Median kauft die Düsseldorfer AHG

Spekulationsobjekt „Reha-Kliniken“

Im Juli 2016 hat der Klinik-Betreiber Median die Düsseldorfer „Allgemeine Hospital-Gesellschaft“ (AHG) gekauft. Für die rund 2.650 AHG-Beschäftigten dürften nun bald härtere Zeiten anbrechen, denn laut ver.di betreibt das der Kapitalbeteiligungsgesellschaft Waterland gehörende Berliner Unternehmen eine „flächendeckende Tarifflucht“.

Die Einsparungen im Gesundheitswesen haben Reha-Kliniken und andere medizinische Einrichtungen jahrelang darben lassen. Viele Häuser mussten im Zuge der Kostendämpfungsmaßnahmen schließen. Seit einiger Zeit jedoch bessert sich die Lage in diesem Bereich. Und schon gerät die Branche ins Visier der Finanzmärkte. So spricht etwa der „Immobilien- und Investmentmarkt-Bericht“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO von „einer Neubewertung von Reha-Kliniken als Anlage-Klasse“ und verspricht allgemein bei „Sozial-Immobilien“ höhere Renditen als im Hotel-, Büro-, Logistik- oder Einzelhandelssegment. Dementsprechend hoch geht es in der „Anlage-Klasse“ derzeit her. 2014 wechselten Objekte im Wert von 857 Millionen Euro den Besitzer – 2012 lag der Betrag noch bei 82 Millionen.

Auch Düsseldorf bleibt von der Entwicklung nicht verschont. Im Juli erwarb die „Median Kliniken GmbH“, seit 2014 in Besitz des Finanzinvestors Waterland, die Düsseldorfer „Allgemeine Hospital-Gesellschaft (AHG)“. „Median setzt den erfolgreichen Wachstumskurs der vergangenen Jahre fort: 45 Kliniken, Therapie-Zentren und Wiedereingliederungseinrichtungen der AHG Allgemeine Hospital-Gesellschaft erweitern das Portfolio in den Fachbereichen Psychosomatik, Sucht und Sozio-Therapie“, vermeldete das Berliner Unternehmen. Schon vor dem Deal mit 120 Häusern und rund 15.000 Beschäftigten Branchenführer in der Bundesrepublik, baut Median diese Position mit dem Zukauf nun weiter aus.

Die Allgemeine Hospital-Gesellschaft, die in Düsseldorf eine Einrichtung für Suchthilfe und eine zweite für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie unterhält, musste sich dieser Markt-Stärke beugen. Sie kapitulierte letztlich vor dem „immer stärker werdenden Konzentrationsprozess, hin zu größeren und schlagkräftigeren unternehmerischen Einheiten“, wie es Firmen-Chef Norbert Glahn ausdrückte. Gerade auch die Sorge um seine 2.650 Mitarbeiter*innen trieb den Familien-Unternehmer nach eigener Aussage zu diesem Schritt. Deren Zukunft wähnte er im Schoße eines größeren Betriebes besser gesichert.

Das dürfte sich jedoch als Trugschluss erweisen. Einen „rabiaten Umgang mit Beschäftigten“ bescheinigt die Gewerkschaft ver.di Median nämlich. Von Einschüchterungen und einem „Klima der Angst“ spricht sie. Druck baut der Klinik-Konzern vor allem auf, um Betriebs- oder Einzelvereinbarungen an die Stelle von Tarifverträgen treten lassen zu können. „[F]lächendeckende Tarifflucht“ wirft ver.di dem Unternehmen vor. Fast alle Manteltarifverträge hat es inzwischen gekündigt. Von 70 auf rund sieben Prozent sank die Tarifbindung bei Median.

Marktorientiertes Handeln

Auf diese Weise verschafft sich der Reha-Multi nach eigenem Bekunden bessere Voraussetzungen für ein „marktorientiertes Handeln“. Eine Lohnpolitik nach Kassenlage, genauer: nach Krankenkassenlage, schwebt ihm dabei vor. Die Entgelte sollten sich nach den Vorstellungen der Firma mehr an dem orientieren, was sie mit Versicherern wie AOK & Co. für die einzelnen Angebote jeweils auszuhandeln vermochte. „Zurück in die kapitalistische Steinzeit“ wolle das Unternehmen jedoch nicht, versichert es seinen Angestellten. Es gebe bei Median schlicht nur eine solche „Vielfalt an beruflichen Profilen, Anforderungen und Leistungen“, dass es mehr „Flexibilität bei den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen“ brauche. Diese Flexibilität erlaubt dem Klinik-Betreiber dann nicht nur, Arbeitskosten zu sparen. Sie schafft ihm auch so lästige Störungen des Betriebsfriedens wie Streiks vom Hals, denn Betriebsräte allein dürfen nicht zu Arbeitsunterbrechungen aufrufen.

Aus diesen Gründen ist der Widerstand gegen die Geschäftspolitik von Median groß. In Bad Liebenwerda protestierten die Beschäftigten mit einer „aktiven Mittagspause“ gegen das Gebaren des Konzerns. Und in Berlin-Kladow kam es bereits fünf Mal zu Streiks. Das Unternehmen versuchte dabei, die Teilnahme möglichst gering zu halten, indem es „Streik? Ohne mich!“-Flugblätter verteilen ließ. Diese warnten die Belegschaftsangehörigen dreist davor, „für ver.di“ in den Ausstand zu treten und auf diese Weise „unsere Klinik“ und „unsere Arbeitsplätze“ zu gefährden.

Der Klinik-Konzern sieht sich durch die Rendite-Vorgaben seines Eigentümers, der Kapitalbeteiligungsgesellschaft Waterland, zu einem solchen Vorgehen gezwungen. Waterland hatte Median 2014 von seinen Mitbewerbern Marcol und Advent übernommen, mit den Kliniken und Pflegeheimen der RHM-Gruppe zusammengeführt. Die Besitzrechte an den Median-Immobilien verkaufte Waterland dann aber gleich an den „Medical Property Trust“ weiter. Die „Private Equity“-Firma tritt nach eigenem Bekunden als „aktiver Anteilseigner“ auf, der „Unternehmer dabei unterstützt, ihre Wachstumsziele zu erreichen“. Dementsprechend wechselte die Gesellschaft, deren Düsseldorf-Filiale im Medienhafen liegt, gleich nach ihrem Investment das Führungspersonal bei Median aus. Und die neue Management-Riege ließ von Beginn an keinen Zweifel an ihren vorrangigen Interessen. „Wir wollen die Milliarden-Marke knacken“, tönte Median-Boss André Michael Schmidt im Frühjahr. Einen Beitrag dazu wird er auch den ehemaligen Beschäftigten der „Allgemeinen Hospital Gesellschaft“ abverlangen. Ver.di stellt sich jedenfalls schon einmal auf die Kündigung der Tarifvertäge ein, wenn die AHG offiziell in den Besitz von Median übergeht.

JAN