Brecht - der moderne Klassiker

Im Düsseldorfer Schauspielhaus wurde am 25.2.2000 mit dem Stück "Das Leben des Galilei" Premiere gefeiert

Endlich wieder einen Brecht auf den Brettern des Düsseldorfer Schauspielhauses!

Eindrucksvolle Bühne zur Begleitung der Pest (Klaus Emmerich).

Armer Galileo Galilei (großartig griesgrämig und illuminiert zugleich: Volker Spengler)! Entdeckst etwas, bist davon überzeugt, daß es stimmt und darfst es nicht mehr preisgeben. Das aristotelische und damit das kirchliche Weltbild war ins Wanken geraten: Die Erde und Kirchendiener sollten nicht mehr Mittelpunkt des Alls sein. Was heute nicht mehr besonders skandalträchtig ist, genügte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, um mindestens drei Personen das Leben zu ruinieren. Dabei war die Auseinandersetzung gegen die sogenannte heilige Inquisition nicht von Anfang an aussichtslos gewesen: Hatte sich doch Papst Urban VIII (auch er Naturwissenschaftler) erst höchstselbst für den italienischen Physiker und seine Lehren, niedergeschrieben in den Discorsi, ausgesprochen. Doch die Argumente des Papstes verhallen ungehört, alle Hoffnungen der Astronomen waren umsonst: auf Druck von Kardinal Inquisitor wird dem Entdecker der Prozeß gemacht. Und was tut der: wiederruft er oder tut er es nicht: der Spannungsbogen ist auf dem Höhepunkt, als seine drei Assistenten Andrea (Jost Grix - klasse auch als Erzähler mit Brechtcap), der kleine Mönch (Andreas Ebert), Sagredo (Götz Argus) und Tochter Virginia auf die Entscheidung des Vaters bzw. Lehrers und Freundes warten. Sofern man bei der Androhung einer Folter von Entscheidung sprechen kann. Jedenfalls stellt Brecht die Wissenschaftler reichlich grausam dar: Ihnen wäre ein Märtyrer der Wissenschaft lieber als ein gebrochener Freund. Und - als gute Tochter und gläubige Christin (heldisch den Vater pflegend: Irene Christ) betet Virginia als Einzige, daß ihr Vater doch konvertieren möge. Obwohl doch so ihr unfreiwilliges Opfer (der Verlobte hatte nicht zu ihr als Tochter eines Ketzers stehen können) umsonst war.

Umsonst? Als schon aller Lorbeer für Galileo, den mittlerweile halbblinden weiter sinnlichen Genüssen Frönenden, verloren scheint und er würdelos als Gefangener der Kirche lebt, eröffnet er Andrea, der mittlerweile selbst Forscher geworden ist - trotz aller Widerstände, die seine Mutter (toll: Anke Hartwig) ihm entgegensetzt, daß er doch an den Discorsi weitergeschrieben hat. Der ist daraufhin sehr beschämt. In dieser Version der Abläufe (Brecht hatte drei verschiedene Enden geschrieben) scheint Galileos Angst angesichts der Folterinstrumente menschlich und verständlich: er ist ein Held obwohl er dem vernünftigen Menschengeschlecht nicht durch mutigen Widerstand zum Vorbild dient.

Im vollen großen Haus wurden Regie (Klaus Emmerich), Dramaturgie (Frank Raddatz), Kostümbildnerin (Renate Schmitzer) und die SchauspielerInnen mit nicht endenwollendem Applaus belohnt.

Julia Galinke

Termine im März, jeweils 19:30 im Schauspielhaus - Grosses Haus:
Sa. 11.03., So. 12.03., Sa. 25.03., Do. 30.03. und Di. 04.04.2000