CDU bläst zur Obdachlosen-Treibjagd

Kampf gegen die Armen statt gegen die Armut: Mit der Verschärfung der Düsseldorfer Straßenordnung will die CDU den städtischen Räumkommandos vom Ordnungsdienst ihr Vorgehen gegen Obdachlose, Punks und Drogen-BenutzerInnen weiter erleichtern und die Altstadt zu einer sturmsicheren Konsumfestung ausbauen.

Bekanntlich nimmt es die ehrenwerte Gesellschaft CDU mit den Gesetzen nicht so genau. Schon in früheren Debatten zur Straßensatzung forderte der jetzige Oberbürgermeister Joachim Erwin im Hinblick auf die Arbeitsplatz-Beschreibung des städtischen Ordnungsdienstes, man müsse einen Unterschied zwischen "Opportunität und Legalität" machen sowie zwischen "Einschreiten müssen und Einschreiten können". Er wollte die Paragraphen der Straßensatzung vage gefasst wissen, um den Ermessensspielraum der Stadt-Sheriffs zu erweitern und die Obdachlosen oder "Normadressaten", wie es im Amtsdeutsch heißt, einer verstärkten Willkür-Behandlung auszusetzen. Auch im Wahlkampf versuchte sich Erwin mit dem populistischen Thema zu profilieren. Zudem unterschrieb er gemeinsam mit anderen CDU-Politikern die sog. Mettmanner Erklärung, in der es unter anderem heißt: "Die Polizei ... muss die öffentliche Ordnung gegen Randale, Alkoholismus-Szenen, Pennertum, aggressives Betteln und Pöbeleien verteidigen."

Bereits kurz nach dem Machtwechsel bekamen die "Normadressaten" dann die härtere Gangart zu spüren. Die Räum-Dienstleister hielten sich auch keineswegs bedeckt und begründeten ihr härteres Vorgehen mit dem anderen Wind, der jetzt im Rathaus wehe. Erst die Intervention des Initiativkreises Armut, der die Obdachlosen in Handzetteln über ihre Rechte aufklärte, stoppte die Rathaus-Offensive. Dort versuchte man es dann auf dem Rechtsweg, über die Verschärfung der Straßenordnung. Die Phantasie der BeamtInnen, neu zu bestimmen, was man denn alles "Aggressives Betteln", "Lagern" und "Störungen in Verbindungen mit Alkoholgenuss" verstehen könne, schien schier unermesslich zu sein. Künftig sollte "aggressives Betteln" nicht mehr nur "Unmittelbares Einwirken auf Passanten durch In-den-Weg-Stellen oder Anfassen" sein, sondern auch "Einsatz von Hunden als Druckmittel, hartnäckiges Ansprechen, Verfolgen oder Anfassen". Wobei durch den Gebrauch einer Vielzahl von Wendungen wie "z.B." oder "insbesonders" die Grauzone, in der es dem Ordnungsdienst erlaubt sein sollte, Platzverweise auszusprechen, beträchtlich erweitert wurde.

Gegen die Verschärfung der Jagdordnung organisierte vor allem die Obdachlosen-Zeitung "fiftyfifty" Widerstand. Das Blatt setzte eine "ökomenische Erklärung" auf, die unter anderem prominente Kirchenvertreter unterschrieben, brachte eine Sonderausgabe in einer Auflage von 250.000 Exemplaren in Umlauf und forderte eine öffentliche Anhörung zum Thema. Erste Folge des Drucks war, dass die FDP auf Distanz zur CDU ging und eine eigene Version der Straßensatzung formulierte. Dem Drängen nach einer Anhörung wurde schließlich auch stattgegeben. Der Vorsitzende des Ordnungs- und Verkehrsausschusses, Friedrich G. Conzen, wollte sie erst auf das Messegelände auslagern, um die Besucherzahl möglichst klein zu halten, musste sie nach Protesten schließlich aber doch im Rathaus anberaumen.

Dortselbst hatte dann zunächst Ordnungsdezernent Werner Leonardt Gelegenheit zu erörtern, warum die neue Straßensatzung angeblich gar keine Verschärfung, sondern bloß eine Konkretisierung darstelle. Auch ein "zielgruppen-orientiertes Eingreifen" gäbe es durch die Nachbesserungen ebenso wenig wie vorher. Der Verwaltungsterrier erklärte allen Ernstes, dass in 90 % der Fälle der Normalbürger, etwa in seiner Eigenschaft als Hundebesitzer, ins Visier des städtischen Ordnungsdienstes geraten sei. Zum Schluss wartete Leonardt noch mit einer herzerweichenden Geschichte auf, die die Dringlichkeit von Veränderungen anmahnen sollte: Tatort Rathaus-Vorplatz. Die emsig arbeitenten städtischen Beamten vernahmen hoch oben in ihrem Büro, dass "eine alkoholisierte Person grölte" und "ein 12-jähriges Mädchen gehänselt wurde". Höchstpersönlich stürzte dann ein Stadtbediensteter herunter, nahm das junge Ding bei der Hand und lotste sie gerade noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone. Die nachfolgenden Fürsprecher eines härteren Vorgehens überschritten dieses Niveau nicht wesentlich, was die als Zuschauer anwesenden Rechtsradikalen zu lebhaften Beifallskundgebungen hinriss. Joachim Klischan von der Altstadtgemeinschaft nannte den Satz "Die Straße gehört allen" wenig hilfreich, sprich: geschäftsschädigend. Kay Lorentz schrumpfte die ganze Welt auf sein kleines "Kommödchen" zusammen. Detailliert berichtet er den Anwesenden von seinem Pisse-Putzkampf. Mit der Arbeit der Polizei zeigte er sich leidlich zufrieden. Wenn sie noch öfter auf Anrufe prompt reagierte und das Kommödchen von lästigen obdachlosen Belagerern befreien würde, bräuchte man auch keine neue Straßensatzung, so der gar nicht lustige Chef-Kabarettist. Nicht nur die eigene kleine Welt vor Augen hatten dagegen die Kirchenvertreter, Peter Bürger vom Initiativkreis Armut und ein Vertreter von fiftyfifty.

Wie die Entscheidung letztlich ausfällt, ist offen. Die CDU könnte sich mit der FDP auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Bei Gesprächen wurde schon ein erster Kompromiss gefunden. Allerdings betrifft dieser nur die Tierwelt. Beide Parteien befanden, dass es der artgerechten Tierhaltung widerspräche, per Paragraph ein generelles Anleinen von Hunden zu dekretieren. Nach dem Leitspruch: "Der Bürger soll sich tagsüber wieder unbehelligt in die Konsumtempel trauen" wäre nach "Wehrmachtsausstellung" und "Heroin-Freigabe" auch wieder eine Koalition der CDU mit den Republikanern denkbar. Dieser Fall würde eintreten, wenn die FDP darauf bestände, liberales Profil zu zeigen, aber gleichzeitig darauf setzen würde, dass die neue Straßensatzung mit Hilfe der Reps-Stimme verabschiedet wird. Wie wenig ihnen Liberalität und das Schicksal der Drogensüchtigen wirklich bedeuten, wenn es die Option Republikaner für die CDU wegfällt, zeigte ihr Abstimmungsverhalten im Ausschuss für Gesundheit und Soziales: Dort stimmte die FDP mit der CDU dagegen, die Etatlücke, die sich beim Drogenhilfezentrum infolge der Neuregelung der 630 Mark-Jobs aufgetan hatte, zu stopfen.

JAN