TERZ 12.11 – AUFKLÄRUNG
In der Rheinischen Post, die laut eigener Unterzeile die "Zeitung für christliche Kultur" ist, stand es schwarz auf weiß: "Düsseldorf, die gottloseste Stadt in NRW". Denn in der Landeshauptstadt leben inzwischen 47% konfessions- bzw. religionsfreie Menschen.
Dieser Umstand und der Wunsch, mehr Licht in die ungute Vermischung von Politik und Religion zu bringen, waren 2009 der Anlass für drei Düsseldorfer Künstlerinnen, den sogenannten "Aufklärungsdienst" zu gründen. An einem geselligen Abend scherzten wir, dass das Pendant zum Gottesdienst wohl der Aufklärungsdienst sein müsse – so kam es zu dem sperrigen Namen und blieb dabei.
Angesichts der Tatsache, dass es über manche religionsbezogene Themen immer noch große Informationsdefizite und sogar gezielte Desinformation gibt – z.B. über die Frage, wer tatsächlich kirchliche Einrichtungen und Aktivitäten finanziert – fanden wir es wichtig, ein religionsunabhängiges Informationsforum zu schaffen. Und natürlich auch einen regelmäßigen Treffpunkt für Säkulare, Humanist_innen, Konfessionsfreie, Religionskritiker_innen und alle Interessierten, um sich auszutauschen, zu diskutieren und sich zu vernetzen. Da säkulare Bündnisse bislang rar und bei weitem nicht so gut (politisch) organisiert sind wie viele religiöse Gruppierungen, fühlen sich viele konfessionsfreie Menschen oft nicht vernünftig vertreten: Kirchen und z.B. auch der Zentralrat der Muslime betreiben hingegen eifrig Lobbyarbeit und setzen zielstrebig ihre Interessen in Politik und Bildung durch – häufig über den Kopf von Konfessionsfreien hinweg.
Dabei wird gerne übersehen, dass letztere inzwischen über ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Hinzu kommen Menschen, die zwar immer noch in einer Kirche sind, aber mit den vertretenen Anschauungen wenig bis gar nichts mehr anfangen können.
Dennoch ist ein Trend zu erkennen, Religionen wieder eine wachsende Rolle in staatlichen Fragen zuzuerkennen: Der Bundespräsident beschwört die nebulösen "jüdisch-christlichen" Wurzeln dieser Nation, Werte sind im öffentlichen Diskurs meistens "christliche Werte", die Kanzlerin schwadronierte jüngst darüber, dass es nicht zu viel Islam, sondern zu wenig Christentum gäbe, der Umweltminister verwandelt den Naturschutz in den Schutz der Schöpfung. Daneben sind die Islamkonferenz, Unterrichtsbefreiung muslimischer Mädchen, Infiltrierung des Biologieunterrichts durch die Schöpfungslehre, Einrichtung von Gebetsräumen an Schulen und Universitäten, Finanzierung von missionarischen Tätigkeiten, religiösen Einrichtungen und Kirchenpersonal durch alle Steuerzahler_innen etc. nur einige weitere Beispiele.
Diesem Trend möchten wir entgegentreten. Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dass Religion und Politik endlich konsequent getrennt werden.
EVA SCHWINGENHEUER
Den meisten Bürger_innen ist unbekannt, dass die Gehälter des hochrangigen Kirchenpersonals nicht aus der Kirchensteuer, sondern aus der allgemeinen Steuer bezahlt werden. D.h. auch Konfessionsfreie, Muslime, Juden, usw. kommen z.B. für das stattliche Salär des Schwulen- und Atheistenhassers Kardinal Meisner auf und dürfen sich zum Dank dafür von ihm regelmäßig beleidigen lassen. Dies ist allerdings nur ein Bruchteil des Geldbergs, den der Staat permanent den Kirchen zahlt. Um hier mehr Aufklärung zu betreiben, sind wir in unserer ersten Veranstaltung der Frage nachgegangen, wie sich die Kirche in Deutschland eigentlich finanziert. Referent und Experte dazu war Dr. Carsten Frerk mit seinem "Violettbuch Kirchenfinanzen" (Alibri Verlag).
Mit dem Karikaturenstreit hat der Blasphemie-Vorwurf eine Art Renaissance erlebt – plötzlich wird überall wieder gefragt: Darf man sich über Religion lustig machen? Darf man religiöse Gefühle verletzen? Wir fragen zurück: Was sind religiöse Gefühle und warum sollte man sich darüber nicht lustig machen dürfen? Stehen religiöse Gefühle über anderen Gefühlen? Wir sagen: Natürlich darf man sich über Religionen lustig machen! Und so war das Thema der 2. Veranstaltung "Religion und Humor". Unser Gast Ralf König kredenzte uns einen heiteren Querschnitt aus seinen zuletzt erschienenen Bibelparodien "Prototyp", "Archetyp" und "Antityp" (Rowohlt).
Mehr als manch einer annimmt, bestimmt die Kirche auch in schulischen Belangen kräftig mit. In welchem Ausmaß genau haben wir in unserem dritten Vortrag "Religion ist kein Unterricht" dargestellt. Unser Referent Rainer Ponitka ist Pressesprecher des Internationalen Bund der Konfessionsfreien und Atheisten (IBKA) und Spezialist für das Thema Religionsunterricht.
Das Kernthema aller Religionen schlechthin ist die Kontrolle der sexuellen Selbstbestimmung. In kaum einen anderen Bereich mischen sich die christlichen, muslimischen und jüdischen Institutionen derart schamlos und penetrant ein, wie in diesen. Ob Homosexualität, Verhütung, Pille, sexuelle Emanzipation oder Abtreibung – ein Mensch, der hier frei entscheidet, steht in den Augen fundamentalistischer Religiöser schon mit einem Bein in der Hölle. Dementsprechend war das Thema unseres vierten Abends: "Das Recht auf Abtreibung" und unsere Referentin Sarah Diehl mit ihrem Film: "Abortion Democracy".
Pünktlich zur Adventszeit am 30. November gab es die 5. Veranstaltung: Unter dem Titel: "Heilige Scheiße" (Bastei Lübbe) fragten die Autor_innen Anne Weiss und Stefan Bonner, ob wir ohne Religionen nicht besser dran wären.
Das offene Treffen an jedem ersten Aufklärungsdienstag im Monat:
Ab 20 Uhr "Im goldenen Ring", (Jägerzimmer), Burgplatz 21, 40213 Düsseldorf
Eingeladen sind stets natürlich auch alle Nicht-Atheist_innen. Veranstaltungsort ist das ZAKK!
Mehr Infos unter:
https://aufklaerungsdienst.de