PutzfrauenPower: Zingsheim knickt ein

Die Kampagne PutzfrauenPower hat einen ersten beeindruckenden Sieg erzielt. Der Hotel-Putz-Baron Karly Zingsheim gestand im Januar 2017 seine vollumfängliche Niederlage gegen Silermone N. ein. Die Firma Zingsheim Hotel-Service GmbH erklärte sich nach monatelangem Gerichts-Hickhack und öffentlichen Protesten bereit, sämtliche Forderungen der brasilianischen Putzfrau zu erfüllen. Silermone N. erhält für fünf Monate Arbeit über 6.000,- Euro an geraubtem Lohn zurück. Sie hatte zwischen März und September 2015 im Düsseldorfer Nobel-Hotel InterConti unter extremem Arbeitsdruck Zimmer gereinigt.

Der Unternehmer

Zingsheim unterläuft in Düsseldorf wie an anderen Standorten in Deutschland offenbar systematisch den branchenüblichen Mindestlohn, indem das Management Soll-Vorgaben an zu reinigenden Zimmer macht, die nicht zu schaffen sind und anfallende Überstunden dann nicht korrekt bezahlt. Wer in der regulären Arbeitszeit nicht fertig wird, ist selbst schuld und darf nachsitzen. Laut übereinstimmenden Zeug*innenaussagen am Arbeitsgericht Düsseldorf waren im InterConti unkorrekt ausgefüllte, frisierte bis gefälschte Stundenzettel üblich, die oftmals von den Putzkräften blanko unterschrieben und von Vorgesetzten mit Phantasie-Angaben befüllt wurden.

Betrug in großem Stil

So dürfte die Reinigungs-Firma Zingsheim Hotel Service GmbH (ZHS) in den vergangenen Jahren mehrere hunderttausend Euro an Lohn abgezweigt und als Profit verbucht haben. Der ZHS-Boss Karly Zingsheim, ein passionierter Pony-Züchter aus Blankenheim in der Voreifel, ist an ca. 30 Standorten in Deutschland für diverse Hotels in Frankfurt, Trier, Dresden, Dortmund, Düsseldorf, Tübingen aktiv und wird von Hotel-Ketten wie RadissonBlu, Maritim, Pullman, Dorint beauftragt. Er dürfte nach vorsichtigen Schätzungen zwischen 300 bis 500 Beschäftigte kommandieren, so dass über die Jahre grob geschätzt ein Millionenbetrag an geraubtem Lohn und nicht gezahlten Steuern und Sozialabgaben zusammenkommen kann. Der erste uns bekannte Fall nach der oben beschriebenen Methode datiert auf das Jahr 2012. Wie lange das System Zingsheim schon währt ist im Detail unbekannt.

Der Erfolg ist in diesem Fall vor allem auf drei Faktoren zurück zu führen:

Beharrliches wie geschicktes Organizing von Silermone N. Sie knüpfte Kontakte und sammelte Informationen unter ehemaligen InterConti- und ZHS-Putzkräften, die als Zeug*innen auftraten, Informationen weiter gaben und sich an Protesten beteiligten. Silermone ermutigte ihre Kolleginnen und Kollegen, ebenfalls zu klagen und begleitete sie zu Anwält*innen und Prozessen, ferner stellte sie Kontakte zur Presse her. So entstand ein Netzwerk, dass sich langsam ausbreitet und auch über ihren eigenen Fall hinaus aktiv bleiben wird.

Öffentlichkeitsarbeit, Prozessbegleitung und bunte Proteste der aktion./.arbeitsunrecht, koordiniert von Jessica Reisner, in Zusammenarbeit mit Silermone, der IG BAU und der rumänischen Bildungsreferentin des Verein „Arbeit und Leben“, Catalina Guia.

Dazu kommt noch eine kompetente Rechtsvertretung durch den Mönchengladbacher Arbeitsrechtler Thomas Mössinger.

Das Beispiel zeigt: Widerstand ist möglich und zahlt sich am Ende manchmal sogar in barer Münze aus. Silermone, ihr Mann und ihre kleine Tochter freuen sich jetzt auf eine Reise zu den Großeltern nach Brasilien, die sie dank des gewonnenen Kampfes nun guten Gewissens buchen können.

Geld aber keine Gerechtigkeit

Dennoch ist das Ergebnis nicht zu verwechseln mit der Herstellung von Gerechtigkeit und demokratischen Verhältnissen in der Hotel-Reinigung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der gerichtsnotorische Zingsheim die 6.000,- Euro aus der Porto-Kasse zahlt, um in Ruhe genauso weiterzumachen wie bisher. Und auch das InterConti wird wahrscheinlich so weitermachen wie bisher, wenn das Nobel-Hotel nicht durch öffentlichen Druck und gewerkschaftliche Aktionen gezwungen wird, faire Arbeitsbedingungen zu garantieren.

Die 11. Kammer des Düsseldorfer Arbeitsgerichts unter der Vorsitzenden Richterin Anja Keil stellte sich im Verlauf des Verfahrens eher als Hemmschuh heraus. Ob deren Urteil am Ende positiv ausgefallen wäre, schien nach dem letzten Verhandlungstag mehr als fraglich. Die Richterin verspielte die Chance, hier ein kriminelles System anhand von Zeug*innenaussagen aufzudecken und zu durchleuchten. Stattdessen lief sie Gefahr, den offensichtlich abgesprochenen Zeug*innen-Aussagen eines ganzen Aufgebots von Günstlingen aus der Zingsheim-Belegschaft auf den Leim zu gehen, die von dem Putz-Baron und seinem dubiosen Sub-Unternehmer MACOC im Gerichtsflur gebrieft wurden.

Der Staat schaut weg

Besonders empörend ist bis zum heutigen Tag das komplette Versagen von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung, die trotz verschiedener, sehr konkreter Hinweise von Betroffenen bislang nicht gegen Zingsheim vorgegangen sind. Schließlich geht es hier nicht nur um einen massiven, systematischen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz, sondern daraus folgend auch um die Hinterziehung von Lohnsteuern und Sozialabgaben. Wenn der deutsche Staat sich schon nicht um die Herstellung von Recht und Gesetz in der Arbeitswelt schert, so sollte er doch wenigstens seine finanziellen Interessen im Blick haben.

Demvon Zingsheim praktizierten System ließe sich zunächst einmal ganz einfach auf die Schliche kommen, indem man sämtliche Arbeitsgerichtsprozesse mit Beteiligung von ZHS und dessen Sub-Unternehmen MACOC in NRW und andern Bundesländern sammelt und auswertet. Dann müssten die Schlüssellisten der betoffenen Hotels mit den mutmaßlich gefälschen Stundenzetteln von Zingsheim und Lohnabrechnungen verglichen werden. Hier prophezeien wir große Differenzen. Durch demonstrative Untätigkeit und Nicht-Wissen-Wollen ermutigen Behörden und Gerichte zum Rechtnihilismus oder leisten gar aktive Beihilfe.

Gefeuert wegen Solidarität

Der nächste Fall läuft bereits: Silermones Kollege Vicente M. hat ab November 2015 im InterConti geputzt. Vicente hat brasilianische und spanische Wurzeln, er kam nach dem Zusammenbruch der spanischen Wirtschaft nach Deutschland, fand aber in seinem gelernten Beruf als Elektriker keine Arbeit. Vicente wurde nach Protesten der aktion./.arbeitsunrecht vor dem InterConti gefeuert, weil er sich mit Silermone solidarisierte. Er fordert nun über 4.500,- Euro an geraubtem Lohn zurück und klagt gegen seine formell fehlerhafte Kündigung. Hier spielt die zermürbende Langsamkeit der Arbeitsgerichte einmal nicht dem Unternehmen in die Karten. Wenn Vicentes Kündigung sich als fehlerhaft herausstellt, wovon wir dringend ausgehen, muss der Sub-Unternehmer MACOC für jeden verstrichenen Monat rund 1.600,- Euro blechen. Bis zum nächsten Termin - voraussichtlich am 9. März 2017, Arbeitsgericht Düsseldorf - wären das zehn Monate.

ELMAR WIGAND

Die aktion./.arbeitsunrecht ruft für den nächsten Prozess-Termin zur Solidarität mit Vicente auf. Es sind Proteste gegen das Interconti Düsseldorf geplant. Infos, genaue Termine und Newsletter-Abo der Kampagne PutzfrauenPower unter: http://aktion.arbeitsunrecht.de/de/Putzen