In Treue fest

Neuss an der Seite Österreichs

Umrahmt von Candlelight und einem hübschen Efeusträußchen durfte die Leiterin der Außenstelle Bonn der österreichischen Botschaft, Frau Dr. Senta Wessely-Steiner, Anfang Juni in Neuss vor geladenen Gästen des CDU-Stadtverbandes den Frust über die Behandlung ihrer geliebten Nation ablassen. Dass sie hierbei auf viel Verständnis traf, verwundert bei der Zusammensetzung der verehrten Zuhörerschaft wohl kaum.

Zunächst beklagte sie sich darüber, wie hart doch der "Bürger" durch die - natürlich ungerechtfertigten - EU-Maßnahmen gegen die Alpenrepublik getroffen werde: Da ist doch tatsächlich "beim Botschaftsempfang in Holland der verdiente österreichische Botschafter nicht eingeladen" worden. Drohend bemerkte sie, "dass die Stimmung in Österreich zurzeit noch europafreundlich sei, man aber nicht absehen könne, wie lange das anhalte." Beleidigt über die Spielverderber fügte sie hinzu: "Wie können wir ein gutes Mitglieder (!) der EU sein, wenn wir nicht mitmachen dürfen."

Ihr gesamter Frust mündete in der Frage: "Was haben wir denn eigentlich gemacht, dass wir als Land derartig bestraft werden?"

Die Antwort hätte ihre Exzellenz sich selber geben können. Der Haider mit seinem Verein, der FPÖ, ist schuld, das pfeifen doch die Spatzen vom Dach. Schließlich unterstellt man ihm und seinen Mannen, dass die unser schönes, gemeinsames Europa aus lauter übertriebenen Nationalismus kaputt machen wollen. Damit sowas nicht Nachahmer findet, muss hier ein Exempel statuiert werden. Dingfest macht man den Alpen-Nazi an seinen Fascho-Sprüchen über die Beschäftigungspolitik der Nazis, die ihm besser gefällt als die der sozialdemokratischen Konkurrenten oder die Verharmlosung der Konzentrationslager, indem er sie als Straflager kennzeichnet. Auch die Ausweitung seines Lobes für die unbedingte Opferbereitschaft des Soldatenstandes auf die Mitglieder der Waffen-SS hören gestandene Europäer nicht gerne. Schließlich sind für gute Demokraten Sachen wie Beschäftigungspolitik, Straflager und Opferbereitschaft ehrenwerte Angelegenheiten, die man sich nicht durch den Bezug auf den Nationalsozialismus vermiesen lässt.

Was da nun wer, wo und warum gesagt hat, wurde nicht thematisiert. Denn jeder weiß, dass Beschuldigungen dieser Art nur der Diskriminierung und nicht der Kritik des Gegners dienen. Die österreichische Frau Doktor bezeichnete die Anmerkungen Haiders lediglich als "unentschuldbare und unqualifizierte Äußerungen", die "eine überbewertete Rolle spielten" und eine "völlig überzogene Reaktion" seitens der übrigen Regierungen hervorrief. Einen Silberstreif am Horizont erblickte ihre Exzellenz in den Kräften Europas, "die fern vom sozialistischen Block für eine Normalisierung einträten." Und da war sie bei der Neusser CDU genau richtig. Nach Spendenskandal und verlorener Landtagswahl suchen die Politchristen Bündnispartner, und mögen sie auch noch so fern in der Ostmark beheimatet sein und richtige Nazis in der Regierungskoalition sitzen haben. "Wir stehen für Freundschaft mit Österreich. Auch wenn der Wind rauher weht", so der Neusser CDU-Chef Cornel Hüsch. Umgekehrt ziehen österreichische Staatsvertreter ihren Stiefel durch. Auf ihre demokratisch legitimierte Regierung mit oder ohne Nazis lassen sie nichts kommen und touren durch Europa, um die innereuropäische Konkurrenz in ihrem Sinne zu aufzumischen.

(Alle Zitate aus: Neuß-Grevenbroicher-Zeitung vom 6.6.2000)