TERZ 03.19 – ALLE MÜSSEN FALLEN
Im vergangenen Jahr haben die politischen Vertreter*innen im Rat der Stadt Düsseldorf beschlossen, die Straßennamen in der Stadt durch einen kleinen Kreis von Expert*innen auf ihren historischen Gehalt bzw. ihre Unwucht hin prüfen zu lassen.
Stadtarchiv, Mahn- und Gedenkstätte und eine eigens mit den Recherchen beauftragte Historikerin haben die Arbeit aufgenommen und ein parteiübergreifend eingesetzter wissenschaftlicher Beirat hat Ende letzten Jahres bereits eine Auswahl von 100 Personen-Namen getroffen, die als Wackelkandidat*innen gelten können. Konkret geht es darum zu prüfen, ob die „Personen“, nach denen Straßen benannt sind, „nach heutigen Maßstäben als gesellschaftliches Vorbild gelten dürfen, da die Benennung einer Straße nach einer Person eine der höchsten Ehrungen“ durch eine Kommune sei (WZ 24.10.2018).
Bis Ende 2019 soll nun erstmals konzentriert geprüft werden, ob es in Düsseldorf Personen-Straßennamen gibt, die an Menschen erinnern, die Nazis, Kolonialist*innen, Nazi-Mitläufer*innen, -Nutznießer*innen oder Militarist*innen sondergleichen waren. In Gang gesetzt werden soll dann die kritische Prüfung, ob eine Umbenennung dringend anzuraten, zu diskutieren oder als Empfehlung in den Raum gestellt werden soll – wie das vorzulegende Gutachten der Kommission bis Ende des Jahres zusammentragen wird. Ob und wenn ja wann und wie es dann letztlich zu einer Umbenennung kommt, entscheidet sich abschließend im Rat der Stadt.
Das Kommissionsverfahren und die bisher nicht öffentlich bekannte Auswahl der 100 potenziell belasteten Straßennamen sind aus gutem Grund genau so – also nicht zur vorzeitigen Diskussion – geplant worden. Wie die Kommission im Oktober 2018 anlässlich einer Pressekonferenz mitteilte, wolle man den wenig fruchtbaren „Einzeldebatten“ ein Ende setzen und auf Basis fundierter Recherchen ein Gesamtgutachten erstellen, auf dessen Grundlage informiert entschieden werden könne, ob die Ehrung etwa von Kolonialverbrechern wie Carl Peters oder Adolf Lüderitz noch in unsere Zeit passe – oder ob „Amselweg“ oder „Sonnenstraße“ nicht vielleicht hübscher wären.
Offenbar ohne die Ergebnisse abwarten zu wollen, hat die Rheinische Post sich aber bereits jetzt auf den Weg gemacht, genau jene „Einzeldebatten“ zu befeuern, die die Kommission zur Prüfung der Straßenumbenennung mit ihrer Arbeit vermeiden wollte. Im Januar befragte sie im Düsseldorfer Stadtteil Urdenbach Anwohner*innen nach ihrer Meinung zum Thema – und hat dabei offenbar niemanden finden können, der oder die es merkwürdig oder schwierig findet, zum Beispiel in der Lüderitzstraße zu wohnen. Die Geschichte des Kolonial-Großunternehmers, der sich im heutigen Namibia auf heute mindestens fragwürdige bis illegale Weise Land aneignete, sei doch sowas „von gestern“ oder halb so schlimm, Diskussionen zur Beendigung seiner Ehrung seien überflüssig. Und überhaupt: Wolle sich die Politik nicht lieber um die wirklichen „Probleme“ wie „Armut und Flüchtlinge“ (RP vom 25.1.2019) kümmern? Initiativen wie etwa die Engagierten der Gruppe „Keine Ehrung für Kolonialverbrecher – neue Namen für Urdenbacher Straßen“ hätten seit Jahren für Missstimmungen im Stadtteil gesorgt und jeder Gegenrede „den Mund“ verboten, wie sich eine Anwohnerin in der RP namentlich zitieren lässt. Freilich kommt die Initiative im RP-Artikel nicht zu Wort – die Wahrnehmung der Urdenbacher Anwohnerin bleibt unkommentiert.
Vielleicht sollte sich also eine neue Initiative gründen: Wie wäre es etwa, alle Kolonialherren-Straßen in Urdenbach hießen über Nacht „Goebbelsweg“ oder „Adolf-Hitler-Straße“? Auch „Eva-Braun-Platz“ wäre denkbar, will mensch nicht gleich den Holzhammer auspacken.
Natürlich verbieten sich derlei hinkende Vergleiche. Aber als Gedankenspiel wäre es ja mal nicht schlecht, werte Anwohner*innen: Wieviel Schuld für Völkermorde, Raub oder Versklavung ist denn noch OK für Eure Anschrift? Ab wann verjährt denn ein Verbrechen gegen die Menschheit, dass eine Postanschrift noch schick ist? Ab wann wäre Euch ein Briefkopf peinlich? Wollt ihr das vielleicht mal einbeziehen in Eure kurzschlüssigen Abwehrreflexe?
Der Arbeit der Kommission ist in jedem Fall die Möglichkeit zu wünschen, sorgfältig zu recherchieren und mit kühlem Kopf zusammenzutragen, was andere dann später mit dem Arsch wieder umschmeißen können (oder schon damit angefangen haben). Dann wären wir schon ein Stück weiter.