiert, grundsätzlich im öffentlichen Interesse in die Eigentumsrechte von Immobilienbesitzer*innen, konkret von Wohnungsvermieter*innen, eingreifen zu dürfen. Es versteht sich, dass die Immobilienlobby damit ganz und gar nicht einverstanden war und ist. Aber genau diesen Grundsatz hat jetzt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich bestätigt und bekräftigt!

Und nicht nur das. Die Richter*innen haben auch eine Begründung geliefert, warum ein Eingriff in das Eigentumsrecht von Immobilienbesitzer*innen gerechtfertigt ist. In ihrer Urteilungsbegründung stellen sie fest: „Es liegt im öffentlichen Interesse, der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Stadtteilen entgegenzuwirken.“ Das höchste Gericht stellt damit fest, dass der Erhalt einer sozial gemischten Bevölkerung in innerstädtischen Quartieren im Interesse des Gemeinwohls liegt! An diesem nun höchstrichterlich festgestellten Grundsatz dürften die Immobilienlobby und ihre medialen Vertreter*innen noch schwer zu kauen haben. Denn er widerspricht direkt der wiederholt geäußerten Auffassung der Immobilienwirtschaft, dass diejenigen leider weichen müssen, die sich die hohen Mieten an gefragten innerstädtischen Standorten nicht leisten können. Es könne eben nicht jede*r da wohnen, wo er*sie das möchte, oder wie es die FAZ vor einiger Zeit ausgedrückt hat: „Es gibt kein Grundrecht auf billige Miete mitten in der Großstadt“ (9.4. 2019).

Ein Wohnrecht nur für die Wohlhabenden und Reichen in innerstädtischen Quartieren gibt es aber auch nicht. Künftig wird man sich im Widerstand gegen Gentrifizierung und Verdrängung nun auch auf das Urteil des höchsten Verfassungsgerichts berufen können. Es liefert zudem eine willkommene zusätzliche Argumentation, um die Einrichtung von Milieuschutzsatzungen für Stadtteile durchzusetzen, die unter starkem Aufwertungsdruck stehen.

Politisch ist es wichtig, dass staatliche Eingriffe in das Eigentumsrecht von Immobi-lienbesitzer*innen grundsätzlich als zulässig beurteilt wurden. Allzu große Illusionen sollte man sich deswegen aber gleichwohl nicht machen. Weder das Grundgesetz noch die Interpretationen, die das Bundesverfassungsgericht mit seinen Urteilen vornimmt, sind frei von Interessenskonflikten und zeitbedingten politischen Kräfteverhältnissen. Dem Schutz des Privateigentums kommt sowohl im Grundgesetz wie auch in zahlreichen Gerichtsurteilen nach wie vor höchste Priorität zu. Derzeit dürfte aber für das Bundesverfassungsgericht die Sorge im Vordergrund gestanden haben, in den großen Städten könnten sich die sozialen Konflikte gefährlich zuspitzen. Der Bundespräsident hat schon davor gewarnt, die Städte könnten zum „sozialen Kampfplatz um das Wohnen“ werden. Seine Warnung kommt freilich zu spät. Der Kampf ist längst im Gange, inzwischen hat sich aber auch die Gegenwehr formiert und macht sich bemerkbar. Insofern kann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch als ein Erfolg der Protestbewegung gegen Immobilienspekulation, Mietsteigerungen und Verdrängung gesehen werden. Bereits die öffentliche Debatte darüber, wie die Verfügung über das private Eigentum von Immobilienbesitzer*innen eingeschränkt werden könnte (v.a. die Forderung der Berliner Initiative, die Deutsche Wohnen und andere Gesellschaften zu enteignen), hat die Immobilienwirtschaft aufgeschreckt und die Börsenkurse der großen Wohnungsunternehmen einbrechen lassen. Investitionen in Betongold erscheinen nun riskanter, Investor*innen werden vorsichtiger, und der Preisauftrieb auf den Immobilienmärken könnte dadurch gebremst werden. Das wäre ein sehr erwünschter Effekt und eine gute Voraussetzung, um endlich preisgünstiger bauen und so bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können.

Helmut (21.08.2019)
Runder Tisch Oberbilk
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum