Beats & Schläge vs. Love & Solidarity

Nach einer Party im „Linken Zentrum“ an der Corneliusstraße gingen Polizeibeamt*innen der Düsseldorfer Polizei mit brutaler Gewalt gegen Besucher*innen des LZ vor. Eine erste Dokumentation.

Unter dem Motto „love and solidarity“ hatte die Gruppe „i furiosi“ für Freitag, den 9. Dezember 2016 zu einer Party ins „Linke Zentrum“ geladen. Der Erlös des Abends mit DJ*anes und fetten Beats sollte an das Rechtshilfekonto Düsseldorf gehen.

Dann aber lief doch alles irgendwie anders: Drei Mal im Laufe der Nacht erschien die Polizei. Die Beamt*innen waren wegen „Ruhestörung“ angerückt. Am Ende eskalierten die Polizist*innen, die in Hundertschaftsstärke am Linken Zentrum aufgelaufen waren, vollkommen hemmungslos, was vermutlich nur sie eine „polizeiliche Maßnahme“ nennen würden. Da war die Party, die ruhestörende, allerdings bereits beendet. Kein Grund, das Pfefferspray nicht zu benutzen? Ach was. Unter den Augen der Kolleg*innen geht alles. Vor allem, wenn es der Beißreflex gegen links ist, der polizeiliches Handeln lenkt. Es bleibt abzuwarten, mit welchen Argumenten die Verantwortlichen im Polizeipräsidium die Recht- und Verhältnismäßigkeit der Polizeiaktion nachträglich herzustellen versuchen werden.

Die TERZ dokumentiert den Bericht des „Sechel-Blog“ zum Ablauf des Polizeieinsatzes am „Linken Zentrum“[1] und die Berichte der Gruppe „i furiosi“ zu den Geschehnissen nach den Ingewahrsamnahmen.

Der Ablauf

Nicht nur aus Düsseldorf reisten Menschen am Abend ins „Linke Zentrum“, um sich einen schönen Abend zu machen. Das Line-Up überzeugte vor allem Fans der elektronischen Musik. Entsprechend wurde ein „basslastiger“ Abend erwartet.

Schon nach rund zwei Stunden tauchte die Polizei zum ersten Mal an der Location auf. Sie fühlten sich offensichtlich aufgefordert, wegen zu hoher Lautstärke einzuschreiten. In Reaktion auf diesen ersten Besuch der Polizei wurde die beanstandete Musik leiser gedreht, die Bässe wurden abgemildert. Rund zwei Stunden später erschienen erneut Polizist*innen, erneut aus gleichem Grunde. Drei Uhr war es da in etwa. Kurze Zeit später sollte die Polizei das dritte Mal eintreffen. Dieses Mal mit reichlich Verstärkung und in der Absicht, die Party zu beenden.

Gäste der Party schilderten, dass die Musik zu diesem Zeitpunkt bereits fast nicht mehr zu hören gewesen sei, in der Halle habe man sich in normaler Lautstärke unterhalten können. Ein Schild am Hinterausgang der linken Lokalität wies zudem darauf hin, dass eben diese Tür nur im Notfall zu öffnen sei, um zu vermeiden, dass der Schall der Bässe in den Hinterhof hinausgeweht würde. So wurde die Tür über den ganzen Abend hinweg kein einziges Mal geöffnet, um (wie zu anderen Anlässen auch) die Geräuschkulisse für die Anwohner*innen so leise wie möglich zu halten.

Mit Eintreffen der Polizei war die Party allerdings bereits beendet. Die Gäste begaben sich langsam hinaus. Eine Polizistin verhielt sich zunächst deeskalativ, machte aber zugleich bestimmt Druck. In Gesprächen zwischen den Veranstalter*innen und der Beamtin wurde erläutert, dass der Laden noch aufgeräumt werden müsse. Die Polizeibeamtin schien zu verstehen, gab positives Feedback: fünf Leute dürften zum Aufräumen bleiben, hieß es.

Währenddessen standen viele Polizeieinheiten im Hinterhof. Und plötzlich änderte sich die Strategie des Einsatzes offenbar. Ein älterer Beamter ging hinein. Aggressiv und aufbrausend forderte er die Gäste auf, den Laden unverzüglich zu verlassen. Die meisten suchten gerade noch Jacken und Taschen zusammen, ohnehin waren kaum noch Menschen da. Es kam zu verbalen Auseinandersetzungen, noch anwesende Gäste filmten die Geschehnisse, wurden daraufhin die Treppe des „Linken Zentrums“ hinuntergeschubst. Ein Handgemenge folgte, in der die Polizei mehrere Gäste brutal zu Boden schmetterte, andere teilweise mit Hunden durch die Straßen jagte. Aus dem Laden heraus sprühten Beamte Pfefferspray auf die Gäste, die kurz zuvor das Gebäude auf Anweisung der Polizei verlassen hatten.

Am Morgen stand schließlich fest: Es gab sechs Festnahmen, dutzende verletzte Gäste und große Irritation über die Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes.

„Polizeiwillkür, das trifft vielleicht auf 1945 zu“

Es war etwa 5.30 Uhr, als noch immer fast 50 Polizist*innen und 20 Polizeiwagen auf der Corneliusstraße standen. Mittlerweile waren auch Gäste des Festes zurückgekommen, die die Party schon vor der Eskalation verlassen hatten. Sie diskutierten mit der Polizei, beklagten Verletzte und die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes. Im Gespräch fiel oft das Wort „Polizeiwillkür“. Da schaltete sich ein Hundertschaftsbeamter ein. Er sagte: Polizeiwillkür, die treffe vielleicht „auf 1945“ zu. Ein Kommentar, der erahnen lässt wie es um die politische Bildung von einigen Polizist*innen steht.

Kurzerhand wurde das „Linke Zentrum“ zum Tatort klärt, die Spurensicherung wurde angefordert. Beamt*innen versperrten reihenweise den Eingang. Ein Vorgang, wie es ihn in diesen Ausmaßen bislang im LZ noch nicht gegeben hat, wie die Veranstalter*innen festhielten. Sogar die Spurensicherung rückte zum Einsatz an: Denn eine Flasche sei geflogen, hieß es. Doch weder auf der Corneliusstraße noch im Hinterhof oder im „Linken Zentrum“ waren Glassplitter zu finden. Auch die Spurensicherung fand keine Hinweise. Als der Rechtsanwalt Jasper Prigge eintraf, zog sich die Polizei zurück. Einsatz beendet. Gegenüber „Sechel“ sagte Prigge über den Polizeieinsatz: „Der Einsatz ist der Düsseldorfer Polizei offenbar völlig entglitten. Ruhestörung war der Anlass, mehrere Verletzte das Ergebnis. Diese Vorgehensweise halte ich für unverhältnismäßig.“

Danach verschafften sich die LZ-Besucher*innen einen Überblick darüber, wer in Gewahrsam genommen worden war. Einige Menschen entschlossen sich, zum Polizeipräsidium zu gehen und dort auf die Freilassung zu warten. Bis 10 Uhr dauerte es, als auch die letzte festgenommene Person die Gefangenensammelstelle am Polizeipräsidium verlassen konnte. Einzeln berichteten sie über die Maßnahmen, die die Düsseldorfer Polizei ihnen gegenüber durchzusetzen bereit war. Die erste Person beklagte mehrere Schläge ins Gesicht, erläuterte dazu, dass sie sich permanent mit Handschellen gefesselt in der Zelle befunden habe, ohne eine Möglichkeit zu bekommen zu trinken. Als sie aus der Gefangenensammelstelle entlassen wurde, sagte ihr die Polizistin, die ihr zuvor mehrfach ins Gesicht geschlagen hatte: „Und am Ende gewinnen immer wir!“ Später fuhr die Beamtin mit einem Streifenwagen vorbei und winkte ihr, lächelnd.

Als die zweite Person heraus kam, wurde das ganze Ausmaß der Polizeigewalt deutlich. Der „Sechel“-Redaktion liegen Bilder vor, die ein völlig demoliertes Auge zeigen. In der Zeit, in der sich der derart Verletzte in Gewahrsam befand, verwehrte ihm die Polizei vier Stunden lang den Zugang zu einem Arzt. Als dann ein Polizei-Arzt endlich die Verletzung untersuchte, riet dieser dazu, schnellstmöglich eine Augenklinik aufzusuchen. Die vierte Person berichtete, dass sie in einen Gefangenentransporter gesteckt wurde, in dem noch Erbrochenes von einem vorherigen Einsatz lag.

Um 07.20 Uhr machte die Gruppe „i furiosi“ auf die Geschehnisse der Nacht aufmerksam. Auf Facebook veröffentlichte sie ein erstes kurzes Statement: „gewalttätiger“, so „i furiosi“, „hätte man eine Party kaum beenden können“.


Übergriffe nach dem Einsatz

6 Personen wurden in der Nacht vom 9.12.2016 durch die Polizei bei ihrem vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Einsatz im „Linken Zentrum“ in Gewahrsam genommen. „i furiosi“ dokumentiert hier die Berichte der Betroffenen von rechtswidrigen Übergriffen der Polizeibeamt*innen während der Festnahmen bzw. auf dem Polizeipräsidium am Jürgensplatz.[2]

Ein Fotojournalist, der unter den letzten Gästen war, entschied sich, den Polizeieinsatz im LZ zu dokumentieren. Er wies sich dazu laut und deutlich mit seinem Presseausweis aus und hielt diesen in die Höhe. Die bis dahin noch recht entspannte Lage eskalierte, als ein Polizeibeamter versuchte, ihn mit Gewalt daran zu hindern und den Fotografen zu Boden warf. Der Journalist wurde auf das Polizeipräsidium verbracht.

Ein weiterer Besucher, der gegen die willkürliche Festnahme des Journalisten protestierte, wurde ebenfalls festgenommen. Auf der Wache musste er sich im Beisein weiblicher Beamtinnen, die die Szene offenbar aus Langeweile beobachteten, zur Durchsuchung entkleiden.

Eine weitere Besucherin versuchte diese Szene [am „Linken Zentrum“] per Handyvideo festzuhalten. Auch dies wurde seitens der Polizei unterbunden. Die junge Frau wurde ebenfalls in Gewahrsam genommen und auf die Wache verbracht. Auf der Wache wurde sie mit den Händen am Boden gefesselt und zwangsweise entkleidet, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, dies selbst zu tun.

Einem weiteren Besucher gegenüber wurde die Polizei gewalttätig, er trug mehrere sichtbare Verletzungen im Gesicht davon. Trotz mehrfacher Bitten um einen Arzt wurde er erst nach 4 Stunden nach der Ingewahrsamnahme einem Polizeiarzt vorgestellt.

Das massive Erscheinen der Polizei und die Eskalation der Situation durch das gewaltsame Eingreifen der Polizei führten dazu, dass die letzten Gäste – wie auch von der Polizei gewollt – die Räumlichkeiten und den dazugehörigen Hinterhof teils fluchtartig verließen. Statt nur die Leute einfach nach Hause gehen zu lassen, wurden mindestens fünf der Gäste regelrecht durch den Stadtteil gejagt. Zwei Gäste berichten, dass dabei in der Nähe des Fürstenplatzes die eigens eingesetzten Polizeihunde von der Leine gelassen worden sind. Dieses Verhalten der Einsatzkräfte stellte nicht nur eine Gefährdung für unsere Gäste, sondern auch für völlig unbeteiligte Passant*innen dar.

Eine weitere Person geriet vollkommen zufällig in die Hände einer offenbar nur noch auf Krawall gebürsteten Polizei. Sie war gar nicht auf der Party gewesen und wollte etwa eine Stunde nach dem Erscheinen der Polizei im Hinterhof ihr Fahrrad auf der Corneliusstraße abschließen. Die vor dem Tor auf das Ende des Einsatzes wartenden Einsatzkräfte forderten sie ruppig und ohne Angabe von Gründen zur Personalien- und Alkoholkontrolle auf. Obwohl der Alkoholtest unter dem Grenzwert lag, entschied die Polizei, die junge Frau mit zu einer Blutentnahme auf die Wache zu nehmen. Obwohl die Betroffene mehrfach einwandte, weder betrunken noch involviert zu sein, wurde sie in Handschellen mit zur Wache genommen – wiederum ohne Angabe von Gründen. Dort sollte sie sich zur Durchsuchung entkleiden, was sie verweigerte. In Folge wurde sie am Boden sitzend gefesselt und bis auf die Unterwäsche unter Zwang im Beisein eines männlichen Beamten entkleidet, wobei auch der BH der Betroffenen von einer Beamtin zerrissen wurde. Auf ihren Protest gegen diese unerklärliche und entwürdigende Maßnahme schlug die Beamtin der Betroffenen, die mit den Händen hinterrücks am Boden fixiert war, mehrfach und unter Androhung weitere Gewalt mehrmals mit der flachen Hand ins Gesicht, um sie zum Schweigen zu bringen. Die Betroffene wurde gegen 8.00 Uhr aus dem PP entlassen – ohne, dass der angeblich notwendige Bluttest auf Alkohol durchgeführt worden war.

Nachdem unsere Party „LOVE & SOLIDARITY“ eigentlich dem Rechtshilfekonto zu Gute kommen sollte, braucht die Rechtshilfegruppe Düsseldorf nach der Party noch mehr Unterstützung:

Spendet an das Rechtshilfekonto:
Stadtsparkasse Düsseldorf
IBAN: D E 89 3005 0110 0063 0076 78
Stichwort: Party

Die TERZ wünscht Allen gute Erholung von den Ereignissen!

Solidarisch zusammenstehen gegen Polizeigewalt! / #ACAB

[1]  Den Kurzbericht veröffentlichte der „Sechel“-Blog bereits am Vormittag des 10.12.2016 unter http://www.sechel.it/i-furiosi-polizei-eskalation-party-linkes-zentrum/. Bei dem hier dokumentierten Text handelt es sich um eine leicht gekürzte und aktualisierte Version des Artikels des „Sechel“-Autors Robin Dullinge.
[2]  „Nach dem Einsatz wegen Ruhestörung am LZ: Übergriffigkeiten gegenüber den Festgenommenen“. Berichte der Betroffenen, dokumentiert von „i furiosi“ (16.12.2016) unter http://ifuriosi.org