Terz-DISKUSSION
Streit um den Alpen-Nazi

Tragödie und Farce

Haider ist der kompatible Nazi für die neue 00-Zeitrechnung, weil er das völkische mit dem neoliberalen Prinzip vereint. Das wurde auch in Düsseldorf schon bemerkt...

Angesichts der deutsch-österreichischen Achse von zwei strammen Rassisten in Wartestellung auf die Kanzlerschaft fällt der Marx'sche Ausspruch von der Wiederholung der Geschichte - zuerst als Tragödie, dann als Farce - wieder der Erinnerung anheim. Hitlers Wiederbelebung als postmodernes, bayrisch-österreichisches Doppelpack? Nein, schreien viele, weil der Vergleich verharmlosend sei. Rassistische Haßtriaden aus Bayern gegen die "Durchrassung der Gesellschaft" und antisemitische Trotzparolen ("Jetzt wissen wir, warum es Antisemitismus gibt") als Reaktion des völkischen Alpen-Führers gegen Boykottdrohungen... alles nicht faschistisch? Die CSUler waren die ersten, die als Teil der christlich-konservativen Rechten Haider die Steigbügel reichten und sie waren die ersten, die zum "shake hands" in das wieder gebräunte Österreich fuhren. Haider ist nun der Garant dafür, daß völkisch-neoliberale Politik mit erklärtem NS-Bezug ein gehbarer Weg in Europa sein kann. Der Besuch des Alpen-Nazis in Düsseldorf 1997 hat gezeigt, daß deutsche Neoliberale dies durchaus schon seit einiger Zeit erkannt haben.

Der Vorsitzende des "Lions-Club" aus Oberkassel lud Haider schon vor drei Jahren zu einer Podiumsdiskussion in die "Rheinterrassen" - ausgerechnet über das Verständnis von "Liberalität" sollte vor honorigem Publikum diskutiert werden. Der Antifa-KOK verhinderte damals den politischen Dammbruch-Versuch durch massiven öffentlichen Protest; die Veranstaltung wurde aus "Sicherheitsgründen" abgesagt. Interessant ist allerdings, sich einige der damaligen Reaktionen auf die erfolgreiche Verhinderung dieses "polit-events" in Erinnerung zu rufen. So erklärte der Oberkasseler Lions-Vorsitzende Hans-Joachim Kind, daß Haider gar kein Rechtsradikaler sei, sondern "eher das Gegenteil". Ins gleiche Horn stieß der Vize-Haupt-geschäfts-sführer der Düsseldorfer IHK, Otmar Kalthoff. Ein Vortrag unter Freunden sei doch nichts Ungewöhnliches: "Über Haider kann man so oder so denken", lamentierte der neoliberale Standort-Propagandist und erhielt damit auch ideologischen Beistand von Nowea-Geschäftsführer Wilfried Moog. Geht's nach den Düsseldorfer Neoliberalen, so scheint der braune Alpen-Jörg durchaus Anziehungskraft zu besitzen, die durch seinen weiteren Erfolg sicherlich nicht geschmälert worden ist. Der offene Antisemitismus und der bewußt vorgetragene Geschichtsrevisionismus verbunden mit völkischen Geifereien ist es jedoch, der eine ablehnende Allianz gegen das FPÖ/ÖVP infizierte Österreich rechtfertigt und notwendig macht - egal wie verlogen sie sonst auch ist. Denn die neoliberale Pest macht den Faschismus nicht harmloser.

AL C.

(Zitate entnommen aus: Rechts-schutzinstitut (Hg.): Lokalpolitik und die extreme Rechte in Düsseldorf)


Boykott!

Alle zivilisierte Welt nimmt die gleiche ablehnende Haltung gegen eine Regierungsbeteiligung von Jörg Haiders FPÖ ein - nur östlich des Limes haben die Eingeborenen wieder mal ganz andere Ansichten.

Die USA zogen ihren Botschafter aus Wien bis auf weiteres ab und wiesen ihren Militärattaché in Wien an, keiner Veranstaltung des neuen FPÖ-Verteidigungsministers beizuwohnen. 14 Regierungen der Europäischen Union beschlossen, die neue österreichische Regierung diplomatisch zu isolieren und keine offiziellen Regierungskontakte zu unterhalten. Portugals Staatschef Jorge Sampaio sagte seinen Staatsbesuch in Österreich ab und nimmt nicht am Wiener Opernball teil. Auch der britische Thronfolger Prinz Charles sagte seinen für Mai geplanten Österreichbesuch ab. Die israelische Regierung verhängte ein Einreiseverbot über Jörg Haider, erklärte diesen zur Unperson und zog ihren Botschafter aus Wien ab. Moskau und Peking blieben ebenfalls auf Distanz. Sogar die Europäische Volkspartei (EVP), der europäische Zusammenschluß christlich-demokratischer und konservativer Parteien, eröffnete trotz Gegenwehr der CDU/CSU ein Ausschlußverfahren gegen ihren österreichischen Partner, die ÖVP, weil diese eben mit Haiders FPÖ die Regierung bildet. Wahrscheinlich wird die ÖVP Sitz und Stimme in den europäischen Gremien der EVP verlieren, oder ihre Mitgliedschaft wird vorübergehend sogar ganz ruhen. Der für Mitte März in Wien geplante Europäische Rabbiner Kongreß wurde abgesagt. Im belgischen Parlament erschienen viele Abgeordnete aus Protest gegen Haider mit dem gelben Davidstern am Revers.

Im germanischen Wald dagegen beurteilt man diese versammelte zivilisierte Weltreaktion gegen die Regierungsbeteiligung von "Neonazi-Rassisten" (The Observer) ganz anders. Eine der hiesigen Buschtrommeln, Die Zeit, beklagt, "die Vierzehn schleudern Blitz und Donner vom Olymp ... den Zorn dieser Götter ... All das gibt jedoch keinen Anlaß zur Hoffnung". Von einem "Bannfluch" trommelt die Buschtrommel weiter und von einer "Drohung". Der Spiegel beklagt ebenfalls einen "Bannstrahl" und "Drohgebärden". Das Ganze sei, trommelt die Frankfurter Allgemeine unaufhörlich weiter, "hysterisch", ein "Anfall von hysterischem Strafbedürfnis". Die taz dagegen trommelt gegen die "allzu billige Kritik" der Zivilisierten. Schon will die CDU/CSU, die ja via Edmund Stoiber ihrer Schwesterpartei in Wien den Rat gab, mit Haiders FPÖ zu koalieren, die Isolation Österreichs durchbrechen und eine Delegation nach Wien schicken. Da möchte der Stammesfürst der sächsischen PDS, Peter Porsch, nicht zurückstehen und seinen Skiurlaub abermals in dem Alpenland verbringen; weil die EU-Sanktionen natürlich das Gegenteil ihrer Absicht bewirkten, gelte es Österreich nicht auszugrenzen. Daß sich die Bundesregierung entgegen der öffentlichen Meinung an der internationalen Aktion zur Isolierung Österreichs beteiligt, ist keineswegs ihrem etwaigen Antifaschismus geschuldet, sondern den Notwendigkeiten der europäisierten und internationalisierten Kapitalverwertung.

Immer noch setzt das deutsche Kapital im postkommunistisch entfesselten Totalkonkurrenzkampf der drei kapitalistischen Blöcke Nordamerika, Japan/Asien eben auf den dritten Block Europa. Immer noch ist deutschen Produkten für den Weltmarkt ein Nazi-Image aus der Heimat nicht gerade zuträglich, und da wäre eine zu große Nähe Standortdeutschlands zu dem "Faschisten" Jörg Haider (die israelische Zeitung Maariv) eben wenig profitabel. Wehe aber der Welt, wenn die Wirtschaft zusammenfällt.

Im Ausland hat man kein Problem, wie die Beispiele des britischen Observer und des Maariv zeigen, Haider als das zu bezeichnen, was er ist, ein "Neo-Nazi-Rassist", ein "Faschist". Der Mailänder Corriere della sera schrieb, "Jörg Haider ist eine Brandbombe im Herzen Europas". Der französische Außenminister Védrine bezeichnet Haider und seine FPÖ als "extreme Rechte". Und die israelische Regierung spricht von "Neo-Nazi-Elementen" in der österreichischen Regierung. Im germanischen Nebel aber sehen wieder alle ganz etwas anderes. Die FAZ meint zu sehen, "daß Haider nicht Hitler sei", eher ein "begnadeter Redner". Auch Bild will gesehen haben, daß "Jörg Haider ... kein Hitler (ist)", sondern ein "Sprücheklopfer". Einen "Irrwisch" gar will der Spiegel erkennen. Die taz wieder identifiziert Haider als einen "Charmeur, kein Dumpfdussel". Ja, so sind die Deutschen: angeblich von den 68ern zivilisiert (Antje Vollmer), aber ständig anderer Ansicht als die Zivilisierten. Natürlich findet die Haiderei auch westlich des Limes Gleichgesinnte, z.B. die 500 antisemitischen Le Pen-Anhänger, die zur Verteidigung Österreichs in Paris aufmarschierten, und so manche eher etablierte Stimme. Aber auch dies war bei den Germanen nicht viel anders. Als die germanischen Franken unter ihrem Stammeskönig Chlodwig im 5 Jh. die römische Provinz Gallien eroberten, fanden sie in den inneren Feinden Roms, den zivilisationsmüden römischen Christen, Verbündete. Die Taufe Chlodwigs durch Bischof Remigius besiegelte das Bündnis. Wie der Jörg Haider in Zivilisation nur belgische Kinderpornographie und französische Korruption erkennen kann, so konnten auch frühe Christen und Germanen in Zivilisation nur Sodom und Gomorrha sehen. Der weltliche Staat Rom (civitas terena) wurde zerstört und durch den christlichen Gottesstaat (civitas dei) des dunklen Mittelalters ersetzt. Das auch von den antiken Kaisern immer anerkannte römische Bürgerrecht sowie die Religionsfreiheit (religio licitas) wurden abgeschafft, was sich vor allem gegen die Juden richtete. Wie der Jörg Haider und Le Pens Demonstranten in Paris antisemitisch sind, so waren eben frühe Christen und Germanen auch schon antijüdisch. Geschichte wiederhole sich nicht - wie lächerlich! Sie bewegt sich eben "kreisähnlich in ihrem Fortschritt" (Horkheimer/Adorno). Somit steht aber zu befürchten, daß doch wieder Appeasementpolitik angesagt sein wird, daß wieder keiner sagt, was der römische Konsul Cato d.Ä. am Ende all seiner Reden schon vor mehr als 2000 Jahren auch nicht gesagt hat:
Ceterum censeo Germaniam esse delendam!

Karl S.


Wen stört Haider?

Das Strickmuster von Karls Kritik (»Boykott!«) ist einfach: Dort der zivilisierte Westen und hier das teutonisch-barbarische Deutschland. Was man daran erkennen kann, dass der Westen den Haider nicht mag, und umgekehrt aus Germanien Zustimmung auf breiter Front den Alpen-Jörg erreicht. Nach einer Lehrstunde in Römischer Geschichte erfährt der Leser "Germaniam esse delendam".

Europa und Östereich

Dass Karl ziemlich enttäuscht vom modernen Deutschland ist und ihm lateinische Radikallösungen einfallen, kann man ja noch durchgehen lassen. Aber muss er dann unbedingt Partei ergreifen für die imperialistischen Bündnispartner oder Konkurrenten? Ganz abgesehen davon lohnt es, sich mal die Vorgänge um Österreich abseits einer geschmäcklerischen Be- oder Verurteilung anzuschauen.

Trotz aller Sorgen und Probleme mit der Osterweiterung, dem Euro, dem Sonderfall Türkei usw., die die EU bewegen, wird ein riesiges Theater anlässlich der österreichischen Regierungsbildung veranstaltet.

Obwohl die österreichische Regierung unablässig "eindeutige Bekenntnisse zur Demokratie" ablegt und erklärt, dass sie in Sachen Auländerpolitik sich streng an europäische Menschenrechtsstandards, d.h. an die Bestimmungen des Schengener Abkommens, hält, die schon einigen Abgeschobenen zum tödlichen Verhängnis wurden, erfährt sie diplomatische Ablehnung unter dem Motto "Wehret den Anfängen!"

Dabei findet hier nichts anderes statt als eine Sortierung der Zuständigkeiten in der europäischen Innenpolitik. Mit der Schaffung eines europäischen Gesamtsouveräns unterscheiden sich einerseits die beteiligten Nationen immer mehr in Führungs- und Mitmachernationen, andererseits tritt mit der Herausbildung eines einheitlichen europäischen Staatswillens die nationale Souveränität zurück. Die Staatengemeinschaft nimmt sich das Recht heraus, sich in die ureigensten internen Angelegenheiten eines Mitgliedslandes einzumischen. Und das bekommt Österreich nun exemplarisch zu spüren. Als kleines Land innerhalb der Gemeinschaft lernt es, was es bedeutet, im Konzert der Großen mitspielen zu wollen oder zu müssen.

Nationalismus in Europa

Der erwartete Souveränitätsverlust gefällt den traditionellen österreichischen Nationalisten nicht, und sie geben die Massenbasis für ihren neuen Führer Haider ab, der sich populistisch zum Träger "anti-europäischer Ressentiments" macht. Wie es in jeder europäischen Nation nationalistische Zweifler gibt, die sich fragen, ob ihre Nation tatsächlich zu den Gewinnern des neuen Europa zählt, tauchen solche Typen natürlich in den kleineren EU-Mitgliedsstaaten gehäuft auf.

Diese Bestrebungen werden von den europäischen Staaten unter dem Motto des "Anti-Nationalismus" unter Missachtung der staatlichen Souveränität hier Österreichs streng verfolgt - aber nur in dem Sinne, dass hier ein neuer, moderner europäischer Nationalismus geschaffen wird, der sich in der weltpolitischen Konkurrenz mit den üblichen Mitteln durchsetzen kann.

Nachtrag

Erstaunlich, dass die Regierungen, die noch vor kurzem Jugoslawien zerbombt haben, jetzt im nebenstehenden Artikel zu Rettern der Zivilisation erklärt werden. Ironie der Geschichte ist, dass der von den Kritikern Karlcher Couleur so gefeierte Milosevic nun zarte Bande zum Alpen-Jörg knüpfen soll. ("Liebesgrüße aus Belgrad", Jungle World, 16.2.) Die beliebte Tour einiger Linker, die Weltenläufe durch eigenwillige Interpretationen für ihre politischen Zielsetzungen zu instrumentalisieren, taugt halt nicht zur Erklärung und Kritik herrschender Zustände.

Übrigens, das Spielchen wird weitergetrieben. Vor Kurzem hat unser Kanzler in Italien angefragt, ob es da nicht auch einen kleinen Haider gibt. Das wurde natürlich von der italienischen Seite brüsk zurückgewiesen.

Wenn Regierungsvertreter sich antifaschistisch gebärden, sollte man vorsichtig sein und erst mal schauen, was dahinter steckt.

PF