Wohnen in Düsseldorf

Luxusghetto mit Sozial-Resorts

Schwarz-Gelb verlor 2014 die Macht im Rathaus nicht zuletzt wegen einer Baupolitik, die vor lauter Stararchitektur-Projekten ganz vergaß, dass es in einer Stadt zum Leben auch erschwinglichen Wohnraum braucht. Die Ampelkoalition versprach, diesen zu schaffen. Was aber ist bisher passiert?

Auf der letzten Immobilien-Messe in Cannes machte Düsseldorf seinem Ruf als Luxus-Ghetto mal wieder alle Ehre. Die Stadt präsentierte dort Glas-Paläste in allen Variationen, als Firmen-Zentralen, Hotels oder Büro-Komplexe. Für eine Bunker-Aufwertung zur Top-Adresse inklusive Auto-Fahrstuhl heimste sie sogar eine Auszeichnung ein. Und Oberbürgermeister Thomas Geisel kündigte gleich das nächste Projekt an. Zwei Wohntürme am Rhein – standesgerecht gleich mit zwei Auto-Stellplätzen pro Wohneinheit. „Für solch ein Grundstück kann man einen stattlichen Preis erlösen und daraus die Verlängerung der Promenade finanzieren“, frohlockte der OB. Potenzielle Käufer*innen für solche Areale umwarb Geisel, indem er kräftige Profite in Aussicht stellte. „Der Düsseldorfer Immobilien-Markt weist nach wie vor mit die höchsten Renditen unter den deutschen Metropolen auf, er ist dynamisch und verzeichnete in den letzten Jahren quasi keine Einbrüche. Das Bevölkerungswachstum der Stadt spiegelt sich somit in einem vitalen Markt-Geschehen wider, das ist es, was Investoren an Düsseldorf so schätzen“, so Geisel.

Keine Miet-Wende

Das alles hätte aus den Mündern seiner Vorgänger Dirk Elbers und Joachim Erwin kaum anders geklungen. Und auch was den Wohnungsmarkt angeht, braucht sich der Sozialdemokrat vor Vergleichen mit den Christdemokraten nicht zu scheuen – ebenso wie die Preise für Grundstücke und Eigentumswohnungen steigen die Mieten weiterhin. Nach Angaben des Bezirksverbands Düsseldorf des „Rings deutscher Makler“ blieben sie bei einfachen Wohnungen in diesem Jahr mit 7,50 Euro pro Quadratmeter zwar auf dem Stand von 2015, bei solchen mittlerer Qualität legten sie jedoch von 8,50 auf 9 Euro zu. Das Internet-Portal „http://wohnungsboerse.net“ kommt auf der Basis der auf der Website eingegangenen Miet-Angebote sogar noch zu weit höheren Zahlen. Bei einer Wohnung mit 30 Quadratmetern beträgt die Miete durchschnittlich 12,07 Euro (2015: 12,35 Euro), bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung 9,75 Euro (2015: 9,39 Euro) und bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung 11,04 Euro (2015: 10,24).

Die Mietpreis-Bremse hat offensichtlich bisher keine Wirkung gehabt. Hans-Jochem Witzke vom Mieterverein zufolge scheuen die meisten Wohnungssucher*innen schlicht davor zurück, sich beim Vermieter nach der Höhe der letzten Miete zu erkundigen. „Der Mieter müsste über ein öffentliches Register einsehen können, wie hoch die Miete vor Einzug war“, fordert er deshalb. Die Sozialwissenschaftler*innen von Empirica haben die Effekte der 2015 erlassenen Mietpreis-Bremse genauer untersucht. „Während die Mieten in Köln, Hamburg und München fast wieder auf dem Niveau des Vormonats ihrer Einführung angekommen sind, liegen sie in Düsseldorf (+ 3,5 Prozent) und Berlin (+ 2 Prozent) inzwischen sogar darüber“, halten sie fest und konstatieren ein „Bremsversagen“.

Zu der nach wie vor äußerst angespannten Situation trägt auch das Schrumpfen des Bestandes an öffentlich gefördertem Wohnraum in Düsseldorf bei. Für immer mehr Objekte läuft nämlich die Sozialbindung aus. Gab es 2001 noch rund 36.500 Sozialwohnungen, so sind davon heute nur noch 17.400 übrig. Und es steht noch mehr Schwund an: Bis zum Jahr 2020 reduziert sich das Angebot noch einmal um 2.900. Neue Bauten können das nicht kompensieren, auch wenn in diesem Bereich eine Aufwärtstendenz zu verzeichnen ist. 2016 beträgt der Zuwachs voraussichtlich 400 Sozialwohnungen, eine kräftige Steigerung im Vergleich zu 2014 (250), 2013 (115), 2012 (27) und 2010 (48).

Zu allem Überfluss agieren die Immobilien-Gesellschaften auch noch so, wie es Immobilien-Gesellschaften eben so tun: Sie versuchen, das von ihnen in Düsseldorf laut Geisel so geschätzte „vitale Markt-Geschehen“ zu nutzen, um die höchstmöglichen Renditen zu erwirtschaften. Ein Beispiel dafür bietet Hassels. Jahrelang ließ die Immobilien-Gesellschaft WVB Centuria dort ihre Häuser verkommen. 2014 nun verkaufte das Unternehmen 1.500 Wohnungen an die IWG GmbH. Und der neue Besitzer will jetzt mit dem Bestand richtig Geld machen. Im Zuge von – auch noch äußerst schlampig durchgeführten – Modernisierungsmaßnahmen kündigte der Konzern drastische Mieterhöhungen von fünf auf bis zu zwölf Euro pro Quadratmeter an. Die meisten Bewohner*innen können sich das nicht leisten. Die Stadt reagierte und schlug dem Investor vor, die Renovierungsarbeiten öffentlich fördern zu lassen und dafür Bestandschutz zu gewähren. Das lehnte dieser jedoch ab. So sehen die Mieter*innen in Hassels-Nord jetzt einer ungewissen Zukunft entgegen.

Konzeptloses Konzept

Das zentrale Mittel, die Investoren ein bisschen an die Kandare zu nehmen und wenigstens bei Neubauten für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, stellt für die Kommune das Handlungskonzept „Zukunft.Wohnen Düsseldorf“ dar. 2013 noch von der schwarz-gelben Rathaus-Koalition in Tateinheit mit der Immobilien-Branche aufgesetzt, schreibt es bei Großprojekten über 100 Wohneinheiten einen Anteil von 20 Prozent öffentlich geförderter und 20 Prozent preisgedämpfter Wohnungen vor. Der Output lässt allerdings zu wünschen übrig. Gerade einmal zwölf Bauten mit 2.240 Wohnungen, von denen 350 öffentlich gefördert sind und 465 nicht über 8,50 pro qm2 kosten, entstehen zurzeit nach dieser Maßgabe, wie die Stadtverwaltung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Partei „Die Linke“ angab. Durch Nachverhandlungen mit Investoren bei Objekten mit insgesamt 5.270 Wohneinheiten, deren Bewilligung vor dem Stichtag lag, konnte die Stadt noch einmal 843 Sozialwohnungen und 632 mit gedeckelten Mieten herausschlagen. Dazu kommen dann noch Quoten-Regelungen bei Bau-Vorhaben, die sich erst in einer frühen Planungsphase befinden.

Diese magere Ausbeute ist vor allem den vielen Ausnahmen geschuldet, die das Handlungskonzept zulässt. Wenn „etwa das soziale Umfeld nicht geeignet“ ist für Sozialwohnungen, duldet die Stadt Abweichungen. Auch wenn ein Grundstück sich für diesen Zweck angeblich nicht eignet, müssen die Investoren die Quoten nicht einhalten. Zudem handelt es sich bei „Zukunft.Wohnen Düsseldorf“ nicht um rechtsverbindliche Vorschriften.

Aus diesen Gründen braucht etwa das Flincarrée an der Ecke Werdenerstraße/Erkratherstraße von seinen 184 Wohneinheiten überhaupt keine öffentlich geförderten und preisgünstigeren Quartiere abzuzweigen. „Uns lag ein diesbezügliches Schreiben der Stadt vor“, erläuterte Manfred Möller von der Gesellschaft Pro Urban der Westdeutschen Zeitung knapp. Die CDU wollte es genauer wissen und fragte bei der Bezirksverwaltung nach. Diese gab sich allerdings ebenfalls kurz angebunden und erklärte, das Vorhaben entspreche dem Bebauungsplan und erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen, weshalb keine Verpflichtung bestehe, das Handlungskonzept Wohnen zur Anwendung zu bringen. Und so kann die Firma nun munter für ein „exklusives Neubau-Projekt“ und eine „lohnende Immobilien-Investition“ werben.

In Rath sprach nach Ansicht des Rathauses das soziale Umfeld gegen weitere Sozialwohnungen. Deshalb machte es dem Investor lediglich zur Auflage, ein Viertel des Wohnungsbestandes an der Westfalenstraße zu Preisen von 9,50 Euro anzubieten. In Grafental indessen schrumpfte der preisgedämpfte Anteil zu Gunsten des öffentlich geförderten.

Auch an der Oberbilker Allee auf dem Gelände des einstigen Toom-Marktes ist Schwund zu vermelden. Hier plant der Architekt Karl-Heinz Petzinka einen Komplex mit Loft-Charakter und Dachterrassen, wollte nichtsdestotrotz aber von den rund 100 Behausungen auch 48 als Sozialwohnungen bereithalten. Aber davon nahm er Abstand und gab der Bürokratie dafür die Schuld. Er lamentierte über die ganzen Auflagen, die mit öffentlich gefördertem Wohnraum verbunden sind und konnte sich dabei der Unterstützung der Presse versichern. „Weniger Bürokratie wagen“, machte sich etwa die Rheinische Post seine Forderungen zu eigen. Abgesehen davon, dass ein Architekt mit einer solchen Berufserfahrung wie Petzinka sich mittlerweile ein wenig im Baurecht auskennen sollte, klingen seine Argumente etwas arg billig und populistisch. So klagt er etwa über die Vorschriften, sich auf 25 Mietparteien pro Eingang zu beschränken und ausreichend Grünfläche auf dem Grundstück anzulegen, was jedoch durchaus sinnvoll erscheint, um Wohn-Silos zu verhindern. Der Bau-Künstler speckt jetzt aber mit lediglich 12 Sozialwohnungen gründlich ab. Und von seinem vollmundigen, nach street credibility heischenden Versprechen, das am Toom-Markt prangende Graffito „Keine Luxusgettos“ (sic) in sein Quartier zu integrieren, dürfte Petzinka nun auch Abstand nehmen. Die Stadt meint, all dem machtlos gegenüberzustehen. Weil bei dem Projekt kein Investor mit ihm Spiel sei, gebe es „keinen städtebaulichen Vertrag, in dem die Zielsetzungen des Handlungskonzepts Wohnens gesichert werden können“, gibt die Planungsamtsleiterin Ruth Orzessek-Kruppa zu verstehen. Bei der Linkspartei weckte das Zweifel daran, „inwieweit sich ein Bezirkspolitiker vor den politischen Abstimmungen auf Vorlagen der Verwaltung (...) verlassen“ kann. Noch dazu handelt es sich bei dem Petzinka-Projekt nicht um einen Einzelfall. Die von Koch Immobilien betriebene Umwidmung von Büro-Gebäuden zu Wohn-Möglichkeiten an der Grafenberger Allee („Living Circle“) schafft es ebenfalls nicht, die Förder-Kriterien für sozialen Wohnraum zu erfüllen und betreibt daher in diesem Sektor Rückbau.

Und so bleibt das Wohnungsproblem in Düsseldorf akut. Als Konsequenz führt das zu einem Bevölkerungsaustausch. Während Gutverdienende in die Stadt strömen, bestellen vor allem junge Familien den Umzugswagen und ziehen ins Umland. Auch gibt es immer mehr Obdachlose, wie aus einer Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. So stieg die Zahl der in Notunterkünften lebenden Personen von Anfang 2014 bis Anfang 2016 um 78 auf 808. 2015 suchten mit 1.962 Bedürftigen auch mehr Menschen die Notschlafstellen auf als 2014 (1.798). Da diese aus allen Nähten platzen, muss die Stadt zusätzlich Räume in Hotels anmieten. Die „Fachstelle für Wohnungsnotfälle“, die unter anderem Hilfsangebote für von Räumungsklagen bedrohte Mieter*innen bereithält, hat ebenfalls mehr zu tun. 2.332 Beratungsfällen im Jahr 2014 standen 2.473 im Jahr 2015 gegenüber.

All das plant das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf“ am 2. Mai auf einer Veranstaltung im Zakk zu thematisieren. Dort will die Initiative eine Zwischenbilanz der Wohnungspolitik der Ampelkoalition ziehen und hofft dabei auf genügend Politiker*innen, die ihr Rede und Antwort stehen.

JAN