Düsseldorfer Konfusionen gegen "Extremismus"

Düsseldorf hat's schwer: Zuerst einen international beachteten Bombenanschlag, dann eine unerwünschte Demonstration mit großem Medienecho und bald ein angeschlagenes Image. Deshalb wird die Verwaltungsmetropole nun extrem aktiv, um endlich wieder zur Tagesordung übergehen zu können.

Als am 5. August über 2.500 Menschen nach dem Aufruf des Koordinierungskreises antifaschistischer Gruppen (Antifa-KOK) zur Demonstration gegen Rassismus und Neofaschismus auf die Straßen gingen, wurde dieses Ereignis zum Top-Thema für TV-Nachrichten und Zeitungen in der BRD. Doch die Meldungen über die Düsseldorfer Demonstration entfernten sich teils vehement von den real dort vertretenen Inhalten: So wurde z.B. gemeldet, die Demonstration richte sich "gegen Extremismus und Gewalt". Dabei hieß das Motto der Demo ziemlich eindeutig: "Stoppt den Nazi-Terror - faschistische Strukturen zerschlagen!" Doch da faktisch die radikale linke Minderheit für die erste größere öffentliche Protestaktion nach der jüngsten Welle neofaschistischen Terrors verantwortlich war, mußte wohl etwas frei mit der Berichterstattung umgegangen werden. So wurde gar über die Agenturen verbreitet, der Antifa-KOK hätte "aus Sorge über das Ansehen Deutschlands" zur Demonstration aufrufen. Auf der Demonstration dagegen wurde real skandiert: "Die Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassisten-Pack!" Aber da solche Sichtweisen in dem aktuellen Medienhype über den deutschen Neofaschismus nahezu vollständig ausgeklammert werden, wurde auch die antifaschistische Demonstration zu einer Art von "Aufstand des deutschen Gewissens" medial umgelogen. Dabei ist die TeilnehmerInnenzahl an der Demo nun wahrlich kein Beweis für ein "besseres Düsseldorf" oder gar "besseres Deutschland". Doch weil in diesem Land sonst nichts passiert an energischem Widerstand gegen den aufkommenden Neofaschismus, erhielt die Düsseldorfer Demonstration eben eine zivilgesellschaftlich schöngefärbte Note. "Salonfähig" wird die antifaschistische linke Minderheit dadurch jedoch noch lange nicht - weder in Düsseldorf noch sonstwo in der BRD. Der Düsseldorfer Polit-Prominenz ist der Antifa-KOK eher ein Dorn im Auge: Er offenbart durch seine kontinuierlichen Aktivitäten schließlich offen die Handlungsunfähigkeit der lokalen Standort-Strategen mit ihrem inhaltslosen Weltoffenheits-Geschwafel. Denn dieses Geschwafel war es schließlich, das mit Rücksicht auf mögliche "Image-Schäden" jahrelang den lokalen Neofaschismus unter den Teppich gekehrt hat. Deshalb haben sich auch die Parteien und Gewerkschaften weitestgehend aus der antifaschistischen Demonstration herausgehalten. Düsseldorfs Oberbürgermeister verkündete gar, es gäbe in Düsseldorf keine rechtsextreme Szene und die Demonstration würde Linke und Rechte nur hochschaukeln. In diversen Kommentaren der Lokalpresse wurden dann auch die Gründe für eine solche Abwehr antifaschistischen Handelns deutlich. Beispielhaft bekundete ein NRZ-Schreiberling am Tag der Demonstration: "Natürlich kann sie nur ein Zeichen sein, diese Demonstration. Aber sie hat einen hohen symbolischen Wert - im negativen Sinn, wenn nur ein paar Hundert Menschen heute nach Flingern kämen, im positiven, wenn es Tausende würden. Dass Gruppierungen vom linken Rand die Demo initiieren, schmälert ihre Erfolgsaussichten gewaltig, auch wenn sich die Grünen und die Jüdische Gemeinde dem Aufruf letztlich angeschlossen haben (...) Viele werden gar nicht erst auftauchen, weil sie sich mit Regisseuren wie dem Antifaschistischen Koordinationskreis nicht identifizieren können und möchten." Auch die Rheinische Post wußte unter dem Titel "Die Linke prescht ins Sommerloch" zu berichten: "Dennoch mögen einige wiederbelebte Linke nicht der Versuchung widerstehen, alles, was politisch rechts von ihnen Position bezieht, voran konservative Schwergewichte aus dem Lager der CDU und CSU, in den Sack mit 'den Rechten' insgesamt zu stecken." Die verschwindend kleine linke Minderheit - sie wird gehasst dafür, weil sie als einzige Kraft überhaupt noch einen Gegenpol zu dem rassistischen Normalzustand in diesem Lande bildet. Die "Regisseure" der Antifa stören, weil sie diesen Normalzustand angreifen; sie stören die geschäftsmäßige Abwicklung von Störfällen im gesellschaftlichen Gefüge. Die politische "Mitte" der Gesellschaft braucht gar nicht erst in einen "Sack mit 'den Rechten' insgesamt" gesteckt zu werden, weil sie rechts ist und dies deutlich und offen bekundet. Doch sie will eben nicht die Verantwortung übernehmen für den alltäglichen Rassismus und für dessen Vollstrecker.

Düsseldorfer Resolutions-Aktivismus

Entgegen den sich aktuell überschlagenden Betroffenheits-Bekundungen und Profi-lie-rungs-sprüchen sind die institutionellen Gremien der Stadt jahrelang ignorant gegenüber neofaschistischen Entwicklungen gewesen. Linke Gruppen wie der Antifa-KOK waren nicht zufällig die einzigen Strömungen, die gegen den Neofaschismus öffentlich Gegenwehr gezeigt haben. Denn der Antifa-KOK ist für seine jahrelangen Aktivitäten gegen neofaschistische Entwicklungen in Düsseldorf regelmäßig angegriffen worden. Die Propagandisten des "toleranten Düsseldorfs" - sie wollten keine Öffentlichkeit über rechte Entwicklungen in der Stadt - erst recht nicht von linken Schmuddelkindern -, weil dies die eigene Mitverantwortung für die aktuellen Auswüchse verdeutlicht hätte. Das vielbeschworene "bessere Düsseldorf", die antirassistisch engagierte Zivilgesellschaft gegen rechts - es gibt sie nicht. Sie ist eine propagandistische Schimäre von Standort-Strategen, denen schlicht am Positiv-Image der Wirtschafts- und Konsummetropole Düsseldorf gelegen ist. Vom militanten Neofaschismus in dieser Stadt haben die nun lautstarken Resolu-tions-verkünder keine Ahnung - und auch kein Interesse an dessen allzu tiefgehender Erörterung. Denn er ist für sie lediglich dadurch zu einem Problem geworden, weil er "imageschädigend" für die Stadt geworden ist. Die rechtsextremen "Republikaner" im Rat, die militant-neofaschistische und antisemitische "Kameradschaft Düsseldorf", die Lemmer/Zobel-Connection, das lokale Rechtsrock- und Skinhead-Netzwerk, neofaschistische Banden in den Stadtteilen und erst recht die schwarz/brauen Rathaus-Verbindungen - all diese realen neofaschistischen Erscheinungsformen in Düsseldorf bleiben unberücksichtigt in den aktuellen Handlungskonzepten und Resolutionen. Sie sind nicht nur uninteressant für die vielbeschworene "politische Mitte", sondern vielmehr störend bei dem gemeinsamen Kraftakt zur Rettung des guten Rufes der Stadt. Daher überschlagen sich nun die politischen Ratsparteien gegenseitig mit nichtssagenden Resolutionen für das "bessere" das "friedliche", "freundliche", "gewaltfreie", "demokratische" und sonstwie schöngeredete Düsseldorf.

"Gegen Extremismus und Gewalt" - diese politische Leerformel wird nun zum einigenden Banner erhoben. Sie ist eine inhaltlose Bekundung zum Zwecke der eigenen Profilierung sowie der Instrumentalisierung der öffentlichen Diskussion über Rechtsextremismus für parteipolitische Zwecke. Die SPD instrumentalisiert ihre Vorfeldorganisationen "Jugendring" und "Düsseldorfer Appell" über inhaltslose Podiumsdiskussionen und Kundgebungen zu Werbeveranstaltungen für die eigene Partei, während die CDU mit Reso-lu-tions-entwürfen "gegen linken und rechten Extremismus" von ihrer eigenen Verstrickung in rechtsextreme Entwicklungen abzulenken versucht. Die Grünen wiederum tun das, was sie in Düsseldorf seit geraumer Zeit tun - gar nichts und mitmachen. Deshalb gibt es nun eine gemeinsame Resolution der "demokratischen Parteien im Rat", zu denen sich CDU/SPD/FDP/Grüne unter Ausschluß der PDS bekennen und in der nun bekundet wird, daß man Rechtsextremismus und Gewalt von links und rechts echt nicht gut findet und sowas echt nicht will in unserer sonst so friedlichen, weltoffenen und toleranten Stadt.

Sozi-Wahl-Appell

Die SPD packt zudem die Gelegenheit beim Schopfe und rührt die Werbetrommel für eine große Kundgebung des "Düsseldorfer Appells" am 16.9. vor dem Rathaus. Der Zeitpunkt dieses Happenings ist strategisch passend gewählt, denn am selben Tag findet in der Stadt der Landesparteitag der SPD NRW statt. Von daher ist vorab garantiert, daß bei der Rede des Ministerpräsidenten um 16.00 Uhr zumindest das Delegierten-Fußvolk kräftig und medienwirksam applaudieren wird. Damit die Stadtimage- und Parteiwerbungs-Veranstaltung auch gut ankommt, wird eine professionelle Werbekampagne gestartet, welche die Initiatoren über die NRW-SPD abwickeln. Um die politisch desinteressierte Zivilgesellschaft überhaupt dahinzubekommen, werden dann wohl die Toten Hosen oder vielleicht auch Heino zeigen, was sie alles so drauf und in sich drin haben. Dann wird der Ministerpräsident Clement seiner Empörung über Extremismus Ausdruck verleihen und ein paar Möchtegern-Stars aus politischen Fachkreisen werden ihm zustimmen. In sog. "Talk-Runden" dürfen dann im 20-Minuten-Takt auch ein paar Initiativen für Werbezwecke herhalten, ohne dabei Gefahr zu laufen, allzu inhaltlich zu werden. Der CDU-Rechtsaußen Erwin wird als Oberbürgermeister leider terminlich verhindert sein. Aber eine Vertretung wird dann auch noch einmal betonen, daß Düsseldorf so weltoffen und tolerant sei wie Erwin als Stadtvorstand - und es wird viel zu essen und zu trinken geben.

Über Schröders Normalisierungs-Parolen, über Clements Mitverantwortung an der Deportation von Roma in den jugoslawischen Bürgerkrieg, über die Flüchtlings-Abschiebe-Zentrale NRW, über den Zusammenhang von aufkommendem Rassismus und neoliberaler Gesellschaftszersetzung und über den Extremismus der gesellschaftlichen Mitte wird im offiziellen Programm nicht geredet werden. Aber das ist folgerichtig, denn sonst würde eine solche Werbeveranstaltung für die Sozis, für das "bessere Düsseldorf" und das "bessere Deutschland" sich selbst karikieren.

Von rechts gegen Extremismus?

Der neoliberale Wettbewerbsstaat Deutschland selbst ist es, der die rassistischen und neofaschistischen Exzesse hervorgebracht hat. Die Lichterketten, die Massenaufmärsche für Frieden und ein "gutes Deutschland" - sie sind Relikte aus dem Übergang in ein wiedervereinigtes Deutschland, das sich nun unter sozialdarwinistischen Kon-kurrenzverhältnissen und aggressiven Nor-ma-li-sie-rungsbekundungen seiner zivilgesell-schaft-lichen Humanitätsduselei entledigt hat. Das Spiel mit dem eskalierenden Rassismus läuft nach klaren Regeln, die schon seit Anfang der neun-ziger Jahre deutlich wurden. Als nach den rassistischen Kampagnen staatlicherseits gegen sog. Asylantenfluten und für ein wiedererstarktes und selbstbewußtes Deutschland der Mob auf der Straße zum rassistischen Vollstrecker gerierte, wurde der Staatsnotstand angedroht, falls das Asylgesetz nicht faktisch abgeschafft werde. Der Anstieg der Neonazi-Gruppen und ihre Pogrome dienten propagandistisch der Verschärfung repressiver Maßnahmen gegen die Opfer von Rassismus. Zur Beruhigung internationaler Proteste gegen derartige Entwicklungen in Deutschland wurde dann die Sicherheitsschraube angezogen und Nazi-Parteien wie die FAP und die NF verboten, deren Kader sich mit ihrem erstarkten Fußvolk die nächste noch legale Truppe als Sammelbecken suchten. Nun steht nach den jüngsten Neonazi-Exzessen wieder die selbe Masche auf der Tagesordnung: NPD verbieten, Sicherheitsgesetze gegen "Extremismus von rechts und links" verschärfen, Datenschutz- und Bürgerrechte weiter einschränken und politisch so weitermachen wie bisher. Die Rassisten der Mitte - Stoiber mit seiner "durchrassten Gesellschaft", die Kampagnen-Rassisten Koch und Rüttgers, der Normalisierungs-Technokrat Schröder, der Auschwitz verhöhnende Kriegstreiber Fischer, der Antisemit Walser und ihre gesamtdeutsche Fangemeinde - sie waschen sich rein mit einer Kampagnenmaschinerie, die an Dreistigkeit schwer zu toppen ist. Es ist an der Zeit zum Ausstieg aus diesem Modell Deutschland.