TERZ 03.18 – NOISE OF ART
Im Haus der Universität sind bis zum 5. April drei Fotoausstellungen zu sehen, die sich in unterschiedlicher Weise mit dem Thema Krieg auseinandersetzen.
Christoph Bangert ist unter anderem Kriegsphotograph und lebt in Köln. Er ist mit seinem Fotobuch „War Porn“ bekannt geworden. In diesem Buch hat Bangert Fotos insbesondere aus dem Irak und aus Afghanistan versammelt, die Zeitungen und Agenturen nicht haben bzw. abdrucken wollten. Sie sind auch schwer auszuhalten, da sie den Schmerz und den Tod in aller Brutalität zeigen, ohne dabei voyeuristisch zu sein. Der Fotograf wahrt eine gewisse Distanz und zollt den Opfern, egal von welcher Seite, Respekt. Er trat mit „War Porn“ eine Debatte darüber los, was gezeigt werden darf oder muss – oder eben nicht. Das ist natürlich eine schwierige Debatte. Bei jeder Kriegsberichterstattung besteht die Gefahr der Gewöhnung an Schreckensbilder, wozu Splatter- und Horrorfilme bereits die Vorarbeit geleistet haben. Bangert erzählt mit seinen Fotos Geschichten. Auf so manchen Bildern bleibt der Blick an Details hängen, die sich nicht immer sofort erschließen. Unbewußt wird mensch gezwungen, sich mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen. Das ist nicht immer leicht zu ertragen, denn häufig sind diese Details der Schlüssel zum Entziffern des Brutalen. Manchmal erklärt sich aber auch gar nichts, einige Erläuterungen wären da wünschenswert. Leider bleibt der Fotograf im Umgang mit seinen Bildern nicht konsequent. Im Buch „War Porn“ sind mit einer Größe von 16 cm x 12 cm ganz bewusst sehr kleinformatig gehalten, um die Leser*innen zu zwingen, sich wesentlich konzentrierter mit den Bildern auseinanderzusetzen zu müssen. Das hätte man in dem Raum, wo sechs Bilder aus „War Porn“ zu sehen sind, ähnlich halten sollen.
Weitere Fotos in der Ausstellung sind aus dem Buch „Hello Camel“. Dies sind ganz andere Geschichten aus dem Krieg. Sie erzählen von dem Absurden in der Normalität des Krieges, wobei die Gefahren jederzeit präsent bleiben. Ein Bild zeigt etwa vier blaue Dixie-Klos vor einer Wand von Sandsäcken, ein anderes einen blauen Pool, umgeben von Betonwänden als Schutz. Auf einem weiteren stehen bewaffnete Soldaten in einem riesigen Hanffeld und schauen, wie eine Bombe am Horizont explodiert.
Besser kommt jedoch „War Porn“ an. Das sieht man daran, das sich dieses Buch in der Ausstellung wesentlich besser verkauft als „Hello Camel“, obwohl dieses eigentlich das Interessantere ist. Wo wir dann wieder beim Thrill sind, den die Bilder des Todes offenbar bei den meisten dann doch auslösen. Gewarnt wird beim Eintreten in den „War Porn“-Raum vor eventuell verstörenden Fotos. Der Eintritt ist ab 16 Jahre.
Da fragt man sich jedoch, warum dies bei den Fotos von Hosam Katan nicht auch steht. Denn auch hier sind Tote und Verletzte zu sehen. Oder liegt es daran, daß es nur „normale“ Fotos von Toten und Ermordeten sind? Der 23-jährige Hosam Katan fotografierte mehrere Jahre den Krieg im syrischen Aleppo für das Aleppo Media Center. 2015 musste er vor den Schergen Assads flüchten und lebt mittlerweile in Deutschland. In seiner Ausstellung „Yalla Habibi - Living with War in Aleppo“ zeigt er neben Bomben, Zerstörung und Toten auch den Alltag im Krieg: Kinder planschen in einem mit Wasser gefüllten Bombentrichter, buntes Obst und Gemüse wird vor zerstörten Gebäuden verkauft, am Horizont explodiert eine Bombe, während im Vordergrund das Straßenleben weitergeht, Kinder lassen in einem zerstörten Straßenzug bunte Luftballons aufsteigen. Das ist nicht absurd, sondern zeigt den Willen zum Leben und vor allem zum Überleben in Zeiten des Krieges. Kein Bild bringt das besser zum Ausdruck als sein bekanntestes, das in vielen Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt wurde. Zu sehen ist eine auf den ersten Blick normale Straßenszene, doch im Hintergrund stehen drei senkrecht aufgerichtete Autobusse, die den Eingang einer Straße versperren. Dies ist ein Schutz vor Granaten und Schüssen und ermöglicht, davor ungefährdet die Straße zu überqueren. Dieses Motiv machte auch hierzulande Karriere. In Dresden wurden drei solcher Autobusse in realiter aufgebaut, was zu Protesten von Rechten führte.
Abwechselnd werden Fotos des „Alltags“ und Fotos des Krieges, der Zerstörung und des Todes gezeigt. Bei diesen Fotos braucht man keine Erklärung, sie sprechen für sich. Das liegt sicherlich auch daran, dass der Krieg in Syrien weiterhin präsent ist. Nirgends sind auf den Fotos Waffen zu sehen, dennoch ist die Gewalt des Krieges immer zu spüren. Katans Aufnahmen zeigen aber vor allem, dass im Krieg vor allem die Zivilist*innen leiden, und unwillkürlich spukt beim Anblick die Frage im Kopf herum, wer von den Menschen auf den Bildern wohl noch lebt.
Eine ganz andere Art, den Krieg zu zeigen, wählt Sonja Hamad. Im Alter von drei Jahren verließ sie mit ihren kurdischen Eltern Damaskus in Richtung Nordrhein-Westfalen. 2015 und 2016 fuhr sie erst in den Irak und nachher nach Syrien ins kurdische Rojava, um kurdische Freiheitskämpferinnen zu fotografieren. Ihre Ausstellung „Jin, Jiyan, Azadi – Frauen, Leben, Freiheit – die kurdischen Freiheitskämpferinnen” hat viel Aufmerksamkeit bekommen. Einige dieser Fotos sind auch in Düsseldorf zu sehen, allerdings etwas unglücklich über drei Etagen verteilt. Hamad zeigt vor allem Portraits. Waffen und militärische Abzeichen sind darauf nicht zu sehen, einzig die Person. Das hebt sich wohltuend von den meisten bekannten Fotos kurdischer Freiheitskämpferinnen ab. Man ist beim Betrachten gezwungen, genauer hinzusehen, um dann doch mal eine Patrone im Gürtel zu erkennen oder ein kleines Abzeichen von Abdullah Öcalan. (Droht jetzt vielleicht die Schließung der Ausstellung, das ist schließlich neuerdings verboten?) Man muss zu den Aufnahmen wissen, dass bspw. die Schuhe, die Kleidung, der Gürtel oder die Uhren typische Utensilien der kurdischen Freiheitskämpferinnen sind, welche die Abgebildeten als Kämpferinnen ausweisen. Und man kann sicher sein, dass ihre Waffen bei den Fotoaufnahmen in Reichweite lagen, wie auf einem der wenigen Nicht-Portraits auch zu sehen ist. Auf diesem Bild schläft eine Kämpferin von der Photographin abgewandt, an der Kopfseite die Waffen, durch das Fenster eine weite Ebene.
Die Portraits zeigen beeindruckende Frauen, aus denen Selbstbewusstsein und das Wissen der eigenen Stärke spricht. Deshalb sind ihre Waffen auch gar nicht nötig, um dies zu unterstreichen. Es fehlen hier dennoch leider Erklärungen. Wenn man nicht weiß, dass noch vor wenigen Jahren diese kurdischen Landstriche extrem patriarchal geprägt waren und im Prinzip erst der Krieg gegen den IS dazu führte, dass die Frauen sich rasend schnell emanzipierten, kann diese Entwicklung, die letztendlich auch diese Photos zeigen, nicht ermessen. Der Titel der Ausstellung „Jin, Jiyan, Azadi“ ist der Slogan der weiblichen kurdischen Freiheitsbewegung in Kurdistan wie auch in Europa. Der ist auch auf jeder Demonstration in Deutschland, auf der Kurd*innen sind, hören. Der Freiheitskampf der kurdischen Freiheitskämpferinnen wie der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), die hier porträtiert werden, bietet den kurdischen Frauen eine auf Gleichstellung basierende Alternative abseits von rassistischer Diskriminierung, Bevormundung, Abhängigkeit, Zwangsverheiratung und Überausbeutung. Es ist etwas schade, dass dies in der Ausstellung so gar nicht rüberkommt. Aber liebe Kuratorin oder lieber Kurator, was bitte hat in der Ankündigung der Satz, dass die „Detailaufnahmen einen Blick für Momente weiblicher Anmut eröffnen“ zu suchen? In der Ausstellung selber wurde es noch verschlimmbessert, indem Anmut durch Anreiz ersetzt wurde. Solche Sätze konterkarieren die Ansprüche der Fotografin und auch die der Abgebildeten. Hier geht es nicht um Anmut oder Anreiz, die Frauen sind ausgesprochen erfolgreiche Kämpferinnen, die zusammen mit ihren männlichen Genossen den IS in die Flucht geschlagen haben und nun in Afrin gegen den völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei kämpfen.
Trotz dieser kleinen Kritikpunkte: Ansehen lohnt sich.
Bis zum 05.04.2018
Geöffnet Mo bis Fr von 10-18 Uhr
Haus der Universität
Schadowplatz 14
40212 Düsseldorf