Neoliberaler Kultur-Populismus

Kundenorientiertheit statt künstlerischer Selbstverwirklichung, repräsentative Standortkunst statt kritischer Reflexion, GmbHs statt rein staatlich geförderter Institutionen - so sieht das kulturpolitische Programm der CDU aus, das Bürgermeister Joachim Erwin der Öffentlichkeit passenderweise im Musical-Schuppen "Capitol" präsentierte.

In der ihm eigenen Gründlichkeit setzte Erwin zu Beginn seines Vortrages gleich bei der Wurzel des vermeintlichen Übels an und knöpfte sich die Leitlinie vor, die besonders in den 70er Jahren die Kulturpolitik der SPD bestimmte: Kultur für alle. In dieser Vorstellung, die angeblich dem Bürger Kultur zuteile "wie ein Stück Brot", konnte er nur ein Ausbund an "cultural correctness" erkennen. "Von Kultur als Bringschuld des Staates, von kultureller Betreuung und ähnlichem Unsinn ist da die Rede, so als wäre die Kultur der Kindergarten oder das Jugendzentrum der Nation, mit lauter wohlbestallten Betreuern (...), die genau wissen, was für den Bürger gut ist."

Rhetorisch geschickt auf antisozialistische und staatsfeindliche Ressentiments setzend, interpretierte er damit zum dirigistisch verfügten Massenbeglückungsprogramm um, was nur den Zweck hatte, möglichst vielen Menschen den Zugang zur Kultur zu ermöglichen und die Exklusivität bildungsbürgerlicher Zirkel zu brechen.

Für ihn haben die angeblichen Kultur-Fünfjahrespläne nur einen selbstherrlichen Kulturmacher-Typus hervorgebracht, dem es, staatlicher Finanzierung gewiss, ausschließlich um seine künstlerische Selbstverwirklichung geht, ohne sich ums Publikum zu scheren. "Die Leute wurden nicht mitgenommen", so der CDU-Politiker. Bei soviel von "Rotschock-Erwin" ausgemachtem Staatssozialismus hätte man an vorderster Kulturfront eigentlich keinen Egomanen, sondern einen willfährig die Volkspädagogik umsetzenden Kulturkommissar erwartet, aber solche Ungereimtheiten in seinem Vortrag störten den Bürgermeister wenig, wenn er sich damit nur populistisch von einer Spießer-Vorstellung zur nächsten hangeln konnte. Dass nur die Macher bestimmen, was Qualität sei, wollte er nicht länger hinnehmen. Sie müssten in Zukunft "kundenorientierter" denken und die "Abstimmung an der Kasse" zur Kenntnis nehmen, führte er mit deutlichem Wink in Richtung Schauspielhaus aus. Wie er es gerne hätte, teilte der OB dem Publikum auch mit: Er möchte seine Klassiker wiedererkennen können, ganz so, als seien die Klassiker immer schon klassisch gewesen und hätten keine andere Funktion, als dem kulturbeflissenen Bürger in einer Art Endlosschleife wohlige "déjà vu"-Erlebnisse zu vermitteln. Womit er, der sich in seiner wilden Bochumer Studentenzeit in Bochum auch Stücke angesehen haben will, die "unheimlich kontrovers" waren, gar nichts gegen künstlerische Experimente gesagt haben wollte - es aber doch hat.

Statt "Kultur für alle" verkündet der Flachland-Populist den Leitspruch "Kultur von allen". Nur müssen Erwins "alle" zufällig ein Chemie-Werk besitzen, um das "Weltkulturerbe" Benrather Schloss mitpflegen zu können oder mal eben so 100.000 Mark übrig, um imstande zu sein, sich in den Aufsichtsrat einer avisierten Opern AG einzukaufen. Kultur-Plutokratie also statt Kultur-Demokratie. Wie willfährig dann öffentliche Steuerungsmöglichkeiten geopfert werden, zeigt das Beispiel der geplanten Kunsthallen GmbH. In der "Neudefinition" dieses Reliktes aus bewegten Zeiten - "Die Kunsthalle von 1968 steht geradezu symbolisch für eine Kulturpolitik, die in der öffentlichen Hand den alleinigen Garanten für die Freiheit einer auch kritischen, die gesellschaftlichen Zustände in Frage stellenden Gegenwartskunst steht", heißt es in dem Konzept-Papier des Kulturdezernten Grosse-Brockhoff - ist natürlich kein Platz mehr für eine auf Geschlechter-Parität setzende Ausstellungspolitik. Eine Künstlerinnen-Initiave hatte eine solche gefordert (Terz 1/00) und war darin auch vom Beirat für Bildende Kunst unterstützt worden. "Rücksicht auf die Freiheit der entsendenden Gesellschaftler" für den neuen Verwaltungsrat gebietet es jetzt allerdings, von dieser Quoten-Regelung Abstand zu nehmen.

Natürlich ist die Kultur Erwin eigentlich schnurzpiepegal. Sie interessiert den Machtpolitiker nur insoweit, als er sie für seine Interessen instrumentalisieren kann. Darum liegt ihm so an einer Repräsentativ-Kunst, wie sie am Ehrenhof angestrebt ist. Sie soll es bewerkstelligen, "Düsseldorf in der internationalen Kunstwelt den Rang einzuräumen, der verloren gegangen ist" und damit auch Glanz auf das Haupt des Provinz-Potentaten werfen. Der würde nämlich nur zu gern auch mal ein wenig Hauptstadt spielen, begnügt sich aber vorerst damit, durch eine dienstverpflichtete Kultur Düsseldorfs Status als Landeshauptstadt aufzupäppeln. Dann will er sich unter NRW-Städten Verbündete suchen und mittels des Kulturverbundes einer "Rheinschiene" Berlin Paroli bieten und so ein Bollwerk gegen die Machtverschiebung gen Osten aufbauen. Mittelmaß und Wahn.

JAN