TERZ 05.16 – LAUSIGE ZEITEN
Als Oberbürgermeister Thomas Geisel sich Anfang September 2015 im Bürgersaal der Bilker Arcarden einer ersten Bestandsaufnahme seiner Amtszeit stellte, hatte ihn Stephanie Peifer von Ver.di noch dafür gelobt, Kinderpfleger*innen und Erzieher*innen zu mehr Gehalt verholfen zu haben. Mit der Eingruppierung in höhere Gehaltsstufen habe Düsseldorf einen wichtigen Teilschritt hin auf dem Weg zu einer Aufwertung dieser Berufe getan, so Peifer. Was die Ampelkoalition damals als „Zeichen der Wertschätzung“ verstanden wissen wollte, hat sie nun aber wieder zurückgenommen. Neueinsteiger*innen kommen jetzt nicht mehr in den Genuss der Entgelt-Gruppe S8. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft protestierte ebenso scharf gegen diese Maßnahme wie der Personalrat, und auf der Personalversammlung Mitte März hagelte es auch Kritik. Der Personaldezernent Andreas Meyer-Falcke zeigte sich davon allerdings unbeeindruckt und verstieg sich zu einer abenteuerlichen Argumentation. Das mit der Höhergruppierung sei sowieso nur ein kurzfristiges taktisches Manöver gewesen, mit dem man beabsichtigt hatte, den Beschäftigten im damaligen Tarifkonflikt den Rücken zu stärken, meinte Meyer-Falcke und verwies auf den Erfolg. „Was damals als Wertschätzung gemeint war, ist nun im Tarif vollzogen“, bekundete er gegenüber der Rheinischen Post. Deshalb kann die Stadt seiner Meinung nach ihren Einsatz wieder guten Herzens zurücknehmen – eine abenteuerliche Logik. Und auch sonst sieht das städtische Personal unter Thomas Geisel unruhigen Zeiten entgegen. Die Ampelkoalition kündigte Ende letzten Jahres an, bis zum Jahr 2020 rund 2.000 der 9.700 Stellen bei der Kommune zu streichen.
Für den 8. Mai planen türkische Nationalist*innen und Faschist*innen einen Aufmarsch in Düsseldorf. Als Veranstalterin tritt unter anderem die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.“ (Türk Federasyon) in Erscheinung (siehe auch TERZ 04.16). Diese „Föderation“ ist die deutsche Organisation der extrem rechten türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (Milliyetçi Hareket Partisi – MHP). Unter der Bezeichnung „Graue Wölfe“ (Bozkurtlar) treten in Deutschland MHP-Anhänger*innen auf, die sich selbst auch als „Idealisten“ bezeichnen. Von einem lokalen „Idealistenverein“ (Düsseldorf Ülkü Ocakları) wird die Demonstration mitorganisiert. Die Versammlung soll am 8. Mai um 14 Uhr vor dem DGB-Haus beginnen und ab 14:30 Uhr mit einem Marsch durch die Innenstadt zum Burgplatz führen. In den letzten beiden Jahren fanden bereits ähnliche Demonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmer*innen statt.
Jahrelang ließ die Immobilien-Gesellschaft WVB Centuria in Hassels ihre Häuser verkommen (siehe auch TERZ 04.16). 2014 verkaufte das Unternehmen dann 1.500 Wohnungen an die IWG GmbH. Und der neue Besitzer will mit dem Bestand so richtig Geld machen. Im Zuge von – auch noch äußerst schlampig durchgeführten – Modernisierungsmaßnahmen kündigte der Konzern drastische Mieterhöhungen von fünf auf bis zu zwölf Euro pro Quadratmeter an. Diese haben die Bewohner*innen jetzt schwarz auf weiß. Die Mieter*innen einer 83 Quadratmeter großen Wohnung zahlen statt 475 Euro nun 1.167 Euro. Und damit diese ihre Unterschrift möglichst schnell unter den neuen Vertrag setzen, lockt die IWG mit kleinen Miet-Abschlägen.
1998 hatte die Stadt mit dem Strom-Konzern E.ON eine „Public-Private-Partnership“ im Kultur-Bereich begonnen. Der Energie-Riese beteiligte sich am Unterhalt des Kunstpalastes und bekam dafür nebenan als Schmankerl ein nettes Grundstück für den Firmensitz – das war der Deal. „Neue Wege ins 21. Jahrhundert“ wollte Düsseldorfs ehemaliger Kultur-Dezernent Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff mit dieser, in Deutschland bis dahin einzigartigen Kooperation bestreiten. Ins 21. Jahrhundert hat es die Partnerschaft dann auch geschafft, aber auch nicht viel weiter: Ende März 2016 kündigte E.ON die Zusammenarbeit auf. Zuvor hatte das Unternehmen bereits mehrfach die Zuschüsse gekürzt, was die Museumsleitung jeweils zu Job-Streichungen und anderen Spar-Maßnahmen gezwungen hatte. Zuletzt trug der Konzern mit 750.000 Euro bloß noch rund ein Zehntel zum sieben Millionen Euro umfassenden Etat des Ausstellungshauses bei. Die Wege aus dem 21. Jahrhundert dürften für die Kulturpolitik daher wieder mehr als zuvor die alten staatlichen sein.
In mehreren Düsseldorfer Stadtbezirken sammelten Anwohner*innen Unterschriften gegen Geflüchteten-Unterkünfte in ihren Vierteln. Dabei beeilten sie sich stets zu betonen, „nicht gegen Flüchtlinge“ zu sein. „In Lichtenbroich sind die Flüchtlinge willkommen, allerdings überfordert die geplante Zahl an neuen Mitbürgern unseren Stadtteil“, hieß es beispielsweise in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Geisel – mit 1.000 Unterschriften im Anhang. Eine Himmelgeister Initiative warb derweil mit dem Slogan „Flüchtlinge ja, Ghettos nein!“ für eine Verkleinerung der Kapazitäten an der Ickerswarder Straße. Und Bilker*innen brachten gegen die geplante Anlage „Auf’m Tetelberg“ die ungünstige Lage neben Handwerkskammer und mehreren Schulen in Anschlag. „Familiäre Belastung durch die Überplanung“ befürchteten sie laut Rheinischer Post ebenfalls. Bei einer Veranstaltung im Bürgersaal der Bilker Arcaden baten die Nachbarn wider Willen Düsseldorfs Geflüchteten-Beauftragte Miriam Koch darum, aus „Lärmschutz-Gründen“ doch wenigstens für einen größeren Abstand des Baus zu den Wohnhäusern zu sorgen.
Das Handlungskonzept „Zukunft Wohnen. Düsseldorf“, das Investoren bei Projekten über 100 Wohneinheiten einen Anteil von 20 Prozent öffentlich geförderter und 20 Prozent preisgedämpfter Wohn-Einheiten vorschreibt, stammt noch aus Düsseldorfs schwarz-gelber Zeit. Es konnte bei seiner Verabschiedung im Jahr 2013 jedoch auch auf grüne Unterstützung zählen. Die Ampel-Koalition führte es dann weiter, allerdings drang Oberbürgermeister Thomas Geisel immer darauf, es zu verändern und den Anteil von Sozialwohnungen auf 30 Prozent zu erhöhen. Mit diesem Anliegen hat er sich jetzt größtenteils durchgesetzt. Die neue Rathaus-Mehrheit überarbeitete das Konzept. Den Bauherren steht es von nun an frei, das Quantum an staatlich subventioniertem Wohnraum zu erhöhen und dasjenige mit reduzierten Mieten auf zehn Prozent abzusenken. Für dieses Segment hat Rotgrüngelb jetzt zudem eine einheitliche Obergrenze von 9,60 Euro pro Quadratmeter festgelegt.
Dank der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen auf der Welt macht die Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall ein Bombengeschäft: Sie steigerte 2015 ihren Gewinn um 17 Prozent auf 287 Millionen Euro. Und das neue Jahr lässt sich für den Multi ebenfalls gut an. So hat der Konzern „von einem internationalen Kunden“ – über den er sich aus wahrscheinlich guten Gründen nicht näher auslassen wollte – einen Auftrag im Volumen von 390 Millionen Euro zur Modernisierung von Flugabwehr-Systemen erhalten. Überdies errichtet Rheinmetall in Saudi-Arabien eine Produktionsanlage für Munition. „Absoluter Wahnsinn, jetzt in Saudi-Arabien eine Granaten-Fabrik aufzubauen, während das Land im Jemen Krieg führt“, empörte sich der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken von der Links-Partei: „Rheinmetall bereichert sich gerade an den Toten im Jemen.“ Heilbar ist dieser Wahnsinn nicht, jedenfalls nicht mit den jetzigen deutschen Gesetzen. Da der Rüstungskonzern den Bau der Fertigungsstätte über das in Südafrika ansässige Joint Venture Denel Munition abwickelt, an dem er einen Anteil von 51 Prozent hält, braucht er für den Deal mit Saudi-Arabien keine Ausfuhrgenehmigung des Bundessicherheitsrates.