Quo vadis, Antifa?

Die Düsseldorfer Linke stellt sich die Frage über Orientierung und Fallstricke antifaschistischer Strategie. In TERZ 9/00 wendete sich "Carl Zeland" gegen die Bündnispolitik des Antifa-KOK bei der antifaschistischen Demonstration am 5.8. in Düsseldorf. Durch Kooperation mit PDS, Grünen und SPD sowie durch Orientierung auf die Reste bürgerlicher Zivilgesellschaft, so Carl, mache sich die Antifa zur Fußtruppe des "guten Deutschlands" und verharmlose den etablierten Rassismus. Radikale Faschismuskritik und Bündnispolitik schließen sich nach Carl gegeneinander aus.

In einer Entgegnung forderte "MAS" den Ausbau der Bündnisfähigkeit der Antifa mit bürgerlichen Parteien, Gruppen und Organisationen. Eine politische Verwässerung linker Kritik an dem etablierten Rassismus, so MAS, könne der Antifa nicht mit dem bloßen Hinweis auf ihre Bündnisarbeit vorgeworfen werden.

Nun tritt mit "Daredevil" ein weiterer Bündnisbefürworter in die TERZ-Disko ein.
Wir laden hiermit zu weiteren Stellungnahmen - sowohl aus Antifa-Kreisen als auch darüber hinaus - ein.

Beiträge bis zum 15.10. an die TERZ!


Nazis, Sozialdemokratie und Antifa

Replik auf die Polemik von Carl Zeland: Quo vadis, Antifa?, in Terz 9/00, S.18

Dass Carl Zeland gerne und oft polemisch wird, ist weithin bekannt und sorgt i.d.R. auch für einen gewissen Unterhaltungswert von ansonsten politisch eher harmonisch und damit langweilig ablaufender Veranstaltungen. Seine üblichen und innerhalb der Szene berühmt berüchtigten Analysen, in denen jede noch so kleine nationalistische Randbemerkung irgendeines Akteurs der politischen Bühne als Beleg für die Existenz einer neuen "Volksgemeinschaft" herhalten muss, belegen zum einen, wie weit nationalistische Ideologiemomente Konsens in der BRD sind und bei jedweder politischen Debatte mittlerweile zutage treten, verweisen aber zum anderen auch auf Carls Methodik, sich immer die heftigsten Ausformungen nationalistischer Diskurse als Beweis für die Existenz besagter "Volksgemeinschaft" herauszupicken und damit die angebliche Homogenität der politischen Landschaft in der BRD zu belegen.

Zurecht kritisiert er in seiner Polemik den rassistischen Konsens gerade bezüglich der Asyl- & Migrationspolitik der BRD. Dass es aber auch zwischen einem rot-grün regierten Abschiebeland wie NRW und dem Nationalsozialismus quantitative und qualitative Unterschiede in den rassistischen Praxen, vor allem in ihrer Vernichtungskonsequenz, gab und gibt, verschweigt er gerne. Eine Leugnung der Unterschiede in den Praxen und Interessenslagen, ebenso wie eine mangelnde Analyse der Interessensdeckung, Brüche und Kontinuitäten kommt einer Aufgabe jeglicher antirassistischer Intervention gleich. Selbstgefällig muten daher seine Polemiken gegen den aktiven Teil der Düsseldorfer Linken an.

Die Tatsache, dass antirassische Praxis offensichtlich gegen die Interessensmehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung agieren muss, ist unter Antifa-AktivistInnen keine neue Erkenntnis. Den PDS-Aktiven Frank Laubenburg zu der rassistischen Mehrheit zu zählen, ist eine Frechheit; anders als Carl war Frank z.B. aktiv und die Antifa unterstützend tätig im Kampf für ein Bleiberecht für kurdische Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl im Rahmen der Kampagne "Kein Mensch ist illegal". Dort wurden explizit die von Carl erhobenen Forderungen nach "Grenzen auf für alle", Aufhebung des Arbeitsverbots und erst recht- der Legalisierung aller Illegalen entgegen des gesellschaftlichen Mainstreams und rotgrünen Interessen und offensiv jenseits staatlicher Legalität nicht nur aufgestellt, sondern auch in Angriff genommen.

All dies weis Carl. Fast unverfroren wird er da, wo er den OrganisatorInnen der Demo "Stoppt den Nazi Terror! Faschistische Strukturen zerschlagen!" vorwirft, die Antifa wolle nicht wissen, analog zu anderen linken Bewegungen, "mit wem sie da eigentlich ihre ‚breiten Bündnisse' veranstaltet" (Terz 9/00, S.18), und führt als Vergleich die Anti-AKW-Bewegung und ihre völkische Fraktion der Ökologiebewegung, sowie den "deutschlandbewegten" Mechtersheimer und die Friedensbewegung an.

Zum einen war es in der Vergangenheit gerade die Antifa, die solcherlei Verquickungen mit dem reaktionären und braunen Sumpf aufgedeckt und schonungslos kritisiert hat. Zum anderen war es gerade auch die Antifa als vielleicht grösste verbliebene linksradikale Bewegung, die den Zusammenhang zwischen rassistischem Konsens, rassistischer Migrationspolitik, kapitalistischen Verwertungsinteressen und faschistischer Bewegung jahrelang immer wieder thematisiert und angegriffen hat. Auch explizit die Düsseldorfer Antifa hat immer wieder in Flugblättern, auf nahezu jeder Veranstaltung und Aktion und auch in unseren beiden Reden auf der Demonstration darauf verwiesen. Auch dies ist Carl durchaus bekannt. Ihm geht es anscheinend nicht um eine solidarische Kritik und konstruktive Reflexion des auch für uns sehr schwierig in einer adäquaten politischen Praxis zu fassenden medialen Diskurses. Er ist lediglich an einer Diskredition erfolgreicher antifaschistischer Praxis in (pseudo-)linksradikalen Kreisen interessiert und versucht in der Intention irgendwie ähnlich wie Erwin & Co einen Keil zwischen den Antifa-KOK und dem letzten verbliebenen Rest kritischer Öffentlichkeit zu treiben.

Seine implizite Kritiksicht , im vorhinein nicht mehr gegen Vereinnahmung durch die Standortnationalisten und die Propagandisten des "guten Deutschlands" gewehrt zu haben, bringt insofern recht wenig, als dass diese Gefahr zu dem Zeitpunkt der Entscheidung über Motto & Inhalt der Demonstration aufgrund des ansonsten marginalen medialen Interessens so abwegig erschien, dass wir uns darauf beschränkten, in den Reden eindeutig und tiefergehend Position zu beziehen. Die Parole "Nazis morden, der Staat schiebt ab es ist das gleiche Rassistenpack!", die Carl als Beweis dafür anführt, dass angeblich die Demonstranten "partout nicht bereit" waren, "der Strategie der Demo-Organisatoren zu folgen und die Sozis zu schonen", ist natürlich auch von den OrganisatorInnen jahrelang und auch auf der Demonstration gerufen worden und stammt im übrigen von der Düsseldorfer Antifa selbst (vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW von 1996).

In diesem Sinne kann mensch Carl nur empfehlen, sich vielleicht einmal in einem solidarischeren Umgangston zu versuchen und zu akzeptieren, dass es auch andere Positionen als die der "Antideutschen" gibt: "Elementares Moment einer nicht akademischen, auf Praxis zielenden Gesellschaftstheorie ist die Rezeption der Nichtidentität von Ideologie und sozialem Verhältnis, der Spannung zwischen Formierung und Bruch. Hier liegt bei aller Magernalisierung die im historischen Fall brutaler war als im aktuellen ein Ansatzpunkt linker Politik. Ihn analytisch zuzuschütten, ist theoretische Selbstentwaffnung." (autonome l.u.p.u.s-Gruppe: "Antideutsch, antinational, national...?", in: Die Beute, Politik und Verbrechen Herbst 1995, S.86ff)

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DAREDEVIL, SEPTEMBER 2000