TERZ 06.16 – UMWELT
Am 4. Juni will der „Terra Viva March“ ein Zeichen für eine Landwirtschaft setzen, die nicht vom agro-industriellen Komplex beherrscht wird.
Der „March against Monsanto“ heißt in Düsseldorf diesmal anders und findet auch zwei Wochen später als gewöhnlich statt. Die Veranstalter*innen wollen sich von ihrer negativen Fixierung auf den US-amerikanischen Agro-Multi lösen und am 4. Juni stattdessen mit dem nunmehrigen „Terra Viva March“ ein positives Gegenbild setzen: „für Saatgut- und Arten-Vielfalt, für Ernährungssouveränität und freies Saatgut, für kleinbäuerliche Landwirtschaft ohne Gentechnik und Gifte, für Lebensmittel, die diesen Namen auch verdienen“. Aber ins gesellschaftliche Off wandern die Veranstalter*innen damit nicht ab. „Selbstverständlich bedeutet das auch weiterhin Widerstand gegen die faschistoiden Machtinstrumente der Konzerne: gegen TTIP und CETA, Glyphosat, Gentechnik und Patente auf Allgemeingut“, erklären sie. Und dieser Widerstand erscheint wichtiger denn je, zeichnet sich doch eine wichtige Machtverschiebung im agro-industriellen Komplex ab. Der Bayer-Konzern schickt sich nämlich an, Monsanto zu schlucken und damit zum marktbeherrschenden Unternehmen der Branche aufzusteigen.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hatte sich bereits in den vergangenen Jahren am Düsseldorfer „March against Monsanto“ beteiligt, um deutlich zu machen, dass sich auch im Windschatten des berühmt-berüchtigten US-Moguls so einiges tut. 2014 beispielsweise legte der damalige CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in seinem Rede-Beitrag detailliert dar, wie wenig sich der Leverkusener Multi hinter dem US-Unternehmen zu verstecken braucht. Was diesem Glyphosat, das ist jenem sein Glufosinat, was dem US-amerikanischen Agro-Riesen seine Gen-Pflanzen der Produktreihe „ROUND UP“, das sind seinem Pendant die LIBERTY-LINK-Ackerfrüchte. Gesundheitsschädliche Chemikalien wie Polychlorierte Biphenyle (PCB) haben beide bis zum Verbot in Massen produziert, und während des Vietnam-Kriegs standen Mimkes zufolge beide Gewehr bei Fuß, um nach Kräften den „herbicidal warfare“ zu unterstützen. Jetzt zeigt zudem das Milliarden-Gebot Bayers für Monsanto eindeutig, wie es um die Kräfte-Verhältnisse im Agro-Business wirklich bestellt ist.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) schlägt deshalb in ihrem Aufruf zum „Terra Viva March“ Alarm: „‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme von Monsanto durch Bayer entsteht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr.“ Bei den Pestiziden kommen die beiden Konzerne zusammen auf einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte auf einen von rund 30 Prozent. Davon nur die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Global Player vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klar dominante Position.
Allein ein Viertel aller in der EU verzehrten Tomaten käme im Baysanto-Fall aus Leverkusener Landen, egal ob sie nun auf italienischen, holländischen oder spanischen Äckern wachsen. Und als vornehmliche Eigenschaften des Saatguts für diese „hochtechnologischen Tomaten“ stellt Bayer den Züchtern gegenüber den Ertragsreichtum und die Einheitlichkeit heraus, was das Produkt „zu einer rentablen Wahl für den Erzeuger macht“. Geschmacksfragen stellen sich dem Unternehmen nicht.
Gelänge dem Leverkusener Multi die Übernahme, so erlangte er aber nicht nur die Hoheit über die Esstische. Der Deal hätte noch weitere negative Folgen. Die Landwirt*innen etwa müssten sich auf höhere Betriebskosten einstellen, denn diese steigen verlässlich in Korrelation zum Monopolisierungsgrad der Branche. Allein die Preise für Mais- und Baumwoll-Saatgut haben sich in den vergangenen 20 Jahren nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums vervierfacht.
Überdies hätten die Farmer*innen noch weniger Auswahl. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht. An eine Landwirtschaft ohne Gifte verschwenden die Konzerne keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Uralt-Mittel zu finden. Bayers Glufosinat oder Monsantos Glyphosat, gegen das in Düsseldorf gerade eine Plakat-Aktion mobil macht, haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen, und den Bauern und Bäuerinnen bleibt nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Der Leverkusener Multi ist sich dieser Malaise durchaus bewusst. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der Bayer-Forscher Dr. Hermann Stübler.
Überdies lassen die bei Transaktionen dieser Art immer gerne beschworenen „Synergie-Effekte“ Böses wie Arbeitsplatz-Vernichtung ahnen. Auch müssten sich die bundesdeutschen Bayer-Standorte auf Einnahme-Verluste einstellen – der Agro-Riese hat nämlich seine Einkaufstouren bisher immer von der Gewerbesteuer abgesetzt.
All dies wird der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann am 4. Juni auf die Tagesordnung setzen. Aber neben Baysanto kommen auch andere Themen nicht zu kurz. Die Veranstalter kündigen Rede-Beiträge vom Biobauern Heinrich Hannen und von Bernd Schmitz an, der die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ vertritt. Die Argentinierin Lea Machado wird sich den riesigen Agro-Fabriken in ihrem Land widmen, die Rohstoffe für die globale Fleischwirtschaft liefern, und Frank Binder ergreift für die Umweltgewerkschaft das Wort. Darüber hinaus gibt es am Graf-Adolf-Platz einen „Markt der Möglichkeiten“ mit Infoständen und Gelegenheiten, Saatgut zu tauschen. Ein musikalisches Programm haben die Initiator*innen ebenfalls auf die Beine gestellt.
COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN
Terra Viva March
Samstag 4. Juni, ab 12h, Graf-Adolf-Platz