Anti Expo NO!

Eigentlich hatten alle Beteiligten mehr erwartet. Angefangen bei Expo-Breuel, die sich mehr Besucher erhoffte, der Polizei, die sichtlich gelangweilt mehr Chaos erwartet hatte und zuletzt der Expo-Widerstand, der mit mehr SympathisantInnen gerechnet hatte.

Einzig der Expo-Haussender NDR war in der Lage, bei den schlechten BesucherInnenzahlen noch das Positive in den Vordergrund zu stellen: Allen Kritikern und Expo-Gegnern zum Trotz, das erwartete Verkehrschaos auf der Straße und der Schiene blieb aus. Was kein Wunder war: Wo keiner hingeht, entsteht auch kein Chaos. Somit hätten sich die Anti-Expo-Aktionen eigentlich mangels Masse von selbst erledigt.

Doch nun waren sie schon mal da: rund 800 Leute aus der ganzen BRD. Ein lustig zusammengewürfelter Haufen von Punkern, Ökofreaks, Hippies und anderen Unorganisierten tummelte sich hauptsächlich im Anti-Expo-Camp hinter dem Kulturzentrum "Faust" auf einer Wiese. Angeschlossen, wie es sich zu solchen Anlässen gehört, die Selbstverpflegung durch eine Open-Air-Volxküche auf offenem Feuer und Spendenbasis. Der mit einem hohen Baustellenzaun abgetrennte Campingplatz machte dann von außen betrachtet auch mehr den Eindruck eines Zoos als den eines Widerstandslagers.

Selbstverständlich wurde die Situation behördlicherseits anders eingeschätzt. Die sich schon seit einigen Tagen in der Stadt aufhaltenden 7.500 gelangweilten Polizisten hatten die Hannoveraner BürgerInnen allesamt eindrucksvoll gemaßregelt. Schweren Delikten wie Fahrradfahren auf dem Bürgersteig wurde in den letzten Tagen mit unverminderter Härte nachgegangen. Somit waren einen Tag vor der Eröffnung der Expo auch die Störer und Kriminellen auf dem "Faust"-Gelände an der Reihe.

Ab zwölf Uhr sicherten mehrere Polizei-Hundertschaften das Gelände, auf dem sich zu diesem Zeitpunkt ca. 150 Leute aufhielten. Niemand durfte das Gelände betreten oder verlassen. Eine extra für die Expo-GegnerInnen zusammengestellte Ermittlergruppe durchsuchte nun Zelt für Zelt. Die Anfrage der Campbetreiber nach einem Durchsuchungsbefehl wurde dann auch unbürokratisch geklärt: Man habe einen, wolle ihn aber nicht zeigen. Wie sich einige Stunden später herausstellte, konnten sie keinen zeigen. Es war kein Durchsuchungsbefehl vorhanden. Die Erfolge der Durchsuchung erklärten dann auch, warum weder ein Richter noch ein Staatsanwalt eine Durchsuchung mittragen wollten. Neben einer alten verrosteten Axt, die von den CampbetreiberInnen zum Holzhacken für den Herd benötigt wurde, stellten die Beamten noch diverse Töpfe mit Fingerfarbe sicher, die von einer morgendlichen Malaktion mit Kindern auf dem Gelände stammten. Medienwirksam berichtete ein Polizeisprecher vor Ort von Molotow-Cocktails, die sichergestellt wurden. Dass es sich hierbei um zwei Flaschen Speiseöl handelte, die in der Küche sichergestellt wurden, blieb unerwähnt. Ebenso unerwähnt und zugleich unerklärlich war die Beschlagnahmung eines Computers sowie diverser Handys der Organisatoren. Von drei festgenommenen Leuten waren bis zum Abend zwei wieder im Camp.

So blieben die Durchsuchung und die Einkes-sel-ung von 150 Leuten tags darauf die einzig nennenswerten Nachrichten der Expo-Gegenaktivitäten. Die groß angekündigte Anknüpfung an die Erfolge von London im Jahr zuvor und Seattle vor wenigen Monaten, wo es gelang, die IWF Konferenz zeitweise zu blockieren, erwies sich in Hannover sehr schnell als großspurige Aufschneiderei. Wie in diversen Publikationen schon im Voraus vermutet, waren die angereisten Leute sich selbst überlassen. Die Organisation beschränkte sich auf das mäßige abendliche Kulturprogramm mit Punkbands und Disko sowie ein Infotelefon, über das zu erfahren war, dass in der Stadt extrem viel Polizei vorhanden sei. Nachrichtenwert gleich Null.

Rein spekulativ ist natürlich die Behauptung, dass die Organisatoren mitverantwortlich sind für die über 500 Festnahmen an den ersten beiden Tagen.

Doch die wahren Verlierer der Anti-Expo-Aktionen sind die Medien, die extra zum großen Showdown ihre Kamerateams geschickt hatten. Und dann? Nichts, gähnende Leere, kein Chaos. Laut Lokalpresse ist das Verkehrschaos im morgendlichen Berufsverkehr doch erheblich größer. Aber noch ist nicht alles verloren. Die Hannoveraner Allgemeine Zeitung rief tags drauf in einem Artikel dazu auf, sich diversen KollegInnen aus der Redaktion anzuschließen. Man würde sich dann am Montag und Dienstag in der Mittagspause zu einem Fahrzeugkorso formieren, alle LeserInnen seien selbstverständlich eingeladen. Wenn alle mitmachten, müßte man schon einen ganz passablen Stau hinbekommen, schließlich gebe es nichts Schlimmeres, als dass man weiterhin als Provinz gelte. Noch nicht mal zu einem richtigen Chaos reicht es in Hannover - wie peinlich. Doch wie schon eingangs erwähnt: Wo niemand hingeht, gibt es auch kein Chaos - auf der Expo wie gegen die Expo.

ANDY