Neues Jelinek-Stück im Central

Frauensachen

Das Düsseldorfer Schauspielhaus hat bei Elfriede Jelinek ein Werk über Kleider und Leute in Auftrag gegeben. Die erwarteten Lokalbezüge hat die Schriftstellerin dann aber zum Glück nicht geliefert.

„Straße? Stadt? Nicht mit mir!“ setzte sie in Klammern hinter den Stücke-Titel „Das Licht im Kasten“. Sie trug stattdessen mit fast lexikalischem Ehrgeiz alles zusammen, was einem zum Thema so einfallen kann, schichtete es zu einem massiven Mode-Block auf und ließ den Theatermacher*innen beim Abtragen in gewohnter Weise freie Hand.

Elfriede Jelineks Theaterstücke bestehen zumeist aus reinen Text-Flächen, die weder einem Handlungsort noch einem dramatischen Personal zugeordnet sind. Die Schriftstellerin überlässt es den Theatermacher*innen, wie sie den Wortverkehr regeln. Für die Düsseldorfer Aufführung hat die Schriftstellerin sich nur eines gewünscht: Plüschtiere auf der Bühne. Und die hat sie auch bekommen. Regisseur Jan Philipp Gloger bot sogar zusätzlich noch das entsprechende Biotop auf. Er wählte mit nicht weiter folgenreichem Sinn für Dialektik die Natur als Schauplatz des Auftaktes von „Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)“. Zu Beginn pirschen die sechs Frauen von 24 bis 70 Jahren, auf die Gloger die Text-Massen im Wesentlichen verteilt hat, mit Einkaufstüten von Nobel-Marken durchs Unterholz. Von dort aus setzt dann der Jelinek’sche Gedankenfluss über Kleider und Leute ein, der nachher auch auf ein sich dahinter auftuendes Haus übergreift. Mit seinen durchgehenden Glasfronten dient es als Schaukasten, das den idealen Rahmen für das In-Szene-Setzen der Mode bildet.

Sie erscheint auf der Bühne als eine enervierende Anforderung, der frau nur schwer Genüge leisten kann. Sie ist „immer genau heute abgelaufen“ und verschafft einem weder das Alleinstellungsmerkmal, das sie verspricht – „Sie sind immer nur ein Auch“, heißt es in dem Stück – noch die Aura ihrer prominenten „Werbe-Trägerinnen“, die sie im selben Moment verheißt. Es bleibt nur ein unendlicher Prozess der Annäherung an die Schönheit, in dem sich trotz aller Anstrengungen selbst Models wie Gisele Bündchen verfangen. Und all das tun die Frauen nur für – oder vielmehr gegen – sich selbst. Um Außenwirkung geht es ihnen dabei nicht. Sie arbeiten sich vielmehr an ihrem eigenen Ich-Ideal ab, das freilich Fremdeinwirkungen aufweisen kann, und gleichen somit dem Andi in Elfriede Jelineks „Sportstück“, der ein solcher werden wollte, wie der Arnold Schwarzenegger einer ist.

Männer spielen in „Das Licht im Kasten“ folglich keine Rolle. Nun braucht sie natürlich keine*r als vermeintlich einzige Zielgruppe weiblicher Kleidungsbemühungen zu vermissen. Die Art und Weise jedoch, wie Mode in der Aufführung zu einer reinen Frauensache wird, verleiht der Leerstelle „Mann“ dann doch einige Präsenz. So widmet das Stück sich beispielsweise ausgiebig den Outriertheiten des Fashion-Business’, das Pullover mit mehr Löchern als Stoff zum letzten Schrei ausruft oder sogar absichtsvoll untragbare Sachen als subversive Selbstkritik kreiert. Aber wenn die Frauen sich einen Stöckelschuh vornehmen und ihm attestieren, zum Gehen eigentlich nicht gemacht zu sein, stellen sie sich nicht die Frage, welchem Zweck die Quälerei von Haus aus eigentlich dienen soll: dem Mann an Größe nachzukommen.

Ansonsten bemüht sich „Das Licht im Kasten“, alle Aspekte des Themas abzuhandeln. Die schlimmen Produktionsbedingungen der Kleider-Branche in den Ländern der „Dritten Welt“ finden Erwähnung. Der „Radical Chic“ hat seinen Auftritt, wenn eine Schauspielerin mit glitzerndem Che-Guevara-T-Shirt ein Klagelied gegen die Ungerechtigkeit der Welt anstimmt, und selbstverständlich darf ein Catwalk nicht fehlen. Nicht bloß bis zum Alter, sondern bis zum bitteren Ende erörtert das Stück Mode-Fragen: Sogar um die angemessene Ausstaffierung ihres Sarges sorgen sich die Figuren noch.

Aber diese lexikalische Beflissenheit bleibt ein wenig fad, weil die Aufführung – der Struktur der Jelinek’schen Text-Flächen geschuldet – alles nur aneinanderreiht und dabei mit allerhandlei inszenatorischem Budenzauber umgarnt, statt es wirklich zu durchdringen Aber immerhin ist sie so souverän, uns ranschmeißerische Anspielungen an die Modestadt Düsseldorf im Allgemeinen und die Königsallee im Besonderen zu ersparen.

JAN

Nächste Aufführungen am:

05.02.
16.02.
22.02.

im Central