Antifaschistische Aktivitäten
und
Neues aus der Naziszene

Kurzberichte zusammengestellt von Pierre Briegert

Lemmer auf Wahltour

Wie bereits in der Oktober-Ausgabe der TERZ berichtet, hat sich der Düsseldorfer Rechtsrock-Manager und Sonnenstudioinhaber Torsten Lemmer als Kandidat für die Wahl zur Vollversammlung der "Industrie und Handelskammer" (IHK) aufstellen lassen. Offensichtlich verspricht sich Lemmer eine Menge von seiner Wahl, ließ er doch nichts ungetan, um seine potentiellen WählerInnen von seinen "Qualitäten" zu überzeugen. Ausgestattet mit einer Liste aller nicht ins Handelsregister eingetragenen Unternehmen im IHK-Wahlbezirk Düsseldorf, die ihm die IHK zur Verfügung gestellt hatte, nicht ohne sie vorher freundlicherweise nach Straßenzügen zu sortieren, einem Wahlkampftransporter und einem schlag- und wortgewandten Team, ging Lemmer auf Wahltour. Sein Wahlteam konnte sich sehen lassen: Neben einigen Bodyguards bestand es u.a. aus dem Stadtratsmitglied der REPS, Jürgen Krüger, und dem ehemaligen Vorsitzenden der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) Hamburg und heutigem Betreiber des Düsseldorfer Regionalanschlusses des "Nationalen Infotelefons Hamburg", Jan Zobel. Das braune Team besuchte eine stattliche Zahl von Kleinunternehmen und verteilte Flugblätter mit Forderungen, die offensichtlich zu gefallen wußten: Die Kleinunternehmer als "Rückgrad des Düsseldorfer Wirtschaftslebens" müßten mehr Gehör finden, betriebsnahe Parkplätze für Unternehmer geschaffen, 630-DM-Jobs und Kleinselbstständigkeit geschützt und Schwarzarbeit bekämpft werden. Das hören viele Düsseldorfer KleinunternehmerInnen gerne und lassen sich leicht bewegen, ihr Kreuz an die gewünschte Stelle zu machen, zumal Lemmer wohl der einzige Unternehmer seiner Wahlgruppe war, der sich die Mühe machte, seine potentielle WählerInnen zu besuchen. Allerdings schaffte der braune Thorsten sein Wahlziel nicht. Und was sagt die IHK dazu? Sie schafft es noch nicht einmal, einen Nazi als Nazi zu bezeichnen und sich von diesem zu distanzieren. "Da kann man nichts machen" und "Sie können sich ja denken, was wir von dieser Kandidatur halten", war alles, was dem aufgebrachten Anrufer gegenüber an eigener Positionierung offenbart wurde. Damit hatten sie sich fast einen stadtbekannten Fascho ins Haus geholt.

Mordversuch an Antifaschisten ohne Folgen

Für den 19.9.1998 mobilisierten NPD und JN als Höhepunkt ihres Bundestagswahlkampfes zu einer Großdemonstration nach Rostock. Während die ca. 4.000-köpfige Demonstration noch in Aufstellung begriffen war, griffen Neonazis ein nur schwach besetztes Informationszelt von Rostocker AntifaschistInnen an. Der Antifaschist Holger S. aus dem Wendland, der gemeinsam mit weiteren Leuten zu Hilfe eilte, wurde auf dem Weg von der antifaschistischen Demo zum Infozelt von einem Nazi absichtlich mit einem Auto angefahren und lebensgefährlich verletzt. Der Täter Marc W. aus Lengerich (Westfalen) floh, stellte sich später aber der Polizei. Nach einem wochenlangen Koma kämpft Holger bis heute mit seinen Verletzungen und wird sich auf unabsehbare Zeit Rehabilitationsmaßnahmen unterziehen müssen. Nachdem der Mordkommission in Rostock das Verfahren entzogen worden war, obwohl noch nicht einmal Gutachten und ZeugInnenaussagen vorlagen, ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft von da an nur noch wegen der Verursachung eines Verkehrsunfalls und Körperverletzung. Die politischen Hintergründe wurden zudem komplett ausgeblendet. Nun droht sogar eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 DM. Das Jugendschöffengericht Ibbenbüren lehnte eine Übernahme des Verfahrens vom zur Zeit zuständigen Jugendrichter am Amtsgericht Tecklenburg ab und empfahl eine Einstellung gegen Auflagen. Angeblich träfe Holger eine Mitschuld an dem "Unfall". Der Fahrer sei in Panik geraten, habe sich bedroht gefühlt und sei auch wegen seiner geringen Fahrpraxis nicht in der Lage gewesen, auszuweichen. Die Realität sieht anders aus: Bevor Marc W. beschleunigend auf sein Opfer zuraste und ihn mit 80 km/h frontal und ungebremst anfuhr, hatte er -, wie er es in speziellen Fahrerlehrgängen gelernt hatte, - sein Auto nahezu im Stand gewendet und dann mit quietschenden Reifen Gas gegeben. Wie mehrere ZeugInnen bestätigten, hatte Holger keine Chance gehabt, sich in Sicherheit zu bringen.
Der Vorfall fügt sich nahtlos in die Tendenz einer zunehmenden Verharmlosung und Entpolitisierung rechter Gewalt ein. Der Mordversuch an Holger ist nur eines von vielen Beispielen dafür, daß Opfern immer häufiger eine Mitschuld zugewiesen oder gar als Ursache für rechte Gewalt ausgemacht werden. Der Umgang mit dem Mordversuch ist symptomatisch für ein politisches Klima, das u.a. durch Entsolidarisierung, Rassismus, Ausgrenzung unerwünschter bzw. nicht verwertbarer Personengruppen und nationalem Größenwahn gekennzeichnet ist. Um auf diese Zusammenhänge hinzuweisen, rufen WiWa Wendland, das Ya Basta!-Netz und das Münsteraner Bündnis gegen Rechts als ErstunterzeichnerInnen für den 20.11.99 zu einer Demonstration nach Münster/Westfalen auf. Motto: "Gegen den rassistischen Normalzustand! Für eine offene Gesellschaft, die ohne Sexismus, Rassismus, Faschismus und nationalem Wahn auskommt! Grenzen auf für alle!" Start der Demo ist 13.00 Uhr auf dem Hindenburgplatz. Der Demoaufruf ist unter https://nadir.org/aktuell zu finden. Ob es eine gemeinsame Anreise von Düsseldorf aus gibt, stand zu Redaktionsschluß noch nicht fest. Nähere Infos hierzu können beim ANTIFA-KOK unter Tel.: 0172 / 211 13 11 in Erfahrung gebracht werden.

Nazi-Demo am 6.11. in Göttingen

"Gegen linken Terror und Justizwillkür" wollen NPD/JN, "Freie Kameradschaften" und "Blood & Honour"-Strukturen am 6. November in Göttingen auf die Straße gehen. Die bundesweite Mobilisierung der Nazis läuft bereits seit mehreren Wochen, so daß mit einer TeilnehmerInnenzahl von mindestens 1.000 gerechnet werden muß. Auch die "Kameradschaft Düsseldorf" hat ihr Erscheinen angekündigt. Göttinger AntifaschistInnen rufen bundesweit unter dem Motto "Faschisten bekämpfen! zusammen. auf allen Ebenen. mit allen Mitteln." dazu auf, den Naziaufmarsch zu verhindern. Geplant ist eine Blockade und eine Demonstration. Alle AntifaschistInnen werden aufgerufen, um 9.00 Uhr in Göttingen zu sein. Nähere Infos unter https://nadir.org/nadir/initiativ/aam

Die extreme Rechte in Osteuropa

Informationsveranstaltung:

Weniger als zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes drohen Kräfte der extremen Rechten diese Region mit ethnischen, rassistischen und nationalistischen Konflikten in Flammen zu setzen. Faschistische Wahlparteien haben den Weg in die Parlamente gefunden, Nazi-Skinheads mit weitreichenden Kontakten zu ihresgleichen im Westen schossen wie Pilze aus dem Boden etc.. Für viele Menschen im Westen sind diese Veränderungen nur mit großen Schwierigkeiten nachzuvollziehen. Von Wladimir Schirinowsky haben schon viele etwas gehört; wie aber sieht es mit anderen Kräften der extremen Rechten und offen auftretenden Nazis in Rußland, Ungarn, Polen, Rumänien, Tschechien und in anderen osteuropäischen Ländern aus?
Es besteht die Gefahr, daß die Situation außer Kontrolle gerät. Die extreme Rechte und ihre Ideologie gewannen durch die wirtschaftliche Krise und die Enttäuschung über die neue kapitalistische Ordnung an Einfluß, oftmals kombiniert mit einer Nostalgie für ein autoritäres nationalistisches und stalinistisches Regime. Verbunden mit einer wiederbelebten antisemitischen Tradition und einem immer stärker werdenden Rassismus stellt die Situation schon heute eine hochexplosive Mischung dar.
Neben einer Darstellung der Situation in den osteuropäischen Ländern soll in der Veranstaltung auch der Frage nach den Ursachen für diese Entwicklung nachgegangen werden.
Der Referent Graeme Atkinson, Mitherausgeber und Europa-Korrespondent des internationalen antifaschistischen Magazins "Searchlight" (London), bereiste die osteuropäischen Staaten und baute dort Kontakte zu und zwischen AntifaschistInnen aus Polen, Tschechien und der ehemaligen UdSSR auf.
Veranstalter: ANTIFA-Arbeitskreis an der FH Düsseldorf, ANTIFA-KOK Düsseldorf/Umland, Arbeitsstelle Neonazismus FH Düsseldorf, AStA FH Düsseldorf
Mi., 24.11, Bürgerhaus Bilk ("Salzmannbau"), Himmelgeisterstr. 107, 20h

Gut geschützt in's "4. Reich"

Trotz massiver Proteste ist es der NPD/JN in ihrem zweiten Anlauf am 2.10. gelungen, in Köln aufzumarschieren. Nachdem der erste Anlauf am 22.5. gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht an antifaschistischen Gegenaktionen gescheitert war, gingen NPD, JN, "Freie Kameradschaften" und der "Kampfbund Deutscher Sozialisten" vier Monate nach ihrer Pleite gegen "Integration und Doppelpaß" auf die Straße. 500-600 Nazis folgten dem Aufruf, darunter ca. 30 aus Düsseldorf und dem Kreis Mettmann. Wie üblich betätigte sich der Düsseldorfer "Kameradschaftsführer" Sven Skoda als Ordner. Ca. die Hälfte der DemonstrationsteilnehmerInnen reisten aus anderen Bundesländern an, darunter ca. 100 norddeutsche "Kameraden" sowie Nazis aus dem Saarland, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Auch aus den Niederlanden nahm eine ca. 15-köpfige Gruppe unter der Leitung von Constant Kusters teil. Ein riesiges und bestens ausgerüstetes Polizeiaufgebot erstickte nahezu alle Versuche der Behinderung der Nazidemo im Keim. Das gesamte Kölner Kunibertsviertel war hermetisch abgeriegelt und mit Gittern, Räumpanzern und Sondereinsatzkommandos zusätzlich gesichert. Selbst vom Einkauf zurückkommenden AnwohnerInnen gelang es nicht, zu ihren Wohnungen zu gelangen. Ungewohnt dürftig fielen bei diesem Schutz auch die Verluste der Nazis aus. Ein demolierter Reisebus aus dem Saarland und einige für die Nazis sehr ungünstig verlaufende Begegnungen bei der An- und Abreise zeugten aber dennoch davon, daß viele "Kameraden" ohne Polizeischutz noch weit von den "kämpferischen Qualitäten" ihrer Idole von der Waffen-SS entfernt sind. Im Gegensatz zu bisherigen Naziaufmärschen reisten im übrigen auffällig viele Nazis mit dem Zug, darunter viele Nazihools aus dem Ruhrgebiet, insbesondere aus Essen und Duisburg. Ca. 300 Nazis wurden nach Demonstrationsschluß en bloc im Polizeispalier in den Kölner Hauptbahnhof geleitet und zum Schrecken unbeteiligter Bahnreisender in den NRW-Express Richtung Ruhrgebiet und Ostwestfalen gesetzt. Alles in allem hat der 2.10. in Köln wieder einmal deutlich gezeigt, daß bei einem derartig großen und die Nazis mit allen Mitteln beschützenden Polizeiaufgebot wenig zu machen ist. Vielleicht wäre es deshalb sinnvoller gewesen, ab dem Zeitpunkt, als dies klar wurde, auf eigene Aktionen umzuorientieren, anstatt gegen einen übermächtigen Polizeiapparat anzulaufen und sich blutige Köpfe zu holen. Aber so etwas sagt sich hinterher immer einfacher, als es in der konkreten Situation umzusetzen gewesen wäre. Trotz allem ein Kompliment an die Kölner-Innen, die sich durch zwei Naziaufmärsche, mehrere Nazikundgebungen und diverse EU-Gipfeln in den letzten Monaten nicht haben kleinkriegen lassen und in der Offensive geblieben sind.

Naziveranstaltung in Düsseldorf

Bereits am 18.9. fand in einer Kneipe in Düsseldorf-Hamm ein konspirativ organisiertes landesweites Treffen militanter Neonazis statt. Erschienen waren 76 Personen aus dem Spektrum der "Freien Kameradschaften", die sich zum Zwecke der besseren NRW-weiten Vernetzung in unregelmäßigen Abständen in wechselnden NRW-Städten treffen. Bereits im Frühjahr 1998 hatte eines dieser Treffen in einer Gaststätte auf der Ulmenstraße in unmittelbarer Nähe der Polizeiwache Tannenstraße stattgefunden. Schon damals hatte es die "Ordnungshüter" nicht gestört, daß volksverhetzende Reden gehalten und mehrmals der Hitlergruß gezeigt wurde. So auch dieses Mal. Gastgeber war die "Kameradschaft Düsseldorf" um Sven Skoda, der auch die Anwesenden aus Ostwestfalen, dem Bonn/Rhein-Sieg-Kreis, Köln, dem Ruhrgebiet, dem Sauer- und Siegerland und aus anderen Städten begrüßte. Als Redner waren der Nazi-Kader Michael Swierczek aus Bayern sowie die niederländischen Naziführer Constant Kusters und Joop Glimmerveen nach Düsseldorf gereist. Wenngleich derartige Treffen keine Außenwirkung haben, so sind sie dennoch von großer Wichtigkeit für den Zusammenhalt der Szene, für Austausch, Absprachen und Kontaktpflege.