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Ankommen statt Abschieben

Die Düsseldorf Geflüchteten-Initiative STAY! unterstützt seit Jahren Menschen in Fragen von Aufenthalts- und Asylrecht – und braucht unsere Hilfe, damit das auch in Eiszeiten der Festung Deutschland so bleibt.

Am 17. April 2019 stimmte das Bundeskabinett dem Referenten-Entwurf des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) zu. Das „Zweite Gesetz zur besseren Durchführung der Ausreisepflicht“ markiert unter dem Arbeitstitel „Geordnete Rückkehr-Gesetz“ nun also einmal mehr die Total-Absage an alles, was die Koalitionspolitiker*innen sich an „Humanität“ auf die Fahnen schreiben könnten. Wenn sie wollten. Aber sie wollen offenbar nicht.

Kaum eine*r hätte anderes erwartet. Weder von einem alten weißen Mann, der sich an seinem Geburtstag über Abschiebungen nach Afghanistan freut. Noch von den Koalitionspartner*innen der Sozialdemokrat*innen, die schon seit Jahren immer fleißig mitstimmen, wenn es um den Ausbau der Festung Europa, die Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl oder um die Besserstellung der Etablierten gegenüber gerade angekommenen Menschen in Deutschland geht. Zuletzt etwa durch einen Gesetzesentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der vorgibt, gegen Menschenhandel und Arbeitsausbeutung sowie gegen Sozialleistungsbetrug durch neu-eingereiste EU-Bürger*innen vorgehen zu wollen. Tatsächlich aber schlägt Scholz’ Gesetz den Hund und nicht den Herrn. Denn es zielt in rassistischer Weise auf die Kriminalisierung von Menschen, die sich in der Zwangslage sehen, für einen Hungerlohn auf dem Ausbeutungsschwarzarbeitsmarkt ihre Haut zu Markte zu tragen oder die als Verschiebemasse im Graubereich der EU-Binnenmigration gehandelt werden, als billige Arbeitskräfte – als dringend gesuchte Spargelstecher*innen etwa, die nach der Saison dann aber bitte wieder verschwinden und nicht von kriminellen Profiteur*innen in Schrottimmobilien untergebracht werden sollen. Ausgesprochen wird es nie, aber das Wort „Roma“ und „Zigeuner“ schwingt stets mit, auch wenn es, wie in diesem Fall, um den Finanzministeriums-Werkzeugkasten der „Das Boot ist voll“-Politiker*innen von Sozis bis Union geht.

Geordnet abschieben

Ähnlich aufgestellt ist auch Seehofers „Geordnete Rückkehr-Gesetz“. Es sieht vor, dass Menschen vor Vollstreckung ihrer „Ausreise“ über einen längeren Zeitraum und vor allem auch in Einrichtungen des Strafvollzugs verbracht werden können – nicht mehr nur allein in Abschiebeknäste wie den im nordrhein-westfälischen Büren. Außerdem kriminalisiert die neue Gesetzgebung Menschen, die nicht im für die Behörden ausreichenden Maße an der Klärung ihrer Identität „mitwirken“ – sprich, ohne Ausweis- bzw. Passdokumente in Deutschland sind und kaum die Chance haben, entsprechende Papiere zu besorgen. Hier dreht das neue Gesetz im bekannten Liedtext die Tonart noch einmal mehr auf Härte. Denn dafür, dass Behörden in Herkunfts- oder vormaligen Aufenthaltsländern von Geflüchteten trotz größter Bemühungen der Betroffenen keine Papiere ausstellen oder sich unendlich viel Zeit damit lassen, ist die betroffene Person schlichtweg nicht zur Verantwortung zu ziehen. Diese missliche Lage ist nicht neu, und alle wissen, dass hier nicht die eingereiste Person und ihre vermeintlich ungenügenden Bemühungen sondern zumeist das Nicht-Bemühen der Behörden der Ausreiseländer dafür sorgen, dass Papiere auch mittelfristig fehlen.

Das Bundeskabinett aus CDU/CSU und SPD interessiert das aber wenig und setzt Repressionen an: Betroffene „ohne geklärte Identität“ sollen künftig eine Art „Duldung light“ (taz, 17.04.2019) verpasst bekommen, geknüpft an noch härtere Wohnsitzauflagen, die Sperrung von Arbeitserlaubnissen und Bußgelder.

Um vor der Abschiebung Fluchten unmöglich zu machen ist die freiheitsentziehende Maßnahme – die Abschiebehaft – das Mittel zum Zweck, wenn es nach der Haltung des Bundeskabinetts geht. Doch die Abschiebeknäste sind voll (oder existieren nicht bundesweit). Darum will das Innenministerium die Abschiebehaft auch in Strafvollzugsanstalten durchführen können – ein Gesetzesbestandteil, der gegen das Europäische Recht verstößt. So sehr, dass sogar NRW-Innenminister Peter Biesenbach (FDP), der sonst keine so großen Probleme mit extralegalen Freiheitsentziehungen hat (wie etwa im Fall des in Haft in Kleve verbrannten Geflüchteten Amad Ahmad – der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu dessen Tod steht noch aus), von Rechtswidrigkeit spricht. Kann er auch gut, denn er hat mit der sogenannten „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ in Büren zu seiner Erleichterung den größten Abschiebeknast ja direkt vor der Haustür.

Unter weiteren Punkten droht das „Geordnete Rückkehr-Gesetz“ schließlich Mitarbeiter*innen von Behörden, die den Betroffenen oder Dritten Auskunft über Fakt und Zeitpunkt von Abschiebungsmaßnahmen geben, Strafverfolgung wegen Verrats von Dienstgeheimnissen an. Ursprünglich sollte diese Kriminalisierungsstrategie nach Wunsch des Bundesinnenministeriums auch etwa für Unterstützer*innen oder zivilgesellschaftliche Organisationen in der Asylrechtsberatung gelten, wenn sie Abschiebe-Termine oder Orte öffentlich machen oder die Betroffenen informieren. Auch wenn diese Ausweitung im Gesetzesentwurf, dem das Kabinett im April zustimmte, zuvor doch noch aus dem Entwurf gestrichen worden ist, bleibt die Gefahr, dass Unterstützer*innen wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat belangt werden, wenn sie von Behördenmitarbeiter*innen (die ihrerseits Strafverfolgung zu erwarten haben) Informationen über Abschiebungstermine oder die Namen von Betroffenen erhalten.

Institutionelle Gewalt

Und all dies wird ausgedacht von Köpfen, die allesamt klug oder potentiell informiert genug sein dürften, um zu wissen, dass die Festung Europa, allen voran die BRD, einen erheblichen Anteil daran hat, dass Fluchten überhaupt überlebenswichtig werden. Waffen(teile)lieferungen und Rüstungsgüter aus deutscher Produktion gelangen nach wie vor über Umwege etwa in den Jemen – mit Genehmigung der Bundesregierung, versteht sich. Der Staat, der Exporte von Rüstung und Munition zur Freude der Waffenindustrie von Rheinmetall und Co. weiterhin möglich macht, ist der selbe, der Menschen in die Gebiete, in denen sie mit diesen Waffen getötet werden können, zurückschickt – und zwar mit der brutalen Gewalt eines Gesetzes, das schon im Arbeitstitel soviel Menschenverachtung trägt, dass es kaum noch als „Euphemismus“ bezeichnet werden kann.

Diese Bundesrepublik kriecht ein paar Kilometer weiter westlich auch weiterhin für einen „Flüchtlingsdeal“ und halbwegs lukrative Absatzmärkte einem Recep Tayyip Erdoğan in den Arsch und übersieht geflissentlich dessen Menschenrechtsverbrechen gegen kurdische Zivilist*innen. Weiterhin schweigt sie über einen völkerrechtswidrigen Einmarsch türkischer Truppen in Syrien, zuckt nicht zusammen bei Inhaftierungen von kritischen Journalist*innen, haltlosen Terrorvorwürfen gegen Anwält*innen und gewählte regierungskritische Politiker*innen oder bei der gezielten Absage an demokratische, rechtsstaatliche Grundprinzipien, wie der Sultan vom Bosporus sie in seinen Alleinherrschaftsplänen in der Türkei ganz offenkundig umsetzen wird.

Nur zwei Regionen, nur zwei Fluchtorte. Aber wir wissen alle, dass Fluchtgründe auch in Berlin entstehen, ebenso wie in Düsseldorf bei Rheinmetall. Niemand braucht ein Studium der Soziologie und Politikwissenschaft, um zu wissen, dass wir es hier mit struktureller und institutioneller Gewalt zu tun haben, wenn der gleiche Staat, der Fluchten (mit-)verursacht, Flüchtende so schnell wie möglich wieder loswerden möchte und sie hierzu sogar in Knäste steckt.

In dieser Situation ist es wichtiger denn je, dass Menschen, die flüchten und Unterstützung brauchen, nicht allein gelassen werden. In Düsseldorf berät die Initiative STAY! seit zehn Jahren Geflüchtete – unentgeltlich – in sozialen und (asyl)rechtlichen Angelegenheiten. Staatliche Unterstützung nimmt STAY! nicht in Anspruch. Konsequent. In Zeiten, in denen Teile der etablierten Politik eben diese Unterstützungsstrukturen als „Anti-Abschiebe-Industrie“ (Alexander Dobrindt (CSU), zuerst und von anderen aufgegriffen) verunglimpfen und per Gesetz kriminalisieren wollen, ist Unabhängigkeit von staatlichen Futtertrögen immens wichtig. Zugleich wollen Organisationen wie STAY! bestenfalls auch weiterhin durch Beratung und Unterstützung dazu beitragen, dass geflüchtete Menschen auch hier eine Chance auf sichere Lebensperspektiven haben können – eben weil sie ihre Rechte kennen. „Wir möchten weiterhin Menschen, die ihr Land verlassen mussten, ausführlich beraten“, sagt Nicole Tauscher, Sozialarbeiterin bei STAY! anlässlich eines Soli-Konzertes, das „Rock gegen Rechts“ in Düsseldorf Anfang April für die Geflüchteten-Unterstützer*innen organisiert hat. Solche Spenden-Initiativen und -Gelegenheiten sind wichtig, um die notwendige Infrastruktur spendenbasiert aufrecht zu erhalten – und sich die Unabhängigkeit bewahren zu können auch in den schon länger angebrochenen Eiszeiten der Festung Deutschland. Deshalb braucht STAY! Unterstützung. Gerade jetzt und jetzt erst recht! Und gerne auch dann, wenn gerade keine Soli-Veranstaltungen geplant sind. Also los!

Die Comics stehen in verschiedenen Sprachen auf https://oplatz.net/ zur Verfügung.

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