TERZ 04.16 – LAUSIGE ZEITEN
Die DKP Gerresheim setzt sich dafür ein, dass sechs Quadratmeter Fußbodenfliesen nicht durch „Modernisierung“ wegsaniert werden, sondern als „Quelle“ erhalten werden. Die Fliesen in den gescheckten Farben grau und gelb sind 15x15 cm groß und bedecken im Eingangsbereich des „Heyebades“ eine kleine Fläche von 4x1,50 m.
Dieser Fußbodenbereich ist – abgesehen vom Mauerwerk – der einzige steinerne Originalzeuge aus der Frühzeit des „Heyebades“. Die Einrichtung in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Gerresheimer Glashütte hatte der Firmeninhaber veranlasst, weil seine Werkswohnungen keinerlei sanitäre Einrichtungen enthielten. Säubern durften sich die Glasmacher und ihre Familien im „Heyebad“, streng getrennt nach Männern und Frauen. Dafür gab es sogar Badewannen. Im Keller stand der Kohleofen, der das Wasser erhitzte. Nach dem 2. Weltkrieg war Willy Ploogmakers aus der „Neustadt“ dort Heizer. Bis Anfang der 70er Jahre wurde das Bad genutzt. Wie Walter Malzkorn, der die „Anstalt“ seit Kindertagen kennt, berichtete, machte „der alte Heye“ aus der scheinbaren sozialen Wohltat ein Geschäft: Er kassierte für das Baden.
Jetzt ist das „Heyebad“ eine städtische Jugendfreizeiteinrichtung. Die jungen Besucher sind international, die Sozialpädagogen sehr engagiert im Einsatz mit einem breiten Programm.
Vor dem Eingang gibt es eine Tafel, angebracht auf Antrag der DKP, mit der Inschrift „Zu Ehren der Opfer des Naziregimes 1933 bis 1945“. Warum die Tafel genau an diesem Gebäude angebracht wurde, ist allerdings nicht zu erkennen. Ebenso unbekannt bleibt, dass sie Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen war, denn selbst der pauschale Text der Platte ging ihren Gegnern zu weit. Erinnerung an den Naziterror und insbesondere Erinnerung an den kommunistischen Widerstand waren nicht erwünscht.
Die Wahlergebnisse vor 1933 gingen in den Wahllokalen rund um die Glashütte für die KPD hoch bis auf mehr als 70 Prozent. Die tiefe Verankerung der Partei in der Bevölkerung zeigte sich auch noch nach dem 28. Februar 1933, als mit der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ die KPD und der Kommunistische Jugendverband (KJVD) von den Nazis massiv verfolgt wurden: Obwohl klar war, dass kein einziger Kommunist nach den Reichstagswahlen am 5. März 1933 in den Reichstag einziehen durfte, bekam die KPD in Düsseldorf noch 72.000 Stimmen.
Mit der „Razzia von Gerresheim“ übten die Nazis am 5. Mai 1933 brutale Rache für diesen Protest: Mehrere 1000 Männer von SA und SS, von Polizei und anderen Hilfsverbänden bildeten einen Kessel in Untergerresheim, durchsuchten Haus für Haus die Arbeiterwohnungen und verhafteten die Kommunisten, derer sie noch habhaft werden konnten. Zentrale der Nazis für diese Aktion war das „Heyebad“, wo die Stiefel von SA und SS über den Fliesenfußboden knallten. Von hier wurden die Verhafteten in einem „Marsch der Schande“ zur Gestapo-Leitstelle in die Düsseldorfer Innenstadt getrieben.
Die DKP regte nun an , dass diese Funktion der „Badeanstalt“ in einer kleinen „Topografie des Terrors“ dargestellt werden soll. Die grauen und gelben Fliesen sind die steinernen Zeugen aus dieser Zeit. Die Stadtverwaltung sicherte zwischenzeitlich zu: „Die Fliesen aus der ursprünglichen Zeit bleiben natürlich erhalten.“ Für die erklärende Tafel soll ein Gestaltungsvorschlag vorgelegt werden.
Ein informativer Überblick über die Geschichte der Arbeiterbewegung in Gerresheim, über Widerstand und Verfolgung mit Hinweisen auf KPD und DKP findet sich auf einer Stele des Förderkreises Industriekultur neben dem „Heyebad“.
UWE KOOPMANN
Das Bundesverfassungsgericht hatte Nachbesserungen bei den Hartz-IV-Gesetzen angemahnt. Der jetzt im Bundestag eingereichte Gesetzentwurf enthält jedoch statt Nachbesserungen Verschärfungen. „Willkommenskultur“ ist offensichtlich auch in „Jobcentern“ ein Fremdwort. Und so wie die Flüchtlingsdebatte von Parteien bis hin zu den Grünen genutzt wurde, um Verschärfungen und schnellere Abschiebungen durchzusetzen, sollen nun auch die Sanktionen gegen Hartz-Beziehende verschärft und damit der Druck auf Menschen ohne dickes Konto weiter erhöht werden.
Das Team von Radio MegaHartz beglückwunscht das AufRecht Bestehen!-Bündnis. Denn der bundesweite Protesttag am 10. März gegen die so genannte „Rechtsvereinfachung“ der Hartz IV-Gesetze war wirklich gut getimed! Unmittelbar die Woche drauf trat der Bundesrat zusammen und erteilte dem Entwurf eine schroffe Abfuhr. Sozialverbände hatten bereits vorher gegen den Entwurf protestiert, auch die Personalräte der Jobcenter meldeten Kritik an.
Die Abfuhr von Seiten des Bundesrats hat ein breites Medienecho gefunden. Nicht nur der WDR, sogar konservative Publikationen wie FAZ und Focus berichteten. „Länder fordern Erleichterungen für Hartz-IV-Bezieher“, lautete im Focus die Schlagzeile. Im Text hieß es: „Die Bundesländer pochen auf umfassende Erleichterungen für Hartz-IV-Empfänger - vor allem für Kinder und Jugendliche. (…) Unter anderem verlangen die Länder eine Prüfung, ob die Regelsätze für Minderjährige ausreichen. Heute sei ein ‚gleichberechtigter Zugang zu Bildung und Teilhabe‘ oft nicht gegeben.“ Sogar auf Börse-online war ein sehr kritischer Bericht eingestellt. Jetzt ist also der Ball an den Bundestag zurückgespielt. Beim Aktionstag am 10. März vor dem Jobcenter Luisenstraße haben Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Mittwochsfrühstück Hartz-Beziehende aufgefordert, ihren Bundestagsabgeordneten Briefe zu schreiben. Im letzten Absatz heißt es: „Hartz IV-Beziehende wurden in der Vergangenheit vielfach abgestraft. Das Gesetzesvorhaben verschärft den Rechtsruck von Menschen, die befürchten, mit der Flüchtlingswelle weiter an den Rand gedrückt zu werden.“
Der Brief an die Bundestagsabgeordneten schließt mit der Frage: „Inwieweit teilen Sie diese Bedenken? Was können Sie ggf. tun, um neue Schlechterstellungen oder Verschärfungen für die Betroffenen zu verhindern?“
Diese Anfrage geht an die Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten von CDU, FDP, GRÜNE, LINKE, Piraten und SPD. Die Reihenfolge haben wir bewusst alphabetisch gewählt. Die Antworten werden wir in der Sendung am 24. April (siehe Cultige Zeiten) verlesen. Wir sind gespannt. Und natürlich:
Keine Antwort ist auch eine Antwort.
Am 15. März stellte die Gruppe „No Border“ gemeinsam mit STAY! und zakk auf dem Betriebshof der Rheinbahn in Lierenfeld eine Straßenbahn vor, die von 12 jungen Geflüchteten aus Afghanistan, Eritrea und Syrien zusammen mit den bekannten Street-Artists MaJo-Brothers gestaltet wurde.
Eine Aktion, die von so vielen engagierten Menschen mitgetragen wird, lässt sich natürlich nicht wirklich kritisieren.
Auch wenn aus den drastischen Entwürfen der Jugendlichen hübsche massentaugliche geradezu kindgerechte Bilder gemacht wurden.
Auch wenn die Flucht vor dem Krieg als Spiel dargestellt wird und die initiierenden sozialen Gruppen (und Düsseldorf) als goldenes Ziel am Ende dieser Flucht zu stehen scheinen.
Auch wenn der Mann von der Rheinbahn die Gelegenheit nutzt, um seine Firma als große Familie „auch mit Migrationshintergrund“ zu bewerben, so dass das Ganze wie eine PR-Aktion in eigener Sache rüberkommt.
Auch wenn sich für diese Art von recht unverbindlichem Engagement immer auch noch staatliche Förderung (Kultur macht stark) loseisen lässt, was den persönlichen Einsatz noch weiter verwässert.
So bleibt als stärkste Aussage die unübersehbare Botschaft: No Border - Refugees Welcome! und die Erkenntnis, dass jede auch nur halb gelungene Aktion dieser Art immer noch besser ist als … .