TERZ 12.11 – AUFKLÄRUNG
Zu gern möchte ja Düsseldorf international in einer Liga mit London, Madrid, New York spielen. Mal abgesehen vom Größenwahn dieses Ansinnens von OB Elbers und Stadtführung, zeigt Düsseldorf in der Öffentlichkeit, dass es vor allem eins ist: Ein provinzielles Kaff.
In der neusten Provinzposse, die zur Lachnummer der Nation wurde, zeigten einige Herrschaften, dass an ihnen die Aufklärung vollkommen vorbei gegangen ist und das sie offensichtlich noch lange nicht in der Neuzeit angekommen sind. In einem Antrag an den Beschwerdeausschuss der Stadt hatte ein Düsseldorfer Bürger die öffentliche Rehabilitation von zwei Gerresheimerinnen gefordert, die im August 1738 am Ende des ersten Niederrheiner Hexenprozesses seit 200 Jahren am Galgenberg verbrannt wurden.
Die 14-jährige Helene Mechthildis Curtens wurde 1737 verhaftet und mehr als ein Jahr später zum Tode verurteilt. Gerüchte von Geistererscheinungen hatten zu ihrer Verhaftung geführt. Während der Haftzeit erzählte sie voller Naivität Geschichten und dabei beschuldigte sie die Nachbarin Agnes Olmanns, eine Mutter dreier Töchter, der Buhlschaft mit dem Teufel, also der Unzucht mit Satan. Agnes Olmanns stritt alle Vorwürfe ab und war bereit, sich einer Hexenprobe durch Eintauchen ins Wasser zu unterziehen. Das Gericht lehnte die Wasserprobe ab und zog es stattdessen vor, die Frau bis zum Geständnis zu foltern. Am 19. August 1738 ließen die Richter die beiden erst erdrosseln und dann verbrennen. Der Hexenprozess fand in einer Phase der Verschärfung von Strafverfolgung von Minderheiten statt, es war der letzte der am Niederrhein überliefert ist. Das war vor 273 Jahren. Eigentlich kein Grund, für politisches Gezänk. Sollte man meinen.
Nicht so in Düsseldorf. Der Mitbürger Andreas Vogt formulierte im April einen Bürgerantrag zur öffentlichen Rehabilitierung der beiden Frauen mit dem sich die Stadtverwaltung nicht beschäftigen wollte. Der Antrag wurde dann im Anregungs- und Beschwerdeausschuss eingebracht wo er einstimmig angenommen wurde. Er empfiehlt, der Frauen zu gedenken und ein mahnendes Zeichen gegen die Ausgrenzung Andersdenkender zu setzen etwa durch die Benennung von Straßen nach den Opfern, eine Dauerausstellung im Stadtmuseum oder eine Vortragsreihe. Außerdem sollte der Antrag in der nächsten Stadtratssitzung behandelt werden.
Doch nun ging die Posse so richtig los. Im Beschwerdeausschuss sorgten die Ausführungen des katholischen Theologen Bernhard Meisen schon für Irritationen. In der Presse trat er vehement gegen eine Rehabilitierung der Frauen ein, denn die Hexenverbrennung sei in Ordnung gewesen. Im Express äußerte sich Bernhard Meisen: "Die Umstände des Prozesses von 1738 sind dem Rat zu wenig bekannt, um da ein umfassendes Urteil für eine Rehabilitierung zu fällen". Und er führt weiter aus: "Die Frauen waren wegen Gotteslästerung, Hostienschändung und sexueller Unzucht angeklagt. Dass beide Frauen in abergläubische Praktiken involviert waren, ist nach Stand der Akten unbezweifelt." Eine Rehabilitierung empfindet der Theologe als diffamierend.
Die Rheinischen Post gab noch mehr von seinem Sermon wieder. "Die Politik dürfe nicht ein Urteil aufheben, das die Frauen wegen "Gotteslästerung, Hostienfrevel, sexueller Ungeordnetheit und Besessenheit" zweifelsfrei schuldig gesprochen habe. Zentrale Teile seines Römisch-Katholischen Glaubens würden durch die Rehabilitierungserklärung eines politischen Gremiums in Frage gestellt werden, ergänzt Meisen. Für den Fall, dass der Stadtrat oder ein anderes Gremium zu einer solchen Erklärung kommt, will er den Klageweg beschreiten", so das Blatt.
Er sehe sich in seiner Religionsfreiheit beeinträchtigt. Im Anbetracht der Tatsache, das die Geständnisse der Frau Olmanns unter Folter erpresst wurden und die 14-jährige Frau Curtens durch eine Nadelprobe überführt wurde eine sicherlich bemerkenswerte Sichtweise. Außerdem verwies Meisen auf die "sexuelle Ungeordnetheit" der beiden Frauen.
Der Ablehnung des Theologen schloss sich die Stadtverwaltung an und lehnte eine Rehabilitierung ab. Die CDU wollte daraufhin auch keine Rehabilitierung. Vielleicht träumt sie auch von der Einführung von Nagelproben. Es setzte eine bundesweite Berichterstattung über die mittelalterlichen Ansichten der Stadtverwaltung und der CDU ein, was dafür sorgte, dass die CDU zunächst doch etwas einknickte. Die FDP erstellte einen Antrag, in dem an alle Menschen gedacht wird, denen in Düsseldorf Unrecht geschah. Hinter verschlossenen Türen signalisierten CDU und FDP aber doch vorsichtig Zustimmung zu einem von SPD, Grünen und LINKEN eingebrachten interfraktionellen Ratsantrag für ein gemeinsames Gedenken an die beiden hingerichteten Frauen. Zu Beginn der Ratssitzung beantragte die SPD wie abgesprochen, für die Frauen eine Gedenkminute abzuhalten. Daraufhin bekam OB Elbers einen kleinen Ausraster und hielt eine wirre Rede darüber, warum der Rat nicht zuständig sei. Geflissentlich überging er den Antrag und wollte mit der Sitzung fortfahren, was wiederum zum Aufschrei der Opposition führte. Mit einer Mehrheit von SPD, Grüne, LINKEN und der sich anschließenden FDP wurde die Gedenkminute beschlossen, die im Tumult der Christdemokrat_innen unterging, die teilweise den Saal verließen. So zeigte sich mal wieder die Weltoffenheit von CDU, Stadtverwaltung und OB Elbers. Vielleicht sollte man Elbers auch mal mitteilen, dass die Erde keine Scheibe ist. – Eine Karnevalswagenmotivs-Steilvorlage erster Ordnung.
Die Vehemenz, mit der sich Elbers und Teile der CDU eines Gedenkens und einer formlosen Rehabilitation von zwei Frauen widersetzten, die auf dem Scheiterhaufen gestorben sind, zeigt nicht nur Rückwärtsgewandheit, sondern auch, dass sie nicht bereit sind sich mit den Verbrechen der Kirche auseinanderzusetzen.
MEIKEL
Mehr dazu:
www.anton-praetorius.de
die-duesselhexen.de