Widerstand ist Leben

Auch in Düsseldorf setzen Aktivist*innen einen Zeichen und beteiligten sich an der Kampagne #7000gegenisolation, die auf die Hungerstreiks gegen die Repressionspolitik der Türkei aufmerksam macht

Wenn kurdische und internationalistische Freund­*in­nen in Düsseldorf auf die Straße gehen in Solidarität mit der kurdischen Bewegung, tun sie das seit langen Jahren immer auch mit Blick auf die Repressionen, denen kurdische Strukturen – seit dem Verbot der Kurdischen Arbeiterpartei PKK 1993 auch in Deutschland – ausgesetzt sind. Seit Wochen spielt dabei die wohl intensivste Intervention gegen Repressionen, die politische Aktivist*innen, haben, eine Rolle: Der Hungerstreik.

Seit Anfang November 2018 ist die kurdische HDP-Politiker*in Leyla Güven nun im Hungerstreik. Begonnen hat sie während ihrer Haftzeit im türkischen Knast, als Oppositionelle gegen das AKP-Regime eines Recep Tayyip Erdoğan. In der Zwischenzeit haben sich Tausende Menschen, politische Gefangene und Aktivist*innen, Leyla Güven angeschlossen. Allein in türkischen Knästen werden es an die 7.000 Menschen sein, die sich mit dem Mittel des Hungerstreiks an die Weltöffentlichkeit wenden. Sie bringen damit ihre Forderung nach einem Ende der Inhaftierung von politischen Gefangenen in der Türkei zum Ausdruck, insbesondere nach dem Ende der Isolation und Haft für Abdullah Öcalan – verknüpft mit der Forderung nach Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen der kurdischen Bewegung und der türkischen Regierung. Es geht also kaum um bloße Interessenpolitik für die Person des PKK-Gründers Öcalan. Der Hungerstreik ist vielmehr eines der drastischsten Mittel, das Thema Repression und politische Gefangenschaft auf die Tagesordnung internationaler Aufmerksamkeit zu setzen. Für diese Ak­tions­strategie scheint sich bislang aber kaum jemand zu interessieren. In Deutschland dürfte der Hungerstreik als Mittel des politischen Protestes vielerorts auch auf Ablehnung, mindestens aber auf kritische Nachfragen stoßen. Grundsätzliche Zweifel bestehen wohl nicht zuletzt daran, ob sich etwa staatliche Strukturen von Hungerstreikenden und dem Einsatz ihrer Körper als Druckmittel zu Entscheidungen hinreißen lassen, die den Forderungen der Streikenden entsprechen. In der linken und kurdischen Bewegung in der Türkei haben Hungerstreiks allerdings einen anderen Stellenwert. Ihre Geschichte ist eng mit den Erfolgsaussichten etwa zur Beendigung von Isolationshaft verknüpft. So hat der Hungerstreik von Leyla Güven (als einer von 24 inhaftierten HDP-Abgeordenten in türkischen Knästen) zuletzt dazu beigetragen, dass Öcalan, der seit über 20 Jahren in vollständiger Isolation inhaftiert ist, Besuch von seinem Bruder erhalten konnte – in den letzten vier Jahren zuvor war dies genau zwei Mal der Fall. Persönlichen Kontakt mit seinen Anwält*innen wurde ihm zuletzt vor über sieben Jahren gewährt. Leyla Güven wiederum selbst ist – nicht zuletzt wegen ihres Hungerstreiks – aus der Haft entlassen worden und führt den Streik nun zuhause weiter.

Doch auf politischem Parkett schweigen alle Parlamente, die diplomatischen Vertretungen erwecken keinerlei Anzeichen, in ihrer internationalen und bilateralen Arbeit irgendeinen Bezug auf die Tausenden von Hungerstreikenden nehmen. In Deutschland ist es vor allem Gökay Akbulut (Die LINKE), die als Mitglied des Bundestages die Bundesregierung regelmäßig auffordert, sich zu den Hungerstreiks zu verhalten. Vor allem dazu, dass durch diese radikale Form der ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ im weitesten Sinne einmal mehr auf die grund- und menschenrechtsverletzende Repressionspolitik des türkischen Staates hingewiesen und Einfluss genommen wird. Wie Akbulut am 23. März 2019 schreibt, antwortet die Bundesregierung auf ihre Nachfragen jedoch stets ausweichend. „Für die Bundesregierung“, so Akbulut, „sind scheinbar die wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei wichtiger als die Menschenrechte dort.“ Dabei könnte die Bundesregierung „die Türkei dazu bringen, die Rechtsstaatlichkeit für die politisch Inhaftierten zu gewähren und damit auch die Leben der Menschen im Hungerstreik retten.“

Angesichts dieser schweigenden Mehrheit ist es kaum verwunderlich, dass kurdische und internationalistische Aktivist*innen – auch in Düsseldorf – versuchen, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. So beteiligten sich auch Düsseldorfer Gruppen an der bundesweiten Kampagne „#7000gegenisolation“, mit der am 25. April Initiativen und Aktivist*innen auf den Hungerstreik und die damit verbundenen Forderungen aufmerksam machten. Wenige Tage zuvor hatte eine Gruppe kurdischer Jugendlicher mit einer cleveren Aktion dafür gesorgt, dass in wenigen Minuten hunderte Menschen von den Hungerstreiks erfuhren: Sie hissten am Ostersamstag auf dem Ausflugsschiff „Rhein-Poesie“ ein Transparent – just in dem Moment, als das Schiff am belebten Burgplatz in der Düsseldorfer Altstadt vorbeifuhr.

Es braucht ohne Zweifel mehr solcher Momente der Solidarität – hier und überall. Schließen wir uns an!

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