Nach dem Camp ist vor dem Camp

Gelungene Proteste gegen Rheinmetall

Vom 1. bis 8. September hat das Camp „Rheinmetall Entwaffnen“ in Unterlüß bei Celle stattgefunden. Es war ein gelungener Dreiklang aus Austausch, Blockade-Aktionen und Demonstration. Einer der Höhepunkte war der Besuch bei dem Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger, der ganz in der Nähe wohnt. Und auch in Düsseldorf gab es eine Aktion bei Rheinmetall.

Etwa 300 Menschen aus unterschiedlichen Politikspektren beteiligten sich an dem Protestcamp, das seine Zelte am Produktionsstandort des Waffenherstellers Rheinmetall in Unterlüß aufschlug. Das Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“ blickt zufrieden zurück und plant für das nächste Jahr ein weiteres Camp. „Am Antikriegstag startete die Woche mit einem Antikriegs-Café, zu dem Menschen aus der Region eingeladen wurden. Am Abend ging es um Gedenken und Erinnerung. In den weiteren Tagen fanden Workshops und Diskussionen zur Geschichte der militarisierten Region der Lüneburger Heide und des Konzerns Rheinmetall im deutschen Faschismus bis heute, der Rolle von Rheinmetall und der Bundesrepublik in aktuellen Kriegen und dem tödlichen europäischen Grenzregime statt. Auch ökologische Faktoren von Krieg, feministische Perspektiven auf eine Antikriegsbewegung und der Blick auf gesellschaftliche Lösungskonzepte jenseits von Unterdrückung und Herrschaft wurden diskutiert. Im gemeinsamen Leben auf dem Camp und in Diskussionen wurden Formen eines solidarischen und friedlichen Zusammenlebens miteinander entwickelt.“

Antimilitarismus ist international

Internationale Gäste u.a. aus Schweden und Kurdistan sowie Vertreter*innen von Organisationen gegen Rheinmetall an Produktionsstandorten aus Sardinien und Südafrika waren anwesend und berichteten über die Aktivitäten Rheinmetalls bzw. den Auswirkungen der „Produkte“ von Rheinmetall. Die türkische Armee setzt Rheinmetall Waffen und Munition gegen die kurdische Bewegung ein. Die Besetzung von Afrin im Januar 2018 erfolgte mit Leopard-Panzern, einem Produkt von Rheinmetall. Auf Sardinien hat Rheinmetall eine Bomben- und Raketenfabrikation in einem strukturschwachen Gebiet angesiedelt, in der Hoffnung, dadurch wenig Proteste und Widerstand der ansässigen Bevölkerung zu erhalten. Im Falle von Sardinien haben sie sich verrechnet, wie die Aktivist*innen berichteten. Von Sardinien werden die tödliche Produkte u.a. nach Saudi-Arabien geliefert, das sie im Jemen vor allem gegen die Zivilbevölkerung einsetzt. In Südafrika liegt die Rheinmetall-Fabrik mitten in einem Wohngebiet in der Nähe von Kapstadt. Dort gab es 2018 eine Explosion bei acht Arbeiter getötet und viele schwer verletzt wurden. Die Aktivistin berichtete sehr eindrücklich davon. Bis heute gibt es keine Informationen über die Ursachen der Explosion, keine Entschädigungsregelungen und Ermittlungsergebnisse gegen mögliche Verantwortliche der Waffenfirma.

Besuch bei einem Kriegsprofiteur

Rund 90 Friedensaktivist*innen zogen am 4. September vor den Sommerwohnsitz von Rheinmetall-Konzernchef Armin Papperger, in Hermannsburg ganz in der Nähe von Unterlüß. Die in Düsseldorf ansässige ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie konfrontierte ihn mit der Urkunde des konzern-kritischen Black Planet Award, der Papperger 2017 verliehen worden war, den er aber nicht annehmen wollte.

„Wir haben dem Hausherrn unmissverständlich klargemacht, dass unser Protest gegen die Machenschaften der Unternehmensspitze – Bestechung, Umgehung bestehender Gesetze, Kriegstreiberei – nicht erledigt ist“, sagte Sibylle Arians vom Vorstand der Stiftung. Papperger war davon wohl nicht so begeistert. Er jammerte wenige Tage später über den Besuch in der FAZ herum. Außerdem beklagt der Rheinmetall-Chef eine „öffentliche Hetzkampagne“ gegen seine Branche. Für jemanden, der Leid, Schmerz und Tod mit seinen Produkten auf der ganzen Welt verbreitet, schon eine seltsame Ansicht. Es bleibt dabei: Auch Kriegsprofiteure haben Namen und Adressen.

Auch in Unterlüß beschäftigte Rheinmetall während des Nationalsozialismus Zwangsarbeiter*innen. Im Außenlager Tannenberg des KZ Bergen-Belsen wurden diese gefangen gehalten. Bis jetzt erinnerte nichts an dieses Lager. Seit Jahren bemühen sich Menschen aus Unterlüß und Umgebung um Aufarbeitung der Geschichte von Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion am Standort der ehemaligen Rheinmetall Borsig AG. Aktivist*innen setzten nun einen Gedenkstein: „Hier befand sich von 1944 bis 1945 das Außenlager Tannenberg des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, in dem 900 osteuropäische Jüdinnen inhaftiert waren. Sie mussten Zwangsarbeit für Rheinmetall leisten. Kurz vor der Befreiung wurden sie nach Bergen-Belsen deportiert, viele wurden dort ermordet. In Gedenken an die unzähligen, für die Kriegsindustrie der Nationalsozialisten ermordeten Menschen. Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.“ Ein Straßenschild mit der Aufschrift „Mahnmal KZ Außenlager“ wurde an der Straße angebracht, an den Bäumen Binden mit den Namen von Opfern und Banner mit Zeichnungen und Hintergrund-Informationen befestigt. Nur wenige Tage später war alles mutwillig zerstört und die Tafel mit der Inschrift entfernt. Die KZ Gedenkstätte Bergen-Belsen protestierte umgehend gegen die Zerstörung.

Die Rüstungsfabrik von Rheinmetall befindet sich in einer strukturschwachen Gegend. Rheinmetall ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. Die Identifikation mit den tödlichen Geschäften ist bei den Angestellten hoch. Nach dem Motto: Was interessieren mich die Toten, Hauptsache ich habe einen Job. Die wenigen Menschen in der Region, die gegen die Machenschaften von Rheinmetall agieren, haben einen schweren Stand. Das mussten aber auch die Camp-teilnehmer*innen erfahren. Anfeindungen waren keine Seltenheit. So starteten Bürger*innen eine Petition, um das Camp im nächsten Jahr zu verhindern. Offenbar legt der Protest den Finger in die Wunde der Stadt. Auf Flatterband und ein paar Sprühereien am Eigentum reagiert sie hysterisch, Geschäfte mit dem Tod erzeugen nur ein Achselzucken. Rheinmetall wird’s freuen.

Und auch in Düsseldorf

Zehn Tage nach dem Camp stattete Greenpeace der Zentrale des Rüstungskonzerns in Düsseldorf einen Besuch ab. Die Initiative ließ Transparente herunter und beklebte die Glasfassade mit Plakaten. Greenpeace protestierte gegen den Einsatz von Rheinmetall-Bomben und -Raketen im Jemen. Rheinmetall reagierte auf Presseanfrage etwas verschnupft. Der Konzernsprecher behauptete allen Ernstes: „Wir tun nichts Illegales.“ Das sehen nicht nur die Aktivist*innen anders, sondern z.B. auch Gerichte in Italien, wo nicht nur italienische Manager, sondern auch deutsche wegen illegaler Waffenlieferungen an Saudi-Arabien vor Gericht stehen. Nur einer von vielen Prozessen. Die Rheinische Post: „Außerdem kritisierte der Rheinmetall-Sprecher, dass die Friedensorganisation dem Unternehmen Rechtsbruch vorwirft, selbst aber Hausfriedensbruch begeht und unangemeldete Protestaktionen durchführt.“ Da bleibt einem die Spucke weg. Der Sprecher stellt Geschäfte und Profite mit dem Tod einem Hausfriedensbruch gleich. Ein Grund mehr, die Proteste gegen Rheinmetall auszuweiten und zu steigern.