TERZ 02.19 – RECHT AUF STADT
Wir sind die Agentur für urbane Unordnung. Wir treten an, die herrschende Ordnung der Stadt in Bewegung zu bringen. Unser Mikro-Manifest ist eine Einladung. Eine Einladung an alle, die sich eine rebellische, gerechte, lebenswerte und solidarische Stadt für alle wünschen. Aber ist es nicht schön, wenn alles in Ordnung ist? Und wenn alles seine Ordnung hat?
Wir von der Agentur für urbane Unordnung sagen: Nein, das ist nicht schön! Weder ist alles in Ordnung, noch lebt es sich unter der herrschenden Ordnung in der Stadt gut und gerecht.
Wenn die Ordnung ohne Rücksicht agiert, ungerecht und gewaltvoll zu den Schwächsten ist und es einigen wenigen bequem macht, wenn sie noch dazu die letzten kreativen, verrückten und alternativen Nischen in Grund und Boden ordnet, wenn sie Wohnen zum Wettbewerb macht: Dann ist die Ordnung schlecht und muss in Unordnung gebracht werden!
Die Stadt wandelt sich zunehmend. Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung schwinden, Lebensweisen werden zwanghaft eingegliedert. Autos verschmutzen unsere Luft. Klimafreundliche Mobilität hat kaum eine Chance. Menschen verlieren ihre Wohnungen. Der Strom wird abgestellt.
Es wird aber auch enger. Hotels versiegeln die letzten Baulücken. Freie Flächen sind begehrt und ökonomisch wie politisch hart umkämpft. Was früher mal der Stadt gehörte, wurde an private Investor*innen verkauft. Im hochpreisigen Sektor entstehen ständig neue Quartiere und Gated Communities. Dagegen wetteifern Geringverdiener*innen um die letzten bezahlbaren Wohnungen.
Kulturvereine müssen wegen Konflikten mit dem Ordnungsamt schließen. Orte der kulturellen Vielfalt verschwinden. Teure Investor*innenprojekte verdrängen Menschen und alternatives Leben systematisch. Statt Kultur von unten, werden Sponsoren und Marketingfirmen für die Schaffung von Kulturevents beauftragt.
Was zurückbleibt ist eine befriedete Kulturlandschaft, welche für das Spektakel der Konsumgesellschaft ausgelegt wird.
Wir von der Agentur für urbane Unordnung weigern uns, auf den Trümmern einer falschen neoliberalen Wohnungspolitik, inmitten unnötiger und überteuerter Neubauprojekte, gegeneinander in Konkurrenz um das Grundrecht auf Wohnen und Kultur zu treten.
Aber es geht nicht allein um Wohnraum und Kultur. Es geht darum, wer an der Stadt teilhaben kann und wer nicht. Wer einen Anspruch auf urbanes Leben hat und wer draußen bleiben muss. Öffentliche Plätze verschwinden durch Privatisierung. Sitzgelegenheiten werden entfernt. Wohnungslose werden vertrieben. Jeder Meter der Stadt wird in Wert gesetzt.
Wer nicht in der Lage ist zu konsumieren, wird ausgesperrt, ist unerwünscht.
Dazu greift die Stadt zu einer Ordnung, die es darauf anlegt, die ärmsten Schweine der Stadt ins Aus zu drängen. Eine Straßensatzung gibt dem Ordnungsamt das Recht, Menschen von öffentlichen Plätzen zu verjagen, missliebiges Verhalten zu bestrafen, notfalls mit Gewalt.
Wo „privater“ Raum beginnt, den aber alle nutzen, wie z.B. der Hauptbahnhof, die Straßenbahn oder die Shopping-Mall, greifen Hausordnungen zum gleichen Zweck. Das ist nicht in Ordnung! Wer hier lebt, ist auch von hier und gehört dazu. Ob ein Mensch einen Pass hat oder nicht, einen Aufenthaltsstatus oder nicht, eine Wohnung, eine Arbeit, eine Krankheit oder keine – Ganz egal, die Stadt sind wir alle!
Die Stadt ist der Raum, in dem wir leben. Hier lieben, lachen und arbeiten wir. Bringen unser Pfand zurück, feiern bis zum Morgengrauen, gehen mit unseren Schwiegereltern ins Café. Doch gestalten können wir diesen Raum selten. Meistens entscheiden Investor*innen. Die kleinen Anteile politischer Beteiligung sind Augenwischerei zu dem, was möglich ist. Dabei ist Düsseldorf eine vielfältige Stadt: Es gibt Leute mit und ohne Kind, mit und ohne Job, Alteingesessene und Geflüchtete, Konservative und Rebellische, Rentner*innen und Punks, Obdachlose und Künstler*innen.
Wir alle und noch viele mehr bevölkern Düsseldorf. Jede und Jeder hat ein Recht auf Stadt, ein Recht auf Teilhabe und Gestaltung des Raumes., in dem wir gemeinsam leben.
Was uns die Marketing-Agenturen der Investor*innen und der Stadt als „Le flair“ und „Lebensqualität“ verkaufen, weisen wir empört zurück.
Wir verbinden Düsseldorf nicht mit „Eleganz“ und „facettenreicher Kultur“, sondern mit Wohnungsleerstand, hohen Mieten und systematischer Verdrängung von Menschen und alternativer Kultur.
Die Agentur für urbane Unordnung weiß, was die schönen Worte eigentlich bedeuten: Verwaiste Stadtviertel, Luxusquartiere und Langeweile. Wir wollen den Ausverkauf von Düsseldorf durch Akteur*innen und Profiteur*innen der neoliberalen Stadtentwicklung nicht weiter hinnehmen. Wir haben kein Interesse an einer Stadtplanung von oben, die an den Bedürfnissen der meisten hier lebenden Menschen vorbeigeht. Wir wollen nicht auf den Zuschauer*innenplätzen sitzen, während uns neue Stadtviertel vor die Nase gesetzt werden, in denen wir weder leben können noch wollen. Wir fordern ein Recht auf Stadt für alle, unabhängig des Einkommens, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der Herkunft.
Gemeinsam wollen wir uns die Stadt zurückerobern. Den Asphalt aufbrechen, Wände besprühen, an den Glaspalästen kratzen, uns Räume nehmen und feiern. Wir wollen Gärten statt Parkhäuser, Ateliers statt Shoppingarkaden, Freiräume statt Konsumtempel. Wir wollen solidarische Räume für Begegnungen und für Austausch. Wir wollen selbstbestimmte Räume, die allen, die hier leben, offen stehen. Ohne Eintritt, ohne Schranken, ohne Zäune, ohne Ordnung.
Also nehmen wir uns die Stadt zurück. Vielleicht nicht die ganze auf einmal, aber Stück für Stück:
Und wir beginnen jetzt.
Agentur für urbane Unordnung – Januar 2019