TERZ 05.19 – RECHT AUF STADT
In Düsseldorf boomt der Bau von Mikro-Apartments. Sie stellen derzeit das lukrativste Anlage-Modell auf dem Immobilien-Markt dar, denn die Rechnung ist einfach: 100 Schlafschachteln auf einem Grundstück werfen viel mehr Profit ab als 30 anständig geschnittene Wohnungen. Aber es regt sich auch Protest.
„Wohnwert trifft Mehrwert“, mit diesen Worten wirbt „Campus Vita“ für seine Mikro-Apartments und verspricht: „Mit uns investieren Sie in eine zukunftsträchtige Immobilie.“ Und der Immobilien-Dienstleister „CBRE“ preist „den attraktiven Rendite-Vorsprung gegenüber klassischen Wohn-Immobilien“. Andere Unternehmen stellen indes einen doppelten Nutzen in Aussicht: „Mein Sohn will zum Studieren nach Berlin, ich zum Investieren.“
Nach Düsseldorf wollen auch viele. „Pro Urban“ errichtet für sie an der Grafenberger Allee 123 „möblierte Mikro-Apartments“, und das „Grand Central“-Projekt am Hauptbahnhof kommt ebenfalls nicht ohne das neue Ding am Immobilien-Himmel aus. „Frankonia Europa“ macht derweil aus den ehemaligen Königskindern am Medienhafen Schrumpf-Schlösser, während „die Projektisten-GmbH“ in ein ehemaliges Büro-Gebäude auf der Kanzlerstraße 120 Mini-Behausungen einziehen. „Solidare“ hat in Unterbilk gleich zwei Objekte mit 80 bzw. 186 Wohn-Einheiten „under construction“, und gar zu einem Dreifachschlag holt „Cube Real Estate (CRE)“ aus. Das Unternehmen baut auf der Merziger Straße, der Heinrichstraße und in der Nähe der Kiefernstraße. Den Standort am einstigen Häuserkampf-Hotspot scheint CRE dabei durchaus mit Bedacht gewählt zu haben. Den Projekt-Entwicklern schwebten ganz offensichtlich solche Käufer*innen vor, die den – von der Bausparkasse LBS präsentierten – Rat der Zeitschrift „Das Haus“ in Sachen „Mikro-Apartments“ beherzigen wollen: „Investieren Sie lieber in eine Wohnung in einem beliebten Stadtviertel oder in einem Stadtviertel, das gerade trendig wird – einst eine rebellische Nachbarschaft, heute auch bei jungen Familien und Studenten gerne gesehen.“ Nur von seinen Hotel-Plänen an der Kiefernstraße hat der Konzern mittlerweile Abstand genommen, freilich nicht ganz freiwillig. „Wir haben verstanden, dass sich alle Beteiligten ausschließlich Wohnungen auf unserem Grundstück wünschen, und wir sind der Meinung, dass Wohnnutzung auch auf dem Sondergebiet möglich wäre“, bekundet Geschäftsführer Tilman Gartmeier.
Die Gründe für den Bau-Boom liegen auf der Hand. 100 Schlafschachteln werfen mehr Geld ab als 30 anständig geschnittene Wohnungen: In Düsseldorf liegen die Durchschnittspreise für Quartiere unter 36 Quadratmeter bei sage und schreibe 28 Euro Miete pro Quadratmeter. Zudem lassen sie sich die Wohnungen gut an Leute mit mittlerem Einkommen verkaufen, die sich auch mal gerne zu Immobilien-Besitzer*innen zählen möchten. Und was für eine Rendite lockt, wenn Cube Real Estate auf dem Merzigerstraße-Grundstück, wo einst nur ein Einfamilienhaus stand, ein Gebäude mit sieben Stockwerken und 111 Mikro-Apartments hochzieht, ist leicht auszurechnen. Deshalb konnte CRE das Objekt schon vor der Fertigstellung an den Immobilien-Spezialfonds der Commerzbank verkaufen.
Damit nicht genug, halten die Mikro-Apartments noch mehr Vorteile bereit. Da es sich immer um möblierte Wohnungen handelt, gelten für sie weder Mietspiegel noch Mietpreis-Bremse. Zudem gibt es in den Häusern eine starke Fluktuation, was zahlreiche Gelegenheiten zu einer „häufigeren Mietpreis-Anpassung“ bietet, wie das Unternehmen „Belform“ herausstreicht. Als Zielgruppe haben die Vermieter*innen neben Student*innen nämlich noch andere eher temporäre Nutzer*innen im Sinn wie etwa „Young Professionals“ und Personen, die ihr Job kurzzeitig in die Stadt verschlägt. Damit antworten die Wohn-Klos in den Augen ihrer Anbieter*innen auf langfristige gesellschaftliche Trends wie Individualisierung, Multilokalität und Entgrenzung der Arbeit. Passenderweise entstammt das Konzept „Mikro-Apartments“ auch der Hotel-Branche, entwickelt als billigere Alternative zu Hilton & Co. für Leute mit längeren, aber nicht allzu langen Wohnplänen.
Schöner wohnen geht allerdings anders. „Wollen die Leute so leben oder ist es aus der Not geboren?“, darüber muss selbst Corvin Tolle der Firma „Rohrer Immobilien“ grübeln, die in Berlin mehrere hundert Wohn-Waben verwaltet. Zu der Bezeichnung „smartment“ zu greifen, „weil künftige Mieter beim Wort ‚Mikro-Apartment‘ (...) möglicherweise Platzangst bekommen“ (Süddeutsche Zeitung), dürfte dabei nicht reichen, um die Zweifel zu beseitigen. Noch dazu stellen die Schuh-Kartons nicht nur für seine Bewohner*innen eine Herausforderung dar, sondern auch für den Stadtteil, passen sich die Taubenschläge mit ihrer hohen Fluktuationsrate doch nur schwer in die Umgebung ein. „Die städtebauliche und vor allem sozialräumliche Einbindung von Mikroapartment-Anlagen ist folglich anspruchsvoll“, hält Simon Hein in der Zusammenfassung seiner Masterarbeit zum Thema fest. Andererseits erhofft er sich inkonsequenterweise von den Mikroapartmentler*innen nach dem Motto „Wohnst Du noch oder lebst Du schon auf der Straße“ durchaus positive Effekte auf die Umwelt: „Auch kann die minimierte private Wohnfläche der Apartments dazu führen, dass Bewohner Tätigkeiten vermehrt in den öffentlichen Raum auslagern und eine Belebung dessen bewirken.“
Die Anwohner*innen glauben nicht an eine solche Belebung. Ihnen sind die Bauten nicht geheuer. So nennt eine Kiefernstraßen-Initiative die CRE-Pläne für Flingern-Süd (damals nicht nur mit 150 Mikro-Apartments ab 500 Euro Monatsmiete, sondern auch noch mit zwei Hotels) „ein aktuelles Beispiel für städtebauliche Fehlplanung“. Nach Meinung der Aktivist*innen sorgt die Leverkusener Firma nicht für dringend benötigte bezahlbare Wohnungen, obwohl solche auf der von ihr erworbenen Fläche eigentlich entstehen sollten. „Im Jahr 2002 einigte man sich in einem städtebaulichen Vertrag zwischen dem damaligen Grundstückseigentümer und der Stadt Düsseldorf darauf, auf dem Areal (Parkplatz Kiefernstraße/Erkrather Straße) ‚sozialen Wohnraum’ zu errichten. Doch dazu kam es nie“, heißt es in der Online-Petition gegen das Vorhaben von Cube Real Estate.
Und an der Grafenberger Allee regt sich Protest gegen das „Pro Urban“-Projekt, an die Stelle des ehemaligen „Landesamtes für Statistik“ ein Gebäude mit 123 vollmöblierten Apartments zu setzen, die „den Wunsch nach einer guten Geldanlage und Investition in die Zukunft mit der Suche nach einer attraktiven Rendite mit stabilem Wertzuwachs“ vereinen. „Das sind keine Wohnungen für Düsseldorfer oder Familien“, sagte etwa die Anwohnerin Brigitte Ulrich der Rheinischen Post. Ein weiterer Anwohner, Rüdiger Wolff, fürchtet sogar, die Eigentümer*innen hätten als Klientel hauptsächlich AirBnB-Tourist*innen im Sinn; mit diesem Geschäftszweig werden die Mikroapartments allerdings bisher eher nicht in Zusammenhang gebracht. Überdies sieht Wolff ein Parkplatz-Chaos voraus.
Aber vielleicht kommt doch alles nicht so dicke mit den Mikroapartments. Es mehren sich nämlich die Anzeichen dafür, dass der Markt für diese Anlage-Klasse seinen Zenit schon überschritten hat. Die Expert*innen sprechen bereits von einer „Rendite-Kompression“ angesichts der rund 3,75 Prozent, welche die Minis in der Spitze momentan so abwerfen, denn die Zahlen lagen schon einmal deutlich höher. Die Frage nach einem Überangebot in diesem Segment beantwortet Rainer Nonnengässer von der Investment-Firma „MPC Capital“ mit einem „Jein“ und rät: „Es gibt Städte, bei denen ich vorsichtig wäre.“ Ruth Oressek-Kruppa vom Planungsamt zählt Düsseldorf dazu und warnt ebenfalls: „Wir mahnen zur Vorsicht.“ Angesichts rund 1.000 avisierter Mikro-Apartments in der Stadt hält sie den Bedarf für gedeckt.
Jan