Mutter Courage frißt Ihre Kinder

Als tragische Heldin kommt sie auf die Bühne: Therese Ghiese als Mutter Courage. Das war bei der Uraufführung 1941 in Zürich.

Acht Jahre später im sowjetischen Sektor im Theater am Schiffbauerdamm spielt dann Helene Weigel die Hauptrolle. Das dunkle Haar gescheitelt, zum Dutt in ein Haarnetz gepackt. Und im Hintergrund: der Genosse mit der coolen Brille, der Frauenschwarm, das Genie: Bert Brecht.

Im Ratinger Stadttheater ist am Donnerstag, den 13. Januar 2000 das Ensemble um Ellen und Jakob Schwiers zu Gast. Die Stadt belohnt Brecht und sein Drama ebenso wie die Mühe des Ensembles, das sich ein Jahr für die Proben Zeit genommen hat, mit vollen Rängen: Vom Teenie bis zum Kulturdezernenten sind alle gekommen, um das Antikriegsstück über das Schicksal einer Familie im dreißigjährigen Krieg zu sehen. Fast bis auf den letzten Platz ausverkauft ist das 400 Plätze fassende Haus. (So viel zum Thema Brecht schaffe leere Häuser und Theater sei ja ehedem überflüssig, das u. a. in einer großen Hamburger Wochenzeitung in den letzten vier Jahren immer wieder angesprochen wurde).

Zur Inszenierung: Den Brecht-Erben würde es gefallen, wie Ellen Schwiers und Jan Aust (Regie) den Stoff in Szene setzen. Bekanntlich laufen die ja immer Sturm, wenn es um die korrekte Umsetzung der Stücke des Meisters geht. Und es funktioniert: Man/frau hört den Kanonendonner, unter dem Mutter Courage im Krieg ihre Geschäfte abwickelt, noch wie damals, als Brecht selbst die Proben leitete. Nur das Bühnenbild ist moderner: Bombenkrater auf weißer Leinwand. Und der Verfremdungseffekt wird nicht übermäßig beherzigt: Die Umbauten passieren zwar nicht hinter dem Vorhang, dafür aber bei heruntergezogenen Lichtreglern.

"Der Krieg sei verflucht"

- So lautet der verzweifelte Ausruf der Courage.
Zu den Kindern der Mutter Courage: drei hat sie davon - zwei Söhne und eine stumme Tochter. Ein Sohn - Schweizerkaas genannt - stirbt kläglich, während der Wirren des Krieges: Blutig wird seine Leiche der Mutter auf einer Schubkarre präsentiert. Schlimm ist, daß sie noch nicht einmal offen um ihren Sohn trauern darf, denn vorher hatten sie so getan, als kennten sie sich nicht, weil sie verschiedenen Fronten angehörten. Ihren sprechenden Namen trägt die Protagonistin nicht ganz zu Recht: Couragiert ist sie zwar, denn immerhin sorgt sie für den Lebensunterhalt der Familie, indem sie als Marktfrau durch die Gegend zieht. Sich aber dem Krieg offen zu widersetzen - dazu reicht ihr Mut nicht.
Das Publikum belohnt die Leistung der Truppe mit starkem, wie Regen prasselndem Applaus.

Weitere Auführungen im Februar: 10. 2. Hanau, 13. 2. Euskirchen, 15.-17. 2. Witten: Wege, die sich lohnen werden ...

JULIA GALINKE