TERZ 12.16 – DÜSSELDORFER LEGENDEN
Es gibt Zeitungsmeldungen, die verschlagen selbst der uneitelsten Stattzeitung für Politik und Kultur, die das Dorf am Rhein je gesehen hat, den Atem. Zum Beispiel die des Düsseldorfer EXPRESS über Volker Neupert vom „Düsseldorfer Appell“.
Wieso, zum Kuckuck, schreibt der Düsseldorfer Express auf einmal in schönerem TERZ-Ton als die TERZ selbst, nur sarkastischer? Frechheit!
Doch „Halt“! Ist dies winzige Buchstaben-Rosenbeet gar etwa keine Satire nicht? ... Hoppla, der Express meint, was er (zu) schreiben (beauftragt ist). Na dann! So können wir uns reichlich Arbeit sparen und tippen einfach ab, was das bunte Regional-Blatt im Oktober 2016 über einen der stillsten Helden der Landeshauptstadt schrieb, über den aufrechten Widerstandskämpfer und stets solidarischen, von allen geliebten und anerkannten Recken im Ringen um das Gute im Menschen, über die Hauptschlagader des antifaschistischen Bewusstseins in Düsseldorf: über Volker Neupert.
Neidlos (naja) kopieren wir also, was wir dort lasen:
„
„Volker Neupert
Als in Düsseldorf die rechtsgerichteten ‚Dügida‘-Demonstranten aufmarschierten, organisierte Volker Neupert den Widerstand [Hört! Hört!] Der studierte Sozialarbeiter der Diakonie trommelte mit dem ‚Düsseldorfer Appell’ jeden Montag hunderte Gegendemonstranten zusammen. Mit Erfolg! Die ‚Dügida‘-Aufmärsche sind Geschichte. Neupert: ‚Respekt und Mut sind meine Lebensaufgabe‘.““
Huch, was ist mit unserem Erinnerungsvermögen? Doch zu viel Schnaps gestern Abend? So reiben wir uns verwundert die Lider und kramen im Gedächtnis (und in der (TERZ 02.2015) und ... ach! Das war ja doch irgendwie anders! So haben wir noch lebhaft vor Augen, dass Neupert und ‚sein‘ Appell an einem Wintermontag am Landtag, als es noch gegen den AfD-Rechtsaußen Alexander Heumann und seine fiesen Gestalten von der „German Defense League“ (u.a. Sebastian Nobile) Farbe zu bekennen hieß, seinen Plunder samt Bühne und berühmten Sprecher*innen einpackte, noch bevor es überhaupt richtig losging. Die Menschenfeinde von „Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes“ hatten ihr -gida-pöbelndes „Ringelpiez am Fernsehturm im Dunkeln“ noch gar nicht begonnen, da waren Volker, der Lauti, die Technik, das product placement-Equipement des „Düsseldorfer Appell“ wo? Schon abgebaut! Da staunten wir also nicht schlecht, dass der Widerstand himself so schnell nach Hause musste, in die gute, warme Stube! Bei einem Glas Burgunder ließ sich im Lehnstuhl im Kaminschein gut auf Twitter verfolgen, was draußen geschah. Alles war Schauspiel. Und das ist ja fast, als wäre man dabei gewesen.
Ein paar Wochen später fuhr der Volker dann richtig riesig auf. Und es ist richtig: Das wäre unsere Chance gewesen. 5.000 Menschen waren rund um den Hauptbahnhof auf der Straße. Und sie wollten nicht nur den herzenswarmen Reden aus der Politik lauschen, die für ein buntes Miteinander das Kreuz grade machte. Das musikalische Programm auf der Appell-Lauti-Bühne auf der Friedrich-Ebert-Straße war auch wirklich schön und anregend. Aber das war nicht der alleinige Grund, den Hintern hochzukriegen und sich zum Hauptbahnhof zu schleppen – nach Feierabend. Gekommen waren viele, um dem rechten Rassist*innen-Haufen, der sich anschickte, fortan öfter zu nerven, den Spaß zu verderben. Wir waren richtig viele, die wir dem Protest gegen Rechts die Show stehlen wollten. Es hätte locker gereicht, um die Route der „Dügidas“ zu blockieren und die Straße mit unserer guten Laune zu füllen – anstatt sie Rechtsaußen und dessen Gewaltphantasien von Großdeutschland zu überlassen. Aber was blieb uns übrig? Sorgte doch die Düsseldorfer und herbeigekarrte NRW-Polizei dafür, dass grölende Rassist*innen mit Bierflaschen und Deutschlandfahnen ihre Runde drehen durften.
Da war es letztlich gut anzusehen, dass tatsächlich an diesem 12.01.2016 so viele Menschen gekommen waren, um sich quer zu stellen. Dass das nur am Rande der Rassist*innen-Route gelang, haben wir dem Polizeieifer zu verdanken. Den mussten Aktivist*innen fortan Montag für Montag zu spüren bekommen. Denn die Polizist*innen unter Leitung des Düsseldorfer Polizeipräsidenten Norbert Wesseler kriminalisierten antifaschistischen Protest wo es nur ging.
Respekt und Mut – „meine Lebensaufgabe“, wie Volker Neupert dem Express jetzt sagte – hatte der „Düsseldorfer Appell“ unter Widerstandskämpfer Neupert von da an aber genug gezeigt. Zumindest montags. Meinte er. Ließ Neupert doch in den „Anmerkungen zu unseren [sic!] drei Kundgebungen gegen Dügida vom 8.12 bis 19.1“ im Namen des Appells verlauten: „Man muss nicht jeden Montag auf die Straße gehen, um zu demonstrieren, dass wir jeden Tag für die Ideale der Gerechtigkeit und Toleranz eintreten“. Starke Worte. Und dass, obwohl Neupert die Leser*innen der Bild-Zeitung noch am 17.1.2015 hatte vorgeblich gradlinig wissen lassen, dass die „bürgerliche Gesellschaft auch künftig nicht zulassen“ könne, „dass Rechtsextreme unkommentiert durch die Stadt ziehen“. Selten haben wir eine so schneidige 180°-Wende gesehen. Wie kann mensch sich nur selbst so sehr verleugnen? Das geht vermutlich nur, wenn die Trommel so laut schlägt, dass die eigene Stimme nicht mehr zu hören ist, oder?
Fortan rief der „Düsseldorfer Appell“ zusammen mit dem linken Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ auf, den Nazi-gidas entgegenzutreten – jetzt offenkundig ohne Neupert (der nicht wieder auftauchte – ja, echt, nicht ein einziges Mal! Nicht an einem weiteren dieser ätzenden Montage, an keinem! Echt jetzt!). Mit „Düsseldorf stellt sich quer“ waren einen ganzen Winter lang viele hundert Menschen also auf der Straße. Jeden Montag, bis in den Frühling hinein. Bis „Dügida“ und Dittmer sich selbst zerlegt hatte, weil der Egomanin die Puste ausging und ihre Entourage sich zweifellos auch nicht mehr ganz braun war. Und weil es eben auch ziemlich langweilig ist, im Polizeispalier um den Block zu tippeln, selbst wenn die Fahnen so hübsch aussehen zwischen den Bürogebäuden.
In der Zwischenzeit, das sollten wir nicht vergessen, haben Teilnehmende der „Dügida“-Demos Antifaschist*innen angegriffen. Auf der Abreise, im Bahnhofsgebäude, auf der Straße. Sie haben Fußtritte verteilt, Nasen gebrochen, Arme verstaucht. Meistens unter den Augen der Polizei.
Widerstand ist Herzarbeit. Und ja, das hat auch was mit Respekt zu tun, und ja, vor allem auch mit Mut. Vor allem: mit Mut! Aber wir wiederholen uns.