Heine-Institut zeigt: „Lüpertz malt ab“

Lüpertz‘ Kopien von Michelangelos Fresken sind noch bis zum 17. März zu sehen.

„Geldmachen ist die Revolution“ las ich gleich am Eingang. Ach nein, da steht ja: „Geltendmachen“. Dieses „Diktum“ würden die Künstler*innen leben. Nun ja.

Markus Lüpertz hat die Nackten aus Michelangelos Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle abgezeichnet. Die Rheinische Post feixte: „Michelangelo gilt als Genie. Auch Markus Lüpertz wähnt sich selbst in vergleichbaren Qualitäts-Regionen, was ihn vor zwei Jahren dazu ermunterte, beim großen Vorgänger abzumalen.“ Noch süffisanter der Titel der Rezension: „Lüppertz malt ab“. Und das sieht alles ein bißchen nach Géricault (1791-1824) aus. Der gleiche kräftige, grobe Strich, doch nicht ganz so gut wie bei dem Titanen, den Heine einst als „Eröffner einer neuen Malerschule in Frankreich“ gefeiert hatte. Die Wände der beiden Ausstellungsräume zieren Sonette von Michelangelo. Im zweiten steht ein Tisch, als Tischdecke dient ein Druck von Michelangelos Deckenfresko auf PVC, auf der wiederum Fotos von Lüpertz‘ Adaptionen drapiert sind. Dazu an der Decke „ein sinnenfroher Heine-Vers“, heißt es in der RP. „Dieses unglaubliche Deckengemälde mit der Erschaffung Adams im Zentrum war wegen seiner Kunst, aber auch wegen der vielen nackten Männer seinerzeit eine Sensation, eine Erregung, ein echter Skandal.“ Ja, das war 1512. Und das ist alles?

Dass sich Heine recht eingehend zu den Malern der italienischen Renaissance geäußert hat, bleibt eine Leerstelle in den zwei Räumen. In die „L‘Europe littéraire“ hatte er 1833 setzen lassen: „Die Maler Italiens polemisirten gegen das Pfaffenthum vielleicht weit wirksamer als die sächsischen Theologen. Das blühende Fleisch auf den Gemälden des Tizian, das ist alles Protestantismus. Die Lenden seiner Venus sind viel gründlichere Thesen, als die welche der deutsche Mönch an die Kirchenthüre von Wittenberg angeklebt.“

Kunst im Widerspruch mit der Gegenwart

Heine schließt in jener Passage die Frage an: „Oder bilden die marmornen Kraftgestalten des Michelangelo, die lachenden Nymphengesichter des Giulio Romano und die lebenstrunkene Heiterkeit in den Versen des Meisters Ludovico nicht einen protestirenden Gegensatz zu dem altdüstern, abgehärmten Catholizismus?“

Nicht nur diese Zeilen fehlen in der Ausstellung, sondern auch jene, die der Dichter am 16. November 1831 im „Morgenblatt für gebildete Stände“ drucken ließ. Heine bezieht da klar Stellung gegen eine Kunst, die „im unerquicklichsten Widerspruch mit der Gegenwart“ steht. Die aufflammenden sozialen Unruhen – Heine nennt sie „Zeitbewegungen“ – müssten eine Inspirationsquelle für die Kunst sein, „wie einst in Athen und Florenz, wo eben in den wildesten Kriegs- und Partheystürmen die Kunst ihre herrlichsten Blüthen entfaltete.“ Er erläutert: Denn „jene griechischen und florentinischen Künstler führten kein egoistisch isolirtes Kunstleben, die müßig dichtende Seele hermetisch verschlossen gegen die großen Schmerzen und Freuden der Zeit.“ Und in jener Passage heißt es: „Phidias und Michelangelo waren Männer aus einem Stück“ und „ihre Werke waren nur das träumende Spiegelbild ihrer Zeit“. Denn „sie trennten nicht ihre Kunst von der Politik des Tages, sie arbeiteten nicht mit kümmerlicher Privatbegeisterung, die sich leicht in jeden beliebigen Stoff hineinlügt.“ Der Dichter führt weitere Beispiele an: „Aeschylus hat die Perser mit derselben Wahrheit gedichtet, womit er zu Marathon gegen sie gefochten, und Dante schrieb seine Comödie nicht als stehender Commissionsdichter, sondern als flüchtiger Guelfe, und in Verbannung und Kriegsnoth klagte er nicht über den Untergang seines Talentes, sondern über den Untergang der Freyheit.“

Alles dies suchen wir aber vergebens in der Ausstellung. Welch ein Bogen hätte sich hier zu Lüpertz schlagen lassen! War es nicht er, der ganz oben auf dem Baum im Hambi saß? Und war es nicht Markus Lüpertz, der heroisch und ganz allein die Ausfahrt von Rheinmetall blockierte, um den Abtransport der über Drittstaaten für Syrien bestimmten Rüstungsgüter zu blockieren? Und war es nicht eben jener Künstler, der beim Streik des Uniklinik-Personals vorneweg war, um die Einstellung von mehr Fachkräften zu erkämpfen? Oder doch nicht?

Nur ein Diktum

Die Lüpertz-Schau wird von dem städtischen Institut, das Heines Namen trägt, in Kooperation mit der Galerie Beckner präsentiert. Kurator ist Heinrich Heil, in Sachen Kultur die rechte Hand des „Konzern Stadt“-Oberbürgermeisters Thomas Geisel. Mit Heil wurde jemand ins Leitungsteam geholt, der bereits über Baselitz und Lüpertz publizierte, immerhin zwei Artisten von Weltrang, deren Werke weltweit auf Auktionen Spitzenpreise erzielen. Diese Ausstellung vermag uns einen Vorgeschmack darauf zu geben, was uns und unseren Dichter*innen blüht, wenn es den „Konzern Stadt“-Verfechter*innen weiterhin gelingt, so widerstandslos Fuß zu fassen wie bisher. Wischen wir uns den Sand aus den Augen.

Vom ganzen Heine bleibt uns am Ende nur ein „Diktum“, ein „Geltendmachen ist die Revolution“. Zuhause habe ich „Geltendmachen“ in die Suchmaske des Heine-Portals eingegeben. Auf dem Desktop erschienen die Zeilen: „Das Leben ist weder Zweck noch Mittel; das Leben ist ein Recht. Das Leben will dieses Recht geltend machen gegen den erstarrenden Tod, gegen die Vergangenheit, und dieses Geltendmachen ist die Revoluzion.“ Diese Zeilen sind nicht nur verständlich, sie klingen auch vernünftig. Werden jedoch eben jene vier Worte aus dem Text isoliert und zum „Diktum“ erhoben, klingt es derart verschwurbelt, als hätte es ein Hegel oder ein Heidegger in einem tiefen dunklen deutschen Wald ersonnen.

Thomas Giese

Sonderausstellung bis 17. März Heinrich-Heine-Institut Bilker Straße 12-14 (Erwachsene 4 Euro, ermäßigt 2 Euro, bis 18 Jahre frei – ab 16:00 Uhr und Sonntags kostenloser Eintritt)