TERZ 01.19 – KAPITAL AKTUELL
Im Bereich der Gräulinger Straße 120, dem Sitz des SANA-Krankenhauses in Gerresheim, hat es in der Vergangenheit mehrere tiefgreifende Umbrüche gegeben, die den kapitalistischen Verwertungsinteressen geschuldet waren.
Einst befand sich dort das Zentrum der Düsseldorfer Ziegelindustrie, das sich allerdings auflöste, als die Lehmbestände zur Neige gingen. Die Zeit des Zwangsarbeiterlagers gegenüber am Ratinger Weg endete. Auf dem Areal südlich der Bergischen Landstraße wurde 1971 das Gerresheimer Krankenhaus errichtet. Und das wurde in kommunaler Regie geführt. Bis Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) eingriff.
Erwin war besessen von der „Schwarzen Null“. Also Tafelsilber verkaufen und die Schuldenuhr am Rathaus nach sauber halten. Dazu benutzte er 2007 einen rechnerischen „Kunstgriff“, denn der neue Besitzer, die SANA Kliniken AG, erhielt 51 Prozent der Anteile und damit die volle Entscheidungsgewalt über alle Abteilungen, auch die Geburtshilfe, und bei der Stadt Düsseldorf blieben 49 Prozent ohne Befugnisse.
Für den Verkauf gab es die Zustimmung in den Rathäusern von Gerresheim und Düsseldorf. Allerdings nicht zu 100 Prozent. Die DKP, die mit einem Mandatsträger im Gerresheimer Rathaus vertreten war, votierte dagegen. Sie argumentierte, dass es für die Stadt und ihre Bürger*innen zumindest langfristig von Nachteil sei, wenn kommunales Eigentum, zumal ein Krankenhaus, privatisiert wird. Die Partei brachte verschiedene Anträge ein, um das Projekt zu stürzen. Aber Erwins Adlat*innen stimmten die DKP regelmäßig nieder.
Ein Aushängeschild unter den Fachabteilungen: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Hier zeigt sich aktuell, wie sich der Ausverkauf und der Verzicht auf Verfügungsgewalt auswirkt: Es wurde nicht rechtzeig dafür gesorgt, dass der Personalschlüssel im Kreißsaal so verbessert wird, dass es zu keinen Ausfällen kommt. Genau das passierte aber in einem so großen Umfang, dass der komplette Kreißsaal in Gerresheim von SANA geschlossen wurde. Der Betreiber verwies stattdessen auf die entsprechende Abteilung des Benrather SANA-Spitals. Was unter betriebwirtschaftlichen Gesichtspunkten Sinn machen könnte, hob allerdings die Nahversorgung im Stadtosten auf.
Schon vor anderthalb Jahren hatte die Dienstleistungsgewerkschaf ver.di auch die SANA-Kliniken aufgefordert, über einen Tarifvertrag Entlastung zu verhandeln. Die Argumente: „Durch die Personalnot sei der Druck auf die Beschäftigten enorm“, „Gesundheit darf nicht gefährdet werden.“ Unter kapitalistischen Verwertungsbedingungen ist der Personalschlüssel im Kreißsaal von SANA in Gerresheim kein singuläres Problem.
Jan von Hagen ist als Gewerkschaftssekretär von ver.di-NRW für Krankenhäuser zuständig: „Bundesweit fehlen 162.000 Stellen, 70.000 allein in der Pflege. 64 Prozent der Pflegekräfte müssen nachts allein durchschnittlich 26 Patient/innen pflegen und versorgen. Die Arbeitgeber haben die Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen, die durch entsprechende Tarifverträge zu regeln sind. Der Gesetzgeber hat die Verantwortung für eine gute Gesundheitsversorgung mit einer vorgeschriebenen Personalausstattung und einer ausreichenden, zweckgebundenen Finanzierung.“
Das gilt natürlich auch für die Kreißsäle. Der NRW-Landesverband der Hebammen stellt fest: „Die Geburtshilfe in NRW steht haarscharf vor dem Desaster.“ Besonders problematisch sei, dass in einigen Kliniken eklatante Unkenntnis über die Arbeitsinhalte von Hebammen herrsche und arbeitsrechtliche Vorgaben immer wieder außen vor bleiben. Der Appell des Verbandes geht deshalb an die Kliniken: „Es liegt an ihnen, gute Arbeitsbedingungen schaffen, um Hebammen anzuwerben und so in Geburtshilfe zu investieren!“
Neuer Geschäftsführer von SANA Kliniken ist jetzt Dr. Marc Heiderhoff. Er löst Christian Engler ab, Engler war während der Anfangsturbulenzen der Klinik zum Nachfolger von Dr. Birgit Fouckhardt-Bradt berufen worden. Auch in mehreren Abteilungen war es zu einem auffälligen Personalwechsel gekommen. Die DKP hatte schon in dieser Phase der jüngeren Krankenhausgeschichte Mängel im Personalbereich diagnostiziert. Vorschlag für die „Therapie“: Rekommunalisierung des kompletten Krankenhauses.
Uwe Koopmann