Sie wollen nicht zahlen

Düsseldorfer Firmen und der Entschädigungsfonds

Das Trauerspiel findet und findet kein Ende: Auch nach der Einigung zwischen amerikanischen und deutschen Unterhändlern weigert sich ein Großteil der bundesdeutschen Firmen, der Stiftungsinitiative beizutreten. Düsseldorfer Betriebe machen dabei natürlich keine Ausnahme.

Die Unzulänglichkeit des Entschädigungsfonds liegt auf der Hand. Der Nachweis ist für die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen meist nur schwer zu erbringen. Nur bei einem 100%igen Nachweis erfolgt eine Auszahlung an die Opfer. Nicht nur fehlende Akten, sondern auch Fehler, die damals bei der Übertragung der Namen vom Kyrillischen ins Deutsche gemacht worden sind, erschweren die Arbeit. Als erster Anlaufpunkt für Anfragen der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen gelten meist die jeweiligen Stadtarchive. In Düsseldorf sind aber gerade einmal zwei Personen für die Nachforschung abgestellt worden. Zudem ist die Quellenlage außerordentlich dünn, da ein Großteil der Akten vernichtet worden ist. Die Erfolgsaussichten sind dementsprechend gering. Anfragen des Stadtarchivs beim Zentralarchiv in Alrosen dauern mehrere Monate. Eine unglaubliche Situation, wenn man bedenkt, dass die Ansprüche nach acht Monaten verfallen sollen. Solange können die Opfer nicht warten. Jeden Monat sterben zig Tausende der hochbetagten ZwangsarbeiterInnen. Wenn die NS-Opfer dann doch noch in den Genuss der Entschädigungen kommen sollten, müssen sie sich im Durchschnitt mit 8.000 DM begnügen, die Höchstsumme beträgt 15.000 DM - eine äußerst dürftige symbolische Sühne-Geste für das den Zwangsarbeitern zugefügte Leid.

Im Moment jedoch ist es für die Entschädigungsinitiative immer noch schwierig, die 5 Milliarden DM, die die deutsche Wirtschaft zu dem Entschädigungsfonds von 10 Milliarden DM zusteuern soll, einzutreiben. Sämtliche Appelle fruchteten bisher nicht. Ursprünglich sollte Anfang Juni mit einem Staatsakt der Fonds eingerichtet und mit einem historischen Handshake zwischen US-Präsident Clinton und Bundeskanzler Schröder besiegelt werden. Peinlicherweise wurde daraus nichts. Bis Ende Juni sind gerade einmal ca. 3,5 Milliarden DM gesammelt worden. Ganze 2.672 Firmen haben sich bis zum 20. Juni zur Einzahlung verpflichtet. Darunter sind etliche Firmen jüngeren Datums, die den Beitritt zur Stiftungsinitiative einerseits als moralische Verpflichtung ansehen, andererseits jedoch auch als Eigenwerbung nutzen. Die meisten Firmen und Kommunen (mit den Ausnahmen Büdelsdorf und Hürth) jedoch verweigern sich dem Entschädigungsfonds. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammern an Rhein und Ruhr und der Stiftungsinitiative sind in NRW 48.900 Firmen angeschrieben worden, von denen gerade mal 700 zugesagt haben, sich an der Initiative zu beteiligen. Laut Aussagen von Historikern ist davon auszugehen, dass jede Firma, ob Großunternehmen oder Mittelstand, ZwangsarbeiterInnen beschäftigte. Demnach ist es irrelevant, ob darüber noch Akten in den Firmen- und Stadtarchiven existieren oder nicht.

Die Argumente, die für die Weigerung angeführt werden, lauten immer gleich. Anfangs waren die Pressesprecher noch bemüht, Interesse zu bekunden und gaben an, dass sie auf eine Anweisung ihrer Verbände warten. Die verschiedenen Interessenverbände verwiesen auf die fehlende Rechtssicherheit, die die Industrie von Anfang an bei den Gesprächen um die Entschädigungszahlungen einforderte. Die Gespräche waren gekennzeichnet von der Arroganz des deutschen Vertreters Lambsdorff. Begleitet wurden sie von infamen Forderungen seitens der Industrie. Nie machte sie einen Hehl daraus, dass sie sich nur wegen der Boykottandrohungen genötigt sah, solch einen Fonds einzurichten. Damit Überlebende überhaupt noch in den Genuss von Zahlungen kommen können, ließen sich die Vertreter der Opfer auf 10 Milliarden herunterhandeln, von denen die Industrie aufgrund der steuerlichen Absetzbarkeit der Summe höchstens 2,5 Milliarden DM bezahlen muss. Auch nach Ende der Verhandlungen bestand die Industrie auf zusätzlichen Rechtssicherheitsgarantien. Dem schlossen sich rot/grüne PolitikerInnen an. So meinte der rechtspolitische Sprecher vom Bündnis90/Die Grünen, Volker Beck, dass die Forderungen der USA "abseitige Rechtspositionen" seien. In deutscher Herrenmenschenmentalität meint er die USA belehren zu müssen und drohte an, dass es keine Geldzahlungen gäbe, wenn die USA im Punkt der Rechtssicherheit nicht einlenke. Beck schob die Schuld auf die USA und forderte erpresserisch in Verdrehung der eigentlichen Schuldfrage, dass "die jüdischen Organisationen und Zwangsarbeiterverbände in Osteuropa Druck auf die amerikanische Regierung machen müssen". Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz stieß ins gleiche Horn und meinte: "Die Frage der Rechtssicherheit ist eine Bringschuld der US-Seite". Die SPD/Grünen-Bundesregierung machte nie einen Hehl daraus, dass es in den Verhandlungen über die Entschädigung nicht um die Opfer, sondern hauptsächlich um die Abwehr jeglichen Schadens für die deutsche Wirtschaft gehe. Mitte Juni erließ die US-Regierung ein "statement of interest", in dem der amerikanischen Justiz empfohlen wird, Sammel-klagen gegen deutsche Unternehmen abzulehnen. Dies ist aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme die einzige Möglichkeit, der Forderung Deutschlands nach Rechtssicherheit entgegenzukommen. Schon vor diesem Erlass hatten die meisten Verbände ihren Mitgliedern empfohlen, der Stiftungsinitiative beizutreten. Wer jedoch meint, nach dem "state of interest" gäbe es nun einen run auf den Entschädigungsfonds, sieht sich getäuscht. Überhaupt fällt auf, dass ein Großteil der Firmen in der Initiative international agierende sind, die bei einem Nichtbeitritt wirtschaftliche Nachteile in den USA befürchten müssen. Es ist auch zu bemängeln, dass nur die Namen der Unternehmen genannt werden, nicht jedoch die Summen, die jeweils eingezahlt wurden. Die Empfehlung lautet, 1% des Umsatzes einzuzahlen, eine sicherlich nicht gerade umwerfende Zahlung, doch selbst das ist einigen zuviel. Laut "Handelsblatt" wollte ein ungenanntes Düsseldorfer Unternehmen aus Imagegründen der Stiftungsinitiative beitreten, allerdings nur einen Bruchteil der 1%-Empfehlung einzahlen. Mit 20.000 DM gedachte man sich das Eintrittsbillet für die "Seite der Guten" zu verschaffen.

Die meisten Firmen sitzen das "Problem" jetzt aus. Die Bereitschaft einzuzahlen ist grundsätzlich nicht vorhanden. Es ist zu erwarten, dass zu der Pflichtsumme von 5 Milliarden DM keine müde Mark dazukommen wird. Die Einzahlung wird noch nicht einmal als eine moralische Verpflichtung angesehen, sondern als ein lästiger Zwang.

Anfangs war man noch bemüht, Fragen von Journalisten freundlich abzuweisen und sich auf die fehlende Rechtssicherheit zu berufen, sowie auf die fehlende Weisung der verschiedenen Verbände. Nachdem dies nun nicht mehr möglich ist, gibt man sich unwissend und aggressiv. Ein exemplarisches Beispiel ist das Mercedes-Autohaus Brüggemann. Bei telefonischer Nachfrage im Dezember letzten Jahres wusste man noch, dass auf ihrem Grundstück Zwangsarbeiter untergebracht waren. Das Sklavenarbeiter-Lager befand sich auf der Linienstraße 66-70. Heute will man davon nichts mehr wissen. Auf eine Fax-Anfrage der Terz antwortete Brüggemann: "Dass die Fa. Brüggemann in der Vergangenheit Zwangsarbeiter beschäftigt hat, ist für uns neu. Um wen handelt es sich? Können sie uns nähere Informationen geben?" Konnten wir. Aber die Reaktion der Firma war barsch: "Über einen Telefonanruf ihrerseits im Dezember vergangenen Jahres ist uns leider nichts bekannt. Vielleicht benennen Sie uns doch freundlicherweise den/die Mitarbeiterin, mit dem/der Sie seinerzeit gesprochen haben. Wir sind nach Gesprächen mit unseren älteren, pensionierten Mitarbeitern zu der Ansicht gekommen, dass die Firma Brüggemann zu keiner Zeit Menschen unter Zwang oder gegen ihren Willen beschäftigt hat. Seit 1920 ist unsere Firma als Autohandelsbetrieb tätig. Werden Sie also bitte konkret in ihren Ausführungen oder unterlassen Sie ihre Andeutungen." So auftrumpfend und ignorant können sich die Sklavenhalter von damals heute wieder präsentieren.

Informationen über die Stiftung gibt es unter:

http://www.bundesfinanzministerium.de/infos/stiftgesetz.pdf
http://www.stiftungsinitiative.de