Stattwerke statt Stadtwerke

Meister Erwin leuchtet heim

Die politischen Verantwortlichen innerhalb der Europäischen Union haben dem Projekt der europäischen Integration über den Markt mit dem Maastrichter Vertrag neuen Schwung verliehen, indem sie der Schaffung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes durch den Abbau von Handelsbarrieren politischen Vorrang einräumten. Dies hat sicherlich Vorzüge gegenüber dem Vorgehen der Europäischen Gemeinschaft, alle in Westeuropa bestehenden Normen und Vorschriften mittels der Bürokratie zum Zwecke der Marktschaffung zu vereinheitlichen, ist aber zum Teil sehr ignorant gegenüber (im weitesten Sinne) sozialpolitischen Standards einzelner Mitgliedsländer im Rahmen der Daseinsfürsorge, die auf unterschiedlichste Art und aus unterschiedlichsten Gründen eine staatliche Sonderbehandlung erfahren. Aktuell trifft dies für die (kommunale) Energie- und Wasserversorgung, den öffentlichen Personennahverkehr und die Sparkassenorganisation zu.

Das Vorgehen der Europäischen Union geht von der Annahme aus, dass der Markt die effizienteste und damit auch gerechteste Verteilung von Waren und Gütern gewährleistet und daher seinen Organisationsprinzipien allgemeine Gültigkeit zu verschaffen ist. Dies traf sich mit den ordnungspolitischen Konzeptionen der alten Bundesregierung sowie der aktuellen Düsseldorfer CDU/F.D.P. Ratsmehrheit. Doch die Zustimmung zu diesem Vorgehen ist nicht nur auf diesen Kreis beschränkt. Problematisch hierbei ist weder, dass die (ehemals) öffentlichen oder öffentlich gestützten Monopole aufgebrochen werden und sie sich weniger als Versorgungsanstalt der jeweiligen Politik eignen, noch, dass sie sich mehr zu einem nutzer/-innenfreundlichen beziehungsweise problemorientierten Handeln durchringen, sondern problematisch ist, dass diese Unternehmen nun gezwungen sind - wollen sie wirtschaftlich überleben - eine den Großkonzernen ähnliche Kapitalrenditeorientierung übernehmen müssen und dabei ihre vielen sozial-, gesellschafts- und umweltpolitischen (Neben-)Ziele aus dem Blick geraten. In Düsseldorf stehen nun der Verkauf der städtischen Anteile (80 % Stadt Düsseldorf, 20 % RWE) der Stadtwerke an. (Darüber hinaus soll die städtische Rheinbahn AG und der 25,1 % Anteil (Sperrminorität) der städtischen Flächenentwicklungsgesellschaft Industrieterrains Düsseldorf-Reisholz (IDR) an der städtischen Abfallentsorgergesellschaft AWISTA AG verkauft werden.

Nach der Liberalisierung des europäischen Energiemarktes (die Umsetzungsrichtlinien für den bundesdeutschen Gasmarkt werden erarbeitet) haben die alten Gebietsabsprachen der Energiekonzerne ihre Gültigkeit verloren. Nun kann die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke AG (RWE) als ehemaliger Monopolversorger des Rheinlands und der Düsseldorfer Stadtwerke AG auch gewerbliche und private KundInnen aus dem ehemals geschützten Versorgungsgebiet der auch energieerzeugenden Düsseldorfer Stadtwerke AG abwerben. Dies ist bei den öffentlichkeitswirksam so heiß umworbenen PrivatkundInnen nicht so dramatisch (ca. 2000 sollen den Versorger gewechselt haben), aber umso mehr bei den gewerblichen Großkunden. Die für sie bereit gestellte Leistung sichert eine effiziente Ausnutzung der Produktionsanlagen beziehungsweise eine wirtschaftliche Erzeugung der Grundlast, zu der dann zusätzlich für den Bedarf der kleingewerblichen und privaten Verbrauchenden produziert wird. Die beiden letztgenannten finanzieren mit der Begleichung ihrer Stromrechnungen die Versorgungsinfrastruktur. Die aktuellen Marktauseinandersetzungen im Energiesektor finden also zum einen um die Großkunden (um eine effiziente Auslastung der eigenen Anlagen zu sichern, fast egal um welchen Preis), und zum anderen um die kleingewerblichen und PrivatkundInnen (zur Finanzierung ihrer Netzinfrastruktur) statt. Hierfür ist der leichteste Weg der interessierten Energiekonzerne, sich die Energieversorger mit dem Zugang zum Endverbrauchenden zu kaufen, wie in diesem Fall die Düsseldorfer Stadtwerke AG.

Die Probleme für die Düsseldorfer Stadtwerke AG liegen im Großkundengeschäft, bei dem sie berechtigte Sorge haben, gegen die Atomstromkonzerne preislich nicht mithalten zu können. Als Gegenstrategie sollte im letzten Jahr ein Verbund mit kommunalen Energieversorgern aus der Region gegründert werden, der aber an kommunalen Eitelkeiten und an der Angst vor einem zu großen Einfluss der Stadt Düsseldorf auf die Region scheiterte. In diesem Sommer stand dann die "Stadtwerke Deutschland AG" auf der Tagesordnung. Zusammen mit den Stadtwerken München, Mainz und Darmstadt sollte der viertgrößte bundesdeutsche Energiekonzern entstehen, der, in München beheimatet, sich ausschließlich um das Großkundengeschäft kümmern soll. Dieses Projekt hätte mit der (ehemals von der Stadt München nicht gewollten) 25 % Beteiligung der Stadtwerke München an dem Atommeiler Ohu-Isar 2 auch realistische Chancen, in dem Geschäft bestehen zu können. Doch auch dies etwas fragwürdige Vorhaben ist mittlerweile nicht mehr aktuell, denn unser lieber Meister Erwin hat die Zeichen der Zeit erkannt: Was dem Markt gehört, soll dem Markt gelassen werden. Es sei halt nicht Aufgabe einer Kommune, sich wirtschaftlich zu betätigen. Eine Position, die die CDU in langen Auseinandersetzungen mit der rot-grünen Landesregierung um die Neufassung des diesbezüglichen Paragraphen in der Gemeindeordnung (§ 107 GO) weitreichend verinnerlicht hat. Dieser Paragraph hat dennoch eine Fassung erhalten, die die Auffassung der in Infrastrukturbereichen wirschaftlich tätigen Kommunen bestätigt. Als vorgeschobene Argumentation des Vorhabens dient die angebliche Entschuldung der Stadt Düsseldorf.

Die Stadtwerke seien aufgrund der aktuellen Marktsituation ca. 2,5 Mrd. DM wert. Wenn sie denn umgehend veräußert würden. 10 interessierte Unternehmen soll es geben, von denen einige dem Erwerb der Düsseldorfer Stadtwerke einen zentralen unternehmensstrategischen Stellenwert einräumen. Würde der Erlös des 80-prozentigen städtischen Stadtwerke-Anteils (ca. 2 Mrd. DM) zur Entschuldung der Stadt genutzt, würden sich Schuldzinsersparnisse von ca. 88 Mio. DM ergeben, dem ständen (nur) ca. 40 Mio. DM steuerfreie Erträge seitens der Stadtwerke für die Stadt gegenüber. In dieser "Milchmädchenrechnung" ist aber relativ unbeachtet, ob die Stadtwerke so schnell wie gewünscht überhaupt verkauft werden können, ob dieser Zeitdruck überhaupt besteht, welche für die Stadt positiven geldwerten Leistungen bestehen (bei den vielfältigen Verflechtungen zwischen der Stadt und den Stadtwerken), und welche positiven wirtschaftlichen Impulse für die Stadt von einem relativ sicheren und gerade aufwendig modernisierten Energieproduktionsstandort ausgehen. Bislang gar nicht erwähnt ist auch der Umgang mit den zu den Stadtwerken gehörenden Einrichtungen der Wasserversorgung und den möglichen gesundheitlichen Folgen einer privatwirtschaftlich organisierten Wasserversorgung. Diese Einrichtungen sind nämlich überwiegend gebührenfinanziert. Dies heißt, der Erlös einer Veräußerung dieses Teils der Stadtwerke darf nicht in den Vermögenshaushalt sondern in den Gebührenhaushalt der Stadt einfließen. Und völlig unklar ist, ob dieses viele und bislang virtuelle Geld auch wirklich für die Entschuldung genutzt wird bei den hochfliegenden Plänen die die CDU für die Stadt im Düsseldorfer Norden vorhat, wie beispielsweise die Multifunktionshalle, Olympia oder die unterirdische Führung einer dichteren und benötigten Anbindung der Messe an die Straßenbahn.

So oder so: Bei den beiden letztgenannten Zukunftsplänen für die Düsseldorfer Stadtwerke wird an einem großtechnischen Leitbild und Energieproduktionsstrukturen festgehalten, die den kleingewerblichen und privaten Energieverbrauchenden bislang und wohl auch in Zukunft hohe Energiepreise im Interesse ihrer Eigner zugemutet haben und einer ökologischen Energieerzeugung nicht gerade förderlich sind. Wo doch gerade in der Vergangenheit viele kommunale Stadtwerke hier vorbildliche Arbeit geleistet haben und in Düsseldorf, auf Initiative der Grünen, die Produktionsanlagen in der Lausward auf umweltfreundlichere und effizientere Gas- und Dampfturbinen umgerüstet wurden. In Verbindung mit einer Orientierung auf eine dezentrale Energieerzeugung durch kleine, an das produzierende Gewerbe angekoppelte Blockheizkraftwerke beziehungsweise auf Privathaushalte ausgelegte Brennstoffzellen (auf Wasserstoffbasis funktionierende Mini-Blockheizkraftwerke) könnten in Düsseldorf Schritte zu einer umweltgerechteren Energieerzeugung gemacht werden. Würde dies jetzt geschehen, könnten beschäftigungssichernde Konzepte eines derartigen Strukturwandels in der Energieerzeugung entworfen werden. Der Grundstein ist mit der Modernisierung der Lausward gelegt. Wird sich eine Sicherung der Energieerzeugung in Düsseldorf mit all seinen Arbeitsplätzen alleine durch die Gründung einer "Stadtwerke Deutschland AG" oder den Verkauf einiger oder aller städtischen Stadtwerkeanteile an einen "strategischen" Partner bleibt dies aus, ohne verhindern zu können, dass umwelt- und preisbewusste Bürgerinnen und Bürger auf kurz oder lang die günstigere und ökologischere Eigenerzeugung ihrer Energie aufnehmen werden. Beispiele aus den USA zeigen dies und der liberalisierte Energiemarkt macht dies mittlerweile recht einfach möglich.

Der liberalisierte Markt in Europa schafft sicherlich gefährliche Sachzwänge, aber auch viele Möglichkeiten auf die damit verbundenen Probleme zu reagieren. Die hiesige Politik mit ihrem unbedingten Glauben an den Markt übersieht die vielfältigen Spielräume, die diese Liberalisierung bietet und gibt so leichtfertig ihre kommunalen Steuerungsinstrumente aus der Hand, die in diesem Falle für eine soziale, gerechte und ökologische Umwelt- und Energiepolitik dienlich wären.

marcus