Lütt, die jivt et wie Sank am Meer,
die loope dech wie Müs övver de Wäch,
äwwer Minsche, die moss du met dr Luup sööke.

Urgroßmutter Kraushaar


Peter Baumöller 1928 – 2011

... es war nicht alles für die Katz' ...

Am 4. Oktober ist Peter Baumöller im Alter von 83 Jahren gestorben. Der Kommunist hat sein Leben lang gegen den Faschismus, für den Frieden und für mehr soziale Gerechtigkeit gekämpft. Als Gewerkschaftler setzte er sich unermüdlich dafür ein, die Lage von Journalist_innen und anderen Beschäftigten zu verbessern. Die TERZ veröffentlichte viele Texte von Peter und gab 1998 sein Erinnerungsbuch "... es war nicht alles für die Katz'..." heraus.

Unsere Begegnung mit Peter entstand über das Hörensagen. Die Redaktion hörte Mitte der 1990er Jahre von Texten, die in Gewerkschaftskreisen kursierten. Es waren die Erinnerungen eines Düsseldorfer Kommunisten und früheren Parteiaktivisten. Unser Zeitungsprojekt entstammt der autonomen Szene der späten 80er Jahre, ist in der Antifa-Bewegung verwurzelt und wir haben und hatten mit orthodoxen K-Gruppen und ihren Parteiaktivist_innen wenig am Hut. Aber Peters Texte begeisterten uns, weil sie immer einen eigenständigen Standpunkt hatten und auch Kritik an der Parteileitung nicht scheuten. Vor allem trat uns aus seinen Artikeln ein Stück linker Historie Düsseldorfs entgegen, das die offiziellen Stadt-Bücher stets aussparten. Mit Peters Geschichten wollten wir unseren Leser_innen die Perspektive einer "Geschichte von unten" vermitteln. Peter hingegen lockte die Möglichkeit, etwas von seinen Erfahrungen an die jüngeren Generationen weitergeben zu können

Und so kamen wir zusammen. Im Mai 1995 erschien in der TERZ die erste von Peters "Geschichten aus der Geschichte", ein Bericht über seine Desertation aus der Nazi-Armee. Wir suchten damals gerade diesen Text aus, da sich in dem Jahr das Kriegsende zum 50. Mal jährte, und auf diese Weise gingen wir auch weiterhin vor. Und als beispielsweise wieder einmal der 1. Mai herannahte, publizierte die TERZ einen Artikel von Peter Baumöller über die 1977 erfolgten Bestrebungen des DGBs, den Mai-Umzug in Düsseldorf abzuschaffen. Die Gewerkschaftler_innen wollten nur noch eine kleine Versammlung im Hofgarten abhalten und anschließend zu einer Gedenkveranstaltung in kleinerem Rahmen zusammenkommen. Aber die IG Druck und Papier opponierte und rief eigenhändig zu einer Demonstration am Tag der Arbeit auf. Diesen Ruf hörten viele, und so machte sich ein großer Zug zur Reiterallee auf, um die dort ausharrende DGB-Spitze zu begrüßen. Der blieb dann nichts weiter übrig, als sich der Macht des Faktischen zu beugen und sich auch weiterhin zur Tradition zu bekennen. "Man muss zugeben, die Linken haben den 1. Mai in Düsseldorf gerettet", zitierte Peter den damaligen DGB-Kreisvorsitzenden Hans Reymann.

Das Buch

Viele solcher Geschichten erschienen in den folgenden Jahren in der TERZ, welche die aktuelle Berichterstattung um einen Blick in den Rückspiegel ergänzten. Irgendwann dann reifte in uns der Entschluss, sie alle zu bündeln und als Buch herauszugeben. Wir setzten uns mit Peter zusammen, sichteten sein Material, sprachen über Ergänzungen, kramten in seinem Archiv nach Fotos und suchten nach weiteren im Stadtarchiv. Anschließend begann unser Layout-Team mit der Arbeit und sah lange Zeit kein Land, ehe wir dann endlich Anfang Dezember 1998 das fertige Buch " ... es war nicht alles für die Katz' ..." in der Buchhandlung Bibabuze präsentieren konnten.

Das Werk erlaubte einen genaueren Blick auf den Menschen, der hinter den "Geschichten aus der Geschichte" stand, obwohl es nicht bleischwer als Memoiren-Literatur daherkam und die Zeitspanne zwischen 1928 und 1984 mit einem eher episodischen Erzählen durchmaß. Einen Lebenslauf mochte Peter nämlich nicht schreiben. "Mir hat dieser Begriff nie besonders gefallen", notiert er gleich zu Beginn, "denn immer, wenn mir mal wieder ein ‚Lebenslauf' abgefordert wurde, musste ich erkennen, dass von Lauf kaum die Rede sein konnte. Meist war ich froh, wenn ich rückblickend einen aufrechten Gang nachzuweisen in der Lage war. Selbst dabei flog ich zuweilen auf die Nase und musste mich mühsam wieder aufrappeln".

Den ganzen "Peter Baumöller" gab es also nicht, aber die entscheidenden Wegmarken enthält sein Buch schon.

Sein Erweckungserlebnis hatte Peter 1943 als 14-jähriger Junge. Er saß mit seinem Vater Karl und seinen beiden Onkeln Bernhard und Franz zusammen, und sie unterhielten sich über den Krieg, den alle schon verloren gaben. Der kommunistische Onkel Bernhard redete auf den Onkel Franz ein, der 1933 von der SPD zu den Nazis übergelaufen war, wollte ihn für seine Seite gewinnen und erwähnte dabei so nebenbei, dass es ihm 1928, kurz vor Peters Geburt, schon gelungen war, Vater Karl aus der "nationalen Ecke" zu holen. "Plötzlich tat sich eine ganz neue Welt vor mir auf", heißt es in dem Buch, "Es ging mir so, wie Picasso einmal geschrieben hat: Ein frischer Brunnen bot sich zum Trinken an. Alles wurde klarer: die Gründe und die Abgründe, die zu dem Wahnsinnskrieg geführt hatten".

Das war natürlich noch keine gefestigte Weltanschauung, aber die erste Bekanntschaft mit dem Kommunismus ließ den Oberbilker Jung' die Welt doch anders wahrnehmen. Das führte in der Konsequenz dann auch zu seinem Entschluss, Hitlers letztem Aufgebot die Gefolgschaft zu verweigern und zu desertieren. Bis zum Kriegsende musste er sich deshalb in Oberbilk verstecken, immer in der Angst, von den Schergen des Düsseldorfer Gauleiters Karl-Friedrich Florian entdeckt zu werden.

Nach der Befreiung gaben sich die Nazis und ihre willigen Helfer erst einmal bedeckt. Frauen etwa, die russischen Zwangsarbeitern den Zutritt zu den Luftschutzkellern versagt hatten, saßen andächtig bei Kirchen-Versammlungen und holten sich die Absolution von Jesus, der ja praktischerweise schon vor Urzeiten alle Schuld auf sich genommen hatte. Peter aber störte den falschen Frieden, benannte die Schuldigen und kam zu der Einsicht, "dass der richtige Frieden noch erkämpft werden musste". Dafür waren in der ersten Zeit nach 1945 gute Voraussetzungen da. Die Kommunist_innen konnten offen agieren, sie arbeiteten am Grundgesetz mit und übernahmen einflussreiche Posten in der Verwaltung. In Düsseldorf residierte die Partei zeitweilig sogar auf der Königsallee und stellte mit Peter Waterkortte einen Bürgermeister. Der Maler Hanns Kralik wurde Kulturdezernent und brachte unter anderem den Aquazoo auf den Weg. Auch die Gründung des Jugendrings ging auf eine Initiative der Kommunist_innen zurück.

Der Kalte Krieg

Inzwischen ist das alles unter den Bannstrahl geraten. Noch in diesem Jahr hat die Stadt sich geweigert, eine Ausstellung mit Werken von Hanns Kralik zu fördern. Die Zäsur markierte der Kalte Krieg. Der Staat verbot 1956 die KPD, und mit einem Schlag hatten 80.000 Partei-Mitglieder den Status von Illegalen. Die Polizei schloss das auf der Ackerstraße gelegene Parteibüro und die im selben Haus untergebrachten Redaktionsräume der Zeitung "Freies Volk", bei der Peter Baumöller als Journalist wirkte. Peter und seine Genoss_innen mussten Hausdurchsuchungen, Prozesse und Gefängnis-Aufenthalte über sich ergehen lassen. Bis zu den Berufsverboten reichten die Ausläufer dieser Zeit der Gesinnungshatz, welche " ... es war nicht alles für die Katz' ..." wieder in Erinnerung ruft und auf diese Weise die Leerstelle füllt, die viele offizielle Geschichtsbücher hinterlassen haben.

So wurden Menschen, die gerade eben erst den Lagern entronnen waren, binnen kürzester Zeit wieder Eingesperrte, noch dazu oft von derselben Richterkaste verurteilt. Im Windschatten des Kalten Krieges konnten die Alt-Nazis nämlich wieder aus ihren Löchern hervorkriechen und unbehelligt ein Leben als angesehene Bürger_innen führen. Nur das Ausland störte sich. Peter beschreibt in seinem Buch, wie zwei französische Journalisten einen Verantwortlichen des Massakers von Oradour aufspürten, der in Düsseldorf einen gutgehenden Baubetrieb führte. Und die Polizei setzte nicht etwa ihn fest, sondern die beiden Reporter. Auch der ehemalige Gauleiter Karl-Friedrich Florian, dessen Mannen Peter nach dem Leben getrachtet hatten, meldete sich wieder aus seiner Villa im Nordpark, in dessen Gittertor "kunstvoll" Hakenkreuz-Motive eingearbeitet waren. Er schickte sich an, mit Hilfe eines CDU-Anwalts gegen den Düsseldorfer Stadtarchivar Hugo Weidenfeld wegen Rufschädigung vorzugehen. Peter knöpfte sich Florian vor, interviewte ihn und offenbarte damit, wie wenig er sich verändert hatte. "Ich war schon 1920 auf einem antisemitischen Kongress in Prag", rühmte sich Florian in dem Gespräch und sah anno 1965 sein dunkles Verdikt aus den letzten Tagen des Tausendjährigen Reiches bestätigt: "Die Deutschen sollen ohne Eigenleben als Sklaven verrecken" – überall nahm er nur noch Niedergang wahr.

1969 gelang es aber, die NPD in Düsseldorf auszubremsen. Die Partei hatte die Rheinhallen für eine Veranstaltung angemietet, traf dort jedoch auf "Vormieter" – auf Peter Baumöllers Initiative hin hatte der DGB dort auch ein Treffen abgehalten, das unvermutet ein wenig länger dauerte. Peter war während seines ganzen politischen Lebens immer ein aktiver Gewerkschaftler. Er engagierte sich gegen das Einstellen von Zeitungen, war mit den für höhere Löhne Streikenden vor Ort, um die Auslieferung der Rheinischen Post am Heerdter Druckzentrum zu verhindern, setzte sich für eine geordnete Journalist_innen-Ausbildung und für mehr Redakteur_innenrechte ein.

Hader mit der Partei

Und Peter war während seines ganzen politischen Lebens immer auch ein kritischer Kommunist. Er haderte stets mit dem "demokratischen Zentralismus", hatte eine differenzierte Meinung zum 17. Juni 1953 und protestierte 1968 mit seinen Gewerkschaftskollegen gegen den Einmarsch in die CSSR. Anfang der 1980er Jahre wird ihm das zum Verhängnis. Die Partei besetzt die Spitze der "Deutschen Volkszeitung" um, bei der er seit 18 Jahren tätig war und versucht ihn und andere kaltzustellen. Es folgen Proteste, ein Parteiausschluss-Verfahren, gegen das Peter erfolgreich Protest einlegt, und schließlich – spät – eine Rehabilitierung. Peter zitiert in seinem Buch einen Kollegen, der ihm schrieb, dass vieles, was sie in der Zeitung erlebt hatten, untrennbar mit der Gesamtentwicklung des Sozialismus verbunden war. "Wir verspürten den Mangel an Demokratie, an Mitbestimmung von unten und der Fähigkeit zu offener, kritischer Auseinandersetzung", klagt auch Peter. Seine Frau Henny, die als Tochter eines Oberbilker Kommunisten unter anderem als Betriebsrätin bei Rank Xerox ein ebenso politisches Leben wie ihr Mann führte, bewog dieser Mangel dazu, einen geharnischten Brief an den damaligen DKP-Vorsitzenden Herbert Mies zu schreiben und ihre Parteibücher zurückzugeben.

Bei Peter haben die Ereignisse um die Zeitung ebenfalls tiefe Wunden hinterlassen. Die Arbeit an dem Buch verstand er deshalb durchaus auch als Verarbeitung seiner Lebenserfahrungen und persönlichen Verletzungen durch den parteipolitischen Umgang mit abweichenden Meinungen.

Der Mensch

Peters Geschichten haben uns als linke Aktivist_innen, die ihrer Heimatstadt verbunden sind, fasziniert. Und unser Interesse, das wir "jungen Leute von der TERZ" an Peters Erzählungen zeigten, vermittelten ihm das Gefühl, dass eben doch "nicht alles für die Katz'" war. Fast fünfzehn Jahre ist es nun her, dass wir uns mit Peter auf ein gemeinsames Buchprojekt geeinigt haben und uns darüber auch menschlich näher gekommen sind. Viele Treffen verbrachten wir mit Klönen bei Kaffee und Kuchen bei Peter und seiner liebenswerten Frau Henny. Über die Arbeit am Buch konnten wir Anteil nehmen an den zwei Menschen hinter den Geschichten. Wir durchsuchten ihr umfangreiches Material an Bildern, Dokumenten und Informationen und waren fasziniert von der Kenntnis der beiden zu den Ereignissen linker Düsseldorfer Geschichte. Peter konnte nicht nur spannend erzählen, sondern auch durch seine empathische Art begeistern und mit lustigen Annektoten die Zuhörer_innenschaft für sich einnehmen. Die Geburtstage im Beisein von vielen linken Aktivist_innen der älteren Generation und den antifaschistischen Widerstandskämpfer_innen, die sich zu solchem Anlass in der Wohnung am Fürstenplatz versammelten, bleiben uns in unvergesslicher Erinnerung. Beide öffneten unseren Blick für die Bedeutung einer linken "oral history". Henny Baumöller verpflegte uns nicht nur umsorgend bei unseren Zusammenkünften, sondern vermittelte uns in ihrer persönlichen Umgangsform auch ein eindrucksvolles Gefühl dafür, was Solidarität auch im mitmenschlichen Umgang miteinander bedeuten kann.

"Man kann auch aus seinen Niederlagen lernen", schrieb Peter am Anfang seines Buches und zitierte hoffnungsvoll Thomas Müntzer: "Geschlagen ziehen wir nach Haus, die Enkel fechten's besser aus". Wir bemühen uns, Peter!


Liebe Henny Baumöller,

erst jetzt erfahre ich vom Tode Peters und möchte Ihnen mein aufrichtiges Beileid ausdrücken. Als Druckerlehrling in Düsseldorf lernte ich ihn in der Gewerkschaft kennen und erhielt 1970 bei ihm meine erste Schulung zum Thema Betriebsverfassungsgesetz, die mir bis heute in Erinnerung ist. Obwohl wir ideologische und politische Widersprüche hatten war unser Verhältnis stets offen und kameradschaftlich. Als ich in der inzwischen längst verschwundenen Druckerei Diederichs mit anderen Kolleginnen und Kollegen einen Betriebsrat gründete, bekam ich durch Peter tatkräftige Unterstützung. Und als ich nach dem großen Stahlarbeiterstreik wegen der Beteiligung an einem Solidaritätsstreik gekündigt wurde, war es vor allem Peter, der die Solidarität von Seiten der IG Druck organisierte.

Nach meinem Wegzug von Düsseldorf sah ich ihn erst 1993 wieder und leider auch zum letzten Mal. Es war bei der Kundgebung anlässlich des 60. Jahrestags der Machtübertragung an Hitler, die vor dem Schauspielhaus stattfand. Peter erwarb damals bei mir eine Ausgabe von Wolfgang Langhoffs Buch "Die Moorsoldaten" und wir waren beide sehr glücklich darüber, uns wiederzusehen und auch gemeinsam gegen den Faschismus zu demonstrieren.

Mit großem Interesse und auch mit Wehmut habe ich dann später sein Buch gelesen und erinnerte mich an die Anfänge meiner eigenen politischen Arbeit.

Liebe Frau Baumöller,

es war mir ein Bedürfnis Ihnen meine Berührungen mit Ihrem Mann mitzuteilen, denn ich glaube, sie sind auch eine Bestätigung für sein Fazit: Es war nicht alles für die Katz'!

Ich hoffe, dass es Ihnen gesundheitlich gut geht und wünsche Ihnen die Kraft, in Peters Sinne weiter für eine gute Zukunft der Menschen einzutreten.

Es grüßt Sie herzlich,
DK (Name der Redaktion bekannt)