Quo vadis, Antifa?

Über antifaschistische Strategien wird auch in der Düsseldorfer Linken heftig gestritten. Zur Diskussion dokumentieren wir trotz erheblicher inhaltlicher Widersprüche Ausschnitte aus dieser Debatte mit der ausdrücklichen Betonung, daß sie nicht die Redaktionsmeinung wiedergeben.

Ludwigshafen oder Düsseldorf! Die Antifa als Fuß-truppe des guten Deutschlands!

Die CSU gehöre, meinte der SPD-Bundestagsabgeordnete Stiegler, zu den "geistigen Wegbereitern und Stichwortgebern der rechtsextremen Täter". Daß auch seine eigene Partei, zu den Wegbereitern rechter Totschläger zählt - dies kommt dem schwer kritischen Sozi selbstverständlich nicht in den Sinn. Ein anderer Sozi, der Düsseldorfer PDS-Stadtrat Frank Laubenburg, zeigte sich demonstrativ an der Spitze der hiesigen Antifa-Demo, aus der heraus die Losung zu hören war, "Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack!" Daß Laubenburg als Mitglied der Abschiebepartei PDS irgendwie selbst zu dem Rassistenpack gehört, dieser Gedanke darf von dem Parteivereinsmeier wohl kaum erwartet werden. Wie schon frühere linke Protestbewegungen will auch die Antifa nicht wissen, mit wem sie da eigentlich ihre "breiten Bündnisse" veranstaltet. Die Anti-AKW-Bewegung wollte nie wissen, was ihre vielen alten Ökobauern 1943 so alles gemacht hatten; und was ihr Alfred Mechtersheimer sonst für braune Gedanken hegte, das wollte die Friedensbewegung auch nicht wissen. Heute wirbt die Antifa um die SPD-Ratsfraktion mit einem Demo-Aufruf, der mit keinem Wort die rassistische Einwanderungspolitik dieser Partei erwähnt, welche mit ihrer Trennung in nützliche und unnütze Ausländer nichts weniger tut, als die Unterscheidung der Nazis in "wertvolles" und "unwertes Leben" vorwegzunehmen.

Ein Bündnis aus Mob und Elite sei der Faschismus gewesen, schrieb Hannah Arendt. Die Nazis haben eben gerade nicht die Macht ergriffen, sondern wurden vom Kapital finanziert und von den Eliten der deutschen Mitte "ermächtigt". "Rechts ist die Deutsche Mitte", schrieben Ebermann, Fülberth und Gremliza schon vor Jahren. Die Antifa aber will partout ihren Kampf gegen die Nazis nicht mit dem Kampf gegen die Deutsche Mitte verbinden. Im Gegenteil suchen die Antifas das ewig "breite Bündnis" und machen sich so mit den "geistigen Wegbereitern und Stichwortgebern" gemein. Außerdem wurden ohne jede Not längst gescheiterte Figuren wie der Ralph Giordano aus der Versenkung wieder hervorgekramt. Dessen Solidaritätsadresse wurde auf der Demo verlesen und in dieser Zeitung abgedruckt. Was der Giordano in der Zwischenzeit so gemacht hat, das will die Antifa wieder nicht wissen: Die weltweite Anti-Haiderkoalition hat er durchbrochen, dem "Faschisten" Jörg Haider (»The Observer«) vor laufenden Kameras die Hand geschüttelt, ihn im n-tv Talk hoffähig gemacht, dort mit ihm diskutiert. Dabei war Ralph Giordano so schlecht präpariert wie nur ein Schülerzeitungsredakteur und hat prompt vor aller Welt Blamage erlebt. Giordano scheiterte eben immer schon daran, daß er denjenigen, denen er eigentlich in den Hintern treten will, zugleich in den Arsch kriecht. Kaum war die Demo vorbei, hat er sich schon wieder mit dem Abschiebe-Maschinisten Wolfgang Clement und dem Bundesverdienstritterkreuzträger Wolfgang Niedecken-BAP zu einem Bündnis der Staats-Antifa zusammengetan. Gab es auf der Antifa-Demo in Ludwigshafen, weil die Autonomen dort, wegen der Rede des Staatssekretärs im Innenministerium, Ernst Theilen, gleich die ganze Demo sprengten, eine für alle Welt klare Frontenbildung, hier das rassistische Abschiebe- und Totschläger-Deutschland und dort seine Gegner, so verwischten in Düsseldorf schon die Frontlinien. Rot-Grün hatte gelernt, hielt sich zurück und drängte der Antifa gar nicht erst ihre Redner auf, weil es den Sozis vor allem um die Fernsehbilder demonstrierender Deutscher ging, mit denen sie das Ausland beruhigen wollte. Die Antifa selbst suchte merkwürdigerweise ebenfalls nicht die Konfrontation und legte die Hürden, welche die SPD-Ratsfraktion zu überspringen hatte, so dermaßen niedrig an, daß aber auch wirklich gar nichts schief gehen konnte. Nicht ein Wort zu den Abschiebeverbrechen der SPD. Antifa-Realpolitik! "Antifa wird salonfähig", lobte sogleich das Regierungsblatt »Taz«. Dabei sind die Bedingungen für die Sozis, nach links zu rücken, eigentlich gar nicht so ungünstig. Gerade weil die Sozis immer noch Arzt am Sterbebett des Kapitals sind, müssen sie unter dem Druck der postkommunistischen globalen Totalkonkurrenz der verschiedenen Kapitalblöcke die "Deregulierung des Arbeitsmarktes" durchsetzen; dem Laufburschen des Kapitals aber, dem Gerhard Schröder, mangelt es an Courage, das, was er "Deregulierung" nennt, in gleichbedeutende bürgerlich-demokratische Vokabeln zu übersetzen: Grenzen auf für alle! Aufhebung des Arbeitsverbots und Freizügigkeit für alle Asylbewerber, wie es der deutsche Hotel- und Gaststättenverband fordert. Doppelte Staatsbürgerschaft! Immer herein mit den polnischen Spargelerntearbeitern und den brasilianischen Fußballspielern, den indischen Computerexperten, den philippinischen Krankenschwestern und den portugiesischen Bauarbeitern. In diesen Fragen muß und kann die Antifa-Linke gegenüber ihren "Bündnispartnern" unerbittlich hart bleiben. Sodann gilt es gleich nachzustoßen: Legalisierung aller Illegalen, wie es der amerikanische Gewerk-schafts-dachverband AFL-CIO fordert - Nieder mit der fascho-proletarischen Bauarbeitergewerkschaft IG BAU! Gleiche Rechte für alle und endlich Abschaffung des deutschen Blutsrecht! So könnte eine radikale Antifa-Linke vielleicht - wenn das überhaupt irgendwie möglich ist - bei einer kleinen Minderheit den völkisch-nationalistischen Kitt auflösen, der die deutsche Gesellschaft von dem Arbeitslosen über den Kapitalisten bis hin zum Nazi zusammenpappt. Angst, mit einer solchen Strategie wesentlich weniger Menschen mobilisieren zu können, ist nicht angebracht, war doch die häufigste Losung auf der Düsseldorfer Antifa-Demo eben die oben genannte Parole: "Nazis morden, der Staat schiebt ab - es ist das gleiche Rassistenpack!" Tja, irgendwie waren die Demonstranten partout nicht bereit, der Strategie der Demo-Organisatoren zu folgen und die Sozis zu schonen.

Carl Zeland


Bündnisse gegen Faschismus schaffen!

Was stört den Carl Zeland an der Antifa ? Daß sie zur Bekämpfung der Nazis Bündnisse organisiert! Karls früherer großer Lehrmeister hatte zum Thema antifaschistische Bündnisse gesagt: "Darüber kann man mit dem Teufel selbst sich verständigen, mit seiner Großmutter und sogar mit Noske und Grzesinsky. Unter einer Bedingung: man darf sich nicht die eigenen Hände binden!" Recht hatte er.

Daß Carl ein Problem damit hat, wenn linke Sozialdemokraten (gegen den Willen der Parteimehrheit!) für die Zerschlagung faschistischer Strukturen demonstrieren - geschenkt. Daß Carl den Frank Laubenburg, der seit langer Zeit auf der Straße und seit kurzer Zeit im Rat konsequente antirassistische und antifaschistische Positionen vertritt, zum "Rassistenpack" zählt, ist jenseits des Akzeptablen. Eklig wird es aber, wenn der deutsche Antideutsche Carl Zeland den Publizisten Ralph Giordano in der Lingua Tertii Imperii als "gescheiterte Figur" bezeichnet. Der 1923 als Sohn einer Jüdin geborene Giordano, der den Nazifaschismus nur in Verstecken überleben konnte: eine "Figur"! Der Mensch, der über seine Heimatstadt schreibt: "Hamburg - ein Widerstandsnest gegen den Nazismus? Legende! Gleichschaltung der Berufsverbände, mit vorauseilendem Gehorsam; Ausstoßung der jüdischen Beamten; Bücherverbrennung; Boykott jüdischer Geschäfte; gierig betriebene Arisierung - hier gerade so wie anderswo. Und nach 1945/49: Verdrängung, Lebenslügen, Unfähigkeit zu trauern, der 'Große Frieden mit den Tätern', die zweite Schuld - hier gerade so wie überall" ist für Karl Selent nur eine "Figur". In würdiger Gesellschaft befindet sich Karl Selent mit seine Abneigung da. Der Neonazi Mechtersheimer: "Während die rechtsextremen Gewalttäter fast ausschließlich spontan unter Alkoholeinfluß handeln, gehen die linksextremen Gewalttäter zumeist gezielt konspirativ vor. Zu den geistigen Vätern dieser Gewalteskalation gehört auch Ralph Giordano", weil der zum Selbstschutz gegen Neonazi-Angriffe aufgerufen hatte. "Wir Überlebende des Holocaust und unsere Angehörigen, wir werden unseren Todfeinden nie wieder wehrlos gegenüber stehen - niemals! ... Wehrt Euch, laßt Euch von deutschen Verbrechern nicht abfackeln, duldet nicht, daß sie Eure Mütter, Eure Väter, Brüder Schwestern, Söhne und Töchter töten! ... Kein Gehör den Klugscheißern, die selbst unbedroht sind, aber weise Ratschläge erteilen wolle. Kein Gehör nach Solingen mehr denen, die uns weis machen wollen, im 'Rechtsstaat' habe man sich lieber von seinen Todfeinden abschlachten zu lassen, ehe man Überlegungen des Selbstschutzes anstellen darf."

Carl Zeland weiß, wofür Giordano steht. Stattdessen benutzt er den - mißlungenen! - Versuch des fast 80jährigen Giordano, den Ultrarechten Haider im Fernsehen bloßzustellen, um Giordano als Arschkriecher zu titulieren. Giordano hat sich die Verachtung von Zeland zugezogen, weil dieser zum Handeln, zur Gegenwehr aufruft. Das will Zeland nicht; für ihn wird die faschistische Bewegung nicht durch den Kampf besiegt, sondern er hofft, daß die Sozialdemokratie aus Rücksicht auf das Verwertungsinteresse des internationalen Kapitals doch die einheimischen Nazi-Mörder vom Morden abhalten. Carl Zelands ehemaliger Vordenker hatte über die Selents aller Couleur seinerzeit schon alles gesagt: "Diese Leute sind sehr geneigt, mit ultraradikalen Phrasen zu prunken, hinter denen sich kläglicher Fatalismus verbirgt".

Für die antifaschistische Demonstration nach dem Anschlag ist festzuhalten:

1. Die Stoßrichtung des Demoaufrufes (also gegen das Verschweigen neonazistischer Strukturen, gegen die Entpolitisierung) war richtig. Wer will sagen, ob es ohne diese Orientierung der Antifa-Arbeit nicht so ausgegangen wäre, wie so häufig: Die Opfer zu Tätern gemacht.
2. Daß so viele Gruppen und Personen zur Demo aufgerufen haben, spricht nicht gegen den Demoaufruf. Es war wichtiger, daß z.B. die Jüdische Gemeinde mit zur Demo aufrief, als daß auch noch der letzte Antinationale oder Linksradikale aus dem Reichsgebiet dem Antifa-KOK auf die Schulter klopft und für den hervorragenden Aufruf lobt.
3. Daß in der Demospitze, inmitten der halbvermummten AntifaschistInnen, die Ratsherren Syska (SPD) und Laubenburg (PDS) gingen, war richtig. Die antifaschistische Linke befindet sich nach wie vor in der Defensive, im Abwehrkampf gegen die herannahende Barbarei. Hierbei ist das Bündnis mit Linken aus anderen Gruppen, Organisationen und Parteien geboten. Einziger Inhalte dieses Bündnisses muß es sein, gegen Faschisten effektiv vorzugehen.
4. Es war richtig, daß der Antifa-KOK seine Positionen nicht verwässern ließ und in seinen Reden auf der Demonstration klare Kritik - auch an den Bündnispartnern - übte.

MAS