Der Mob marschiert

Mindestens 78 Demonstrationen und Kundgebungen des Rechtsaußenspektrums seit 2000 in Düsseldorf

Lange ist es her, dass extrem rechte Demonstrationen in Düsseldorf Seltenheitswert hatten. In wenigen Tagen, am 3. Juni 2016, werden genau zehn Jahre vergangen sein, seitdem etwa 270 Neonazis – hauptsächlich aus dem Spektrum der „Freien Kräfte“ – unter dem Motto „Das System ist der Fehler!“ durch Düsseldorf liefen. Zwar wurde der am Hauptbahnhof gestartete und von Sven Skoda (Düsseldorf) und Christian Malcoci (Rheinkreis Neuss) organisierte Aufmarsch massiv durch Gegenproteste behindert, musste sogar längere Zeit auf der Oststraße verharren und anschließend einer von mehreren Blockaden über Seitenstraßen ausweichen. Letztendlich konnte er aber unter dem Schutz zahlreicher polizeilicher Einsatzkräfte aus Sicht der Neonazis „erfolgreich“ zu Ende gebracht werden.

Nur zwei Aufmärsche bis 2006

Besagter Aufmarsch vom 3. Juni 2006 mit der auf den Wehrhahn-Bombenanschlag am 27. Juli 2000 und auf die wenige Tage später startende Fußball-WM der Männer anspielenden Botschaft „Bombenstimmung in Düsseldorf! Vor dem Spiel ist nach dem Spiel!“ war erst der zweite, den die extreme Rechte nach 1945 in Düsseldorf auf die Straße brachte. Der erste fand am 28. Oktober 2000 – drei Monate nach dem Wehrhahn-Bombenanschlag – unter dem Motto „Meinungsfreiheit auch für Nationalisten – Argumente statt Verbote“ in der Düsseldorfer Altstadt statt. Fünf Stunden benötigten damals die etwa 300 Neonazis, um sich vom Rheinufer etwas südlich der Oberkasseler Brücke über die Rheinuferpromenade bis zum heutigen Johannes-Rau-Platz und wieder zurück zu quälen. Immer wieder hatte der – auch damals schon von Sven Skoda und Christian Malcoci organisierte – braune Umzug wegen mannigfaltiger Störaktionen stoppen müssen. Gar nicht erst zustande kamen zuvor zwei angemeldete, aber von der Polizei verbotene Aufmärsche aus dem Spektrum der „Freien Kräfte“ am 30. Januar 1998 und am 12. August 2000. Eine geplante Demonstration der „Republikaner“ am 13. August 1998 – mit Unterstützung aus der lokalen Neonazi-Szene – gegen einen zeitgleichen Auftritt des PDS-Politikers Gregor Gysi im Kulturzentrum ZAKK scheiterte bereits im Ansatz an Gegenprotesten. Geplant war, vom damaligen „Plus“- und heutigen „Netto“-Parkplatz auf der Albertstraße (Ecke Erkratherstraße) über die Fichtenstraße – also direkt an der Kiefernstraße vorbei – zum ZAKK zu demonstrieren. Nach einer Ortsbegehung des REP-Kreisvorsitzenden Andre Maniera in schützender Begleitung der von der Aktion dringend abratenden polizeilichen Einsatzleitung kurz vor dem angekündigten Aktionsbeginn sank der Mut der REP angesichts der erbosten Gegendemonstrant*innen allerdings deutlich. Letztendlich wurde die Aktion abgebrochen.

Extrem rechte Demonstrationspolitik heute

Fast zehn Jahre nach dem Aufmarsch vom 3. Juni 2006 sieht die Situation völlig anders aus. Demonstrationen und Kundgebungen des Rechtsaußen-Spektrums gehören nun auch in Düsseldorf zum Alltag. „Düsseldorf Rechtsaußen“ listet im Folgenden zu Dokumentationszwecken sämtliche Demonstrationen und Kundgebungen mit mindestens zehn Teilnehmer*innen seit dem Jahr 2000 auf. Insgesamt haben mindestens 61 derartiger demonstrativer Events unter freiem Himmel seit der Jahrtausendwende in Düsseldorf stattgefunden, hinzu kommen mindestens 17 Miniaktionen mit weniger als zehn Personen. Nicht als Demonstration oder Kundgebung gewertet wurden Infostände – und natürlich Saalveranstaltungen. Die bisher teilnahmestärkste Aktion stellt mit etwa 500 Personen die PEGIDA/DÜGIDA-Kundgebung nebst „Abendspaziergang“ am 8. Dezember 2014 vor dem Landtag dar. Apropos Landtag: Nicht wenige der insgesamt 78 Aktionen hatte keinen Lokalbezug, wurden nicht einmal von Akteur*innen aus Düsseldorf organisiert. Veranstaltungsort war Düsseldorf hier beispielsweise als Sitz der Landesregierung, des Landesparlaments sowie diverser Konsulate.

Akteur*innen

In der Gesamtzahl 78 enthalten sind Aktionen folgender Akteur*innen: die „Freien Kräfte“ bzw. „Freien Kameradschaften“, die NPD, „Die Rechte“, „Die Republikaner“, die „Bürgerbewegung pro NRW“, die „Bürgerbewegung pro Köln“, „die Bürgerbewegung pro Deutschland“, PEGIDA nebst Abspaltungen (vor Ort: DÜGIDA unter Melanie Dittmer) und Nachahmer*innen („Düsseldorfer Bürger gehen auf die Straße gegen Flüchtlingsirrsinn“), die „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO), die „German Defence League“ (GDL), die „Schutzgemeinschaft ‚Deutsche Heimat‘ der Deutschen aus Rußland“ und die „National-Konservative Bewegung der Deutschen aus Rußland“, der „Arminius-Bund des deutschen Volkes“, die „Europäische Aktion“, die „Bürgerwegung Pax Europa“, die „Identitäre Bewegung“ und die „Aktiven Patrioten“. Last but not least dann auch die zwei bisherigen demonstrativen Aktionen der „Post-Lucke“-AfD in der Düsseldorfer Altstadt. Nicht aufgelistet in der folgenden Chronologie sind zehn Minikundgebungen der basislosen „Aktiven Patrioten“ des späteren DÜGIDA-Versammlungsleiters Frank Borgmann und seines Weggefährten Hans Günter Schönaich zwischen September 2012 und September 2013 – die meisten mit weniger als fünf Teilnehmenden auf der Wiese vor dem Landtag –, eine „Mahnwache“ im September 2012 vor dem „Gerhart-Hauptmann-Haus“ (GHH) auf der Bismarckstraße, veranstaltet von der zeitweise mit Hausverbot im GHH belegten „Danzigvertriebenen“ Ingetraut Jochim aus Düsseldorf, um an den „Völkermord an uns Vertriebenen“ zu erinnern und die „ostdeutsche Heimat“ zurückzufordern. Des Weiteren finden keine Erwähnung zwei Minikundgebungen der „German Defence League“ (GDL) im November 2012 gegenüber dem britischen Konsulat auf der Yorckstraße, die sich gegen die Inhaftierung eines führenden Funktionärs der „English Defence League“ (EDL) richteten, eine siebenköpfige Aktion im Agitprop-Stil der „Identitären Bewegung“, die am 1. Juni 2013 auf der Königsallee einen nach Auffassung des Veranstalters identitätsgefährdenden „Zeitgeist“ anprangerte, zwei Minikundgebungen (Motto: „Zuwanderung stoppen – Islamisierung verhindern“) von „pro Deutschland“ in der Altstadt und gegenüber dem „Linken Zentrum Hinterhof“ Ende August 2013 im Rahmen des Bundestagswahlkampfs sowie eine „Mahnwache“ der „Europäischen Aktion“ im Juli 2014 unter dem Motto „Raus aus Nato und EU! Für ein neutrales und souveränes Deutschland!“ vor dem US-Konsulat hinter dem Hauptbahnhof. „Rekord“-Jahr war mit 29 Aktionen und etwa 2.250 Teilnehmenden das Jahr 2015.


Chronologie demonstrativer Aktionen des Rechtsaußen-Spektrums

Aufgelistet sind Aktionen mit mindestens zehn Teilnehmenden von Januar 2000 bis Mai 2016 in Düsseldorf

2000 bis 2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016 (bis Ende Mai)

Anmerkungen:

Da „Düsseldorf Rechtsaußen“ natürlich nicht unfehlbar ist, wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Für Hinweise (Ergänzungen, Korrekturen etc.) sind wir unter der E-Mail-Adresse duesseldorf-rechtsaussen[at]riseup[dot]net ansprechbar.
Zum Weiterlesen: Die „LOTTA – antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen“ beschäftigte sich in den Schwerpunkten ihrer Ausgaben #24 (Herbst 2006) und #58 (Frühjahr 2015) ausführlich mit dem Thema „Demonstrationspolitik der extremen Rechten“.

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