TERZ 07/08.16 – NACHRUF
Am 03.06.2016 ist unser Freund, Genosse und Kollege Alex im Alter von 55 Jahren gestorben. Trotz seines viel zu kurzen Lebens, gehört Alex zu den Menschen über die man das eine oder andere Buch füllen könnte. Ich werde, dank der Hilfe vieler Freunde und Freundinnen von Alex, mit einige Worten versuchen einen Einblick in sein bewegtes Leben zu geben, der hoffentlich seiner Person ansatzweise gerecht wird.
Alex hatte eine viel zu kurze Kindheit mit „glücklichen Tagen in Bialka (sprich: Biauka) in der Tatra, dem Heimatdorf seiner Mutter, wo er immer die Ferien verbrachte und mit seinen Cousins das Dorf auf den Kopf stellte und ordentlich Scheiße baute“. Mit der Flucht der Eltern über die Adria-Route war das vorbei. Stattdessen machte er Bekanntschaft mit dem europäischen Lagersystem – zumindest in Italien und Deutschland.
Mit Elf Jahren kam er nach Düsseldorf, mitten hinein in einen sogenannten „sozialen Brennpunkt“ (Düsseldorf-Garath, Corellistraße und Schwarzer Weg). „Diskriminierung und Schlägereien waren an der Tagesordnung und mitten drin ein entwurzelter Alex.“
Eine Freundin von Alex schrieb: „Ich kann mich noch an die Zeit der Hausbesetzungen erinnern, das war 1981. Aus dieser Zeit stammt die Geschichte, wie Alex die Bullen um das Benrather Schloss gejagt hat – oder war es doch umgekehrt? Ich muss zugeben, ich fühlte mich in den Häusern V41 (nur wenige Häuser vom FAUD-Lokal „V6“ entfernt) und Dresdner Bank, Benrath und in der Szene nicht zu Hause, [...]. Alex ging voll und ganz darin auf.“
Bei den Anarchist*innen fühlte sich Alex besonders wohl. Hier entstand sein politisches Bewusstsein – seine Gesinnung, die er bis zuletzt und darüber hinaus behielt. Besonders angetan hatte es ihm der Anarcho-Syndikalismus. Nicht nur als Theorie oder Geschichte, sondern auch in der Praxis. Dazu später etwas mehr.
Spätestens in den 90er Jahren war Antifaschismus ein weiteres großes Thema für ihn. Als aktiver Anti-Faschist tat er so manches, was den berühmten „Lampenputzer“ aus Erich Mühsams Gedicht zum Schreiben seines Buches animiert hätte. Dabei bewahrte er aber immer den Überblick und: „Wo Alex war, war immer >Ruhe<, auch mitten in den wildesten Auseinandersetzungen“. Alex gab Halt – nicht nur in der politischen Auseinandersetzung und auf der Straße.
Irgendwann fing er dann als Schreiner in der Technik des Düsseldorfer Schauspielhauses an. Da hätte er fast etwas mit Gustav Landauer gemein. Dieser war 1919 an das Schauspielhaus berufen, ging aber wegen der revolutionären Ereignisse nach München, um zusammen mit Erich Mühsam in der Räterepublik zu wirken. Landauer wurde nach der Niederschlagung der Räterepublik von der Reaktion erschlagen.
Als Anarcho-Syndikalist tat Alex, was er tun konnte – Aufgrund der besonderen Situation im Schauspielhaus – halt im Betriebsrat (auch wenn der Traum ganz anders aussah). Eine Kollegin erinnert sich: „Ich habe ihn im Jahr 2007 oder 2008 im Betriebsrat des Schauspielhauses kennen gelernt. [...] Er war es, der mir den Anarchismus nah gebracht hat, was sich wirklich wie eine kleine Erleuchtung anfühlte. Nachdem ich von seiner Krankheit erfahren hatte, intensivierten sich der Kontakt und die Freundschaft noch. Er hat mich maßgeblich politisch und menschlich (keine Ahnung ob Mensch das überhaupt trennen kann) geprägt.“
Seit Beginn der 90er Jahre war er Teil eines Zirkels, der sich regelmäßig traf – eine Art anarchistischer Think Tank. Dort wurde theoretisiert, anarchistische Positionen zu tagesaktuellen Ereignissen entwickelt, Taktiken zum Agieren in nicht-anarchistischen Gruppen entwickelt und vieles mehr. Über die Jahre entstand so auch ein Freundeskreis, der mehr war und ist als eine reine Politgruppe. Besonders gefreut hat mich, dass er es sich im November 2015 nicht nehmen ließ, zur 1 Jahr Feier unseres (FAUD) Ladenlokals/Büros, dem „V6“, zu kommen. Schon vorher hatte er es finanziell unterstützt. Er nahm lebhaft an der Entwicklung des Büros und unserer Aktivitäten teil. Regelmäßig informierte ich ihn über die Kontakte und Arbeitsrechtsfälle, die wir bearbeiteten. Er stand mit Rat zur Seite und war sichtlich froh über jeden noch so kleinen „Sieg“, den wir zusammen mit den Arbeiter*innen, die sich hilfesuchend an uns gewandt haben, erringen konnten.
Wenn ich mich an die letzten Wochen und Stunden mit Alex erinnere, so stelle ich fest, dass die Themen seines Lebens bis zuletzt für ihn wichtig waren. Jeden Mittwoch trafen wir uns in kleinem Kreis bei ihm am Bett und tauschten uns aus über soziale Bewegungen, wie Marea Granate aus, insbesondere weil sie unter anderem auch eine globale Dimension hat gegen das Erstarken des europäischen Faschismus und für die Situation der Flüchtlinge innerhalb Europas und an seinen Außengrenzen. Auch unter dem Aspekt des Lagersystems, seiner Kontinuität und seiner neuen Erscheinungsformen. Wir sprachen über gewerkschaftsfeindliche „Reformen“ diverser Regierungen, in Deutschland z. B. über das sogenannte „Tarifeinheitsgesetz“, den Arbeitskampf bei Amazon, seine europäische Dimension und die Schwierigkeiten der Gewerkschaften sich zu koordinieren. Aber auch die Konkurrenzkämpfe oder das Unverständnis, wenn unterschiedliche Gewerkschaftskonzepte aufeinander treffen, die aktuelle Streikwelle in Belgien und natürlich auch über Nuit Debout, das Loi Trayvail und die Kämpfe in Frankreich.
Mit Alex Tod hört das alles weder für mich noch seine anderen Freund*innen, Genoss*innen und Kolleg*innen auf. Wie Joe Hill einst vor seiner Hinrichtung schon gesagt hat und wie Alex es wohl auch sagen würde: „Don‘t mourn – but organize!“ - Wir werden uns weiter organisieren – aber wir werden uns auch die Zeit nehmen in so mancher stillen Minute seiner zu gedenken, vielleicht bei einem Glas guten Wodka.
Zu guter Letzt noch ein Gruß an Alex, ein Gruß den spanischsprachige und deutschsprachige Anarcho-Syndikalist*innen auf der ganzen Welt ihren Toten widmen:
„Möge die Erde dir leicht sein!“
FRANK TENKTERER (FAUD)
Post Scriptum:
An seinem Todestag informierte mich seine Frau, dass Alex sich zur Trauerfeier weder Blumen noch Kränze oder anderes in dieser Art wünscht. Stattdessen sollen die Freund*innen, Genoss*innen und (Wahl-)Verwandten lieber die FAUD finanziell unterstützen. Mit mir und den anderen hatte er nie darüber geredet.
Bankverbindung der FAUD
Gewerkschaft für alle Berufe
Volksbank Rhein-Ruhr eG
IBAN: DE25 3506 0386 1112 5200 05