Zweifelhafte Kameraden

„Uniter e.V.“ in Düsseldorf

Der Soldaten-, Polizei- und Sicherheitskräfte-Verein „Uniter e.V.“ hat kurz vor den Oster-Feiertagen auch in Düsseldorf Staub aufgewirbelt. Die „Hannibal“-Story, die den Verein in Verbindung bringt mit extrem rechten Akteuren in Militär-Netzwerken, mit rechtem Terror und dem Verdacht, eine rechtsterroristische Schattenarmee aufbauen zu helfen, ist seit Monaten brisant genug für ein kurzes Aufmerken. Mit der Ankündigung, ihren „Veteranentag 2019“ mit einem „kleinen Marsch“ in Düsseldorf durchführen zu wollen, brachte Uniter darum vor allem die Presse auf Trab. Mit dem Ergebnis seiner kleinen PR-Kampagne dürfte der Militär- und Drill-Fetisch-Club allerdings nicht zufrieden sein.

Soldaten auf Frühlingsausflug? Es staunte auf den ersten Blick nicht schlecht, wer am Dienstag vor den Oster-Feiertagen die merkwürdige Veranstaltungsankündigung auf der Homepage des (Ex-)Soldaten-, Polizei- und Sicherheitskräfte-Vereins „Uniter e.V.“ las. Seit wann demonstrieren Kameraden wie diese ihre Macht in Zivil, noch dazu am Karfreitag? Und was genau zum Kuckuck ehrt irgendwelche gefallenen oder im Einsatz stehenden Kameraden, wenn eine allzu lebendige Horde aus dem selben Holz einen Spaziergang am Rhein machen und einen Umtrunk auf einem Schiff nehmen will?

Dass es so etwas wie „Uniter e.V.“ überhaupt gibt, ist einer größeren Öffentlichkeit vermutlich erst durch die Recherchen der Tageszeitung „taz“ bekannt. Seit Spätherbst 2018 schreiben taz-Autor*innen in regelmäßigen Abständen über den eingetragenen, als gemeinnützig anerkannten Verein, der ehemalige und aktive Bundeswehrsoldat*innen, Polizeibeamt*innen, (ehemalige) Mitglieder des Bundeswehrkommandos Spezialkräfte (KSK) und am Ende auch Personen, die als Zivilist*innen in der Sicherheitsbranche arbeiten oder sich ihr zugehörig fühlen, zusammen bringen möchte.

Der Verein ist für sich genommen kaum der Rede wert, keine konventionelle Zeitung würde ihm auch nur ein paar Zeilen widmen, solange er ist, was er zu sein vorgibt: Ein Traditionsverband, der sich der soldatischen Kultur und der rituellen Anerkennung von Kameradschaft widmet und sich in erster Linie um soziale Belange seiner Mitglieder kümmert. So helfe er etwa bei der Jobsuche nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst in den Streitkräften oder aus Sicherheitsberufen, stehe bei der vertraulichen Vermittlung von psychosozialen Hilfestrukturen nach „extremen Erfahrungen“ zur Verfügung und sei darüber hinaus bemüht, interne Fortbildungen und Erfahrungsaustausche unter den (ehemaligen) Kamerad*innen zu fördern. Zur Zielgruppe der Vereinsarbeit gehörten dabei sowohl Frauen als auch Männer. So unterhält Uniter nach eigenen Angaben ein eigenes „Women’s Network“.

Zugleich geht es dem Verein jenseits diesen karitativen Anstriches aber auch um militärisches Training. Unter dem Namen „Medical Response Unit“ gibt Uniter vor, „Menschen in Gefahrenlagen“ mit den Möglichkeiten medizinischer Notversorgung zu unterstützen. Unter gleichem Label bietet der Verein aber auch Beratungen zu Sicherheitskonzepten und Trainingseinheiten zur Praxisausbildung von Einsatzkräften – kurz Militärtrainings – an, im In- und auch im Ausland.

Sowas von harmlos?

Aber das scheint (noch lange) nicht alles zu sein – und das macht es wiederum spannend. Denn von „Uniter e.V.“ sind Verbindungen zur extremen Rechten, zu etwaigen Strukturen einer rechten „Schattenarmee“ (Die WELT, 6.12.2018) und nicht zuletzt auch zu Kennverhältnissen bis zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund zu rekonstruieren. Wie jüngste Recherchen, insbesondere der Tageszeitung taz seit Spätherbst 2018 wiederholt ergeben haben, schwört der Verein zwar jeglichem „Extremismus“ ostentativ ab – ist aber aller Selbstdarstellung zum Trotz offenkundig durchaus Vernetzungspartner oder gar Dach für extrem rechte Akteur*innen, die zugleich als Mitglieder oder Ex-Angehörige von Bundeswehr, Polizei oder private Sicherheitsanbietern Teil von Uniter sind. Bekannt geworden ist etwa André Schmitz, der nach Recherchen der taz Mitbegründer des Vereins und zugleich Spinne im Netz eines extrem rechten Netzwerks u.a. innerhalb von Uniter ist. Unter dem Namen „Hannibal“ hat Schmitz als Administrator diverser Chat-Gruppen (etwa der Gruppe Nordkreuz) fungiert, in denen sich die Foren-Mitglieder über eine mögliche Umsturzsituation an einem „Tag X“ austauschen, die Gefangennahme von Linken und deren Ermordung planen, sich Nachrichten über Waffenarsenale, sichere Häuser für Waffendepots und über mögliche Haft-Orte für die verhassten politischen Gegner*innen schreiben.

Über Schmitz’ alias Hannibals „Schattenarmee“-Pläne hinaus rückt Uniter jedoch mit einer weiteren Figur in die Nähe extrem rechter Netzwerk- oder Terrorstrukturen. Denn auch der KSK-Soldat Franco Albrecht gehörte wie „Hannibal“ zu diesem Austausch-Forum unter dem Dach von Uniter e.V. Albrecht war 2017 ins Visier von Strafermittlungsbehörden geraten, weil er beim Deponieren von Waffen aufgefallen war. Bei ihm und in seinem Umfeld fanden die Ermittler*innen umfangreiches Planungsmaterial für „Tag X“, darunter auch eine Liste mit vermeintlich zu beseitigenden Menschen, die der Umsturzsituation von rechts entgegenstehen würden und daher als Gegner*innen wie beschrieben zu vernichten seien. Um nach Vollendung der Anschlagspläne den Verdacht auf andere zu lenken, hatte Albrecht sich neben seiner Indienststellung als Elite-Soldat zugleich als Geflüchteter aus Syrien ausgegeben und Unterkunft in einer Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete bezogen.

Zuletzt verhalf schließlich Mitte März 2019 ausgerechnet der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Ermittlungs- und Aufklärungsarbeit der Behörden zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Thüringen Uniter erneut zu vermutlich unangenehmer Aufmerksamkeit. In geheimer Sitzung hatte der Ausschuss am 14. März mit Ringo M. den Truppführer der Polizistin Michèle Kiesewetter geladen. Kiesewetter, die am 25. April 2007 vom NSU ermordet wurde, habe sich (so der MDR am 14. März) mehrfach über ihren Vorgesetzten beschwert. Zur Sprache kam im Untersuchungsausschuss aber auch, dass Ringo M. wie André Schmitz zur Gründungsrunde von Uniter gehört hat. Und zwar zu einem Zeitpunkt, als M. bereits von seiner Stelle bei der Bereitschaftspolizei zum Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg gewechselt war.

Eye-catcher „Schattenarmee“

All diese Hintergrundzusammenhänge, die seit Spätherbst 2018 schrittweise bekannt geworden sind, machen vermutlich jede Berichterstattung über Uniter in gewisser Hinsicht aufregend. Nun, da sich in der Öffentlichkeit inzwischen herumgesprochen haben dürfte, welch abgefahrene Netzwerk- und Untergrund-Stories mit dem Namen „Uniter e.V.“ in Verbindung gebracht werden können, wird der Verein sicher kaum jemals mehr Gegenstand des öffentlichen Interesses sein, ohne dass diese Hintergründe und Verknüpfungen in die extreme Rechte explizit genannt werden. Der Grusel, der vom Begriff „Schattenarmee“ ausgeht, dürfte schlichtweg jede Überschrift zu einem Artikel über Uniter zum eye-catcher machen.

Dieser Gemengelage dürfte es auch geschuldet sein, dass der Verein aktuell wohl versucht, diesem Berichterstattungsschwerpunkt etwas entgegenzusetzen. Das jüngst erwachte Interesse von Vereinsgründungs- und Vorsitzmitgliedern wie André Schmitz aus Dormagen oder dem Uniter-„Distriktleiter West“, Marc Z. aus Hilden, mit dem Verein und seinen Mitgliedern und Anhänger*innen in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden und sich der Presse als Gesprächspartner anzudienen, dürfte der Idee entspringen, den Verein als „ganz normal“, als freizeit- und sozial-orientiert und den Traditionen von Kameradschaftlichkeit verbunden darzustellen. Behauptet der Verein doch, sich für „Frieden, Menschenrechte und das Grundgesetz“ einzusetzen und erklärt zudem auf seiner Homepage, sich „klar von jeder Art von Extremismus“ zu distanzieren und „keine verbotenen oder extremistischen Organisationen“ zu unterstützen. Dass dem Verein dieses lupenreine demokratische Bewusstsein heute niemand mehr abnimmt, dürfte ihn derzeit umtreiben und zu den ungewöhnlichsten Mitteln greifen lassen. Zum Beispiel zur „Öffentlichkeitsarbeit“ per Frühlingsausflug.

Medienhype Veteranentag

So wurde am Dienstag, den 17. April 2019 bekannt, dass der Verein noch in der selben Woche – am Karfreitag – seinen „Uniter Veteranentag 2019“ in Düsseldorf würde abhalten wollen. Auf Facebook und über seine Webseite warb der Verein unter dem irritierend juvenilen Slogan „Runter vom Sofa“ für die Teilnahme an „einem kleinen Marsch“, den man an einem öffentlich bis dahin nicht näher benannten Ort in Düsseldorf über die Mittagszeit von 11 bis 14 Uhr durchführen wolle. Für den Abend lud Uniter die Kamerad*innen auf ein Schiff auf dem Rhein ein. Beides, Marsch und geselliges Beisammensein, sei als „Zeichen der Solidarität“ mit aktiven und vormaligen Angehörigen der Bundeswehr gedacht, als „kleine Geste“ der Würdigung „unserer EinsatzVeteranen“ [sic!]. Ziel der Veranstaltung sei es nach eigenen Angaben, den Austausch vormaliger und aktiver Soldat*innen aus den Reihen von Uniter mit Vereinsmitgliedern aus dem so bezeichneten „zivilen Bereich“ zu pflegen.

Kaum war die Ankündigung der Veranstaltung öffentlich, reagierte – angefixt offenbar durch die Hintergrundmusik von taz und Co. – die lokale Presse auf die Uniter-Pläne. Bereits am Nachmittag des 17. April erschien im Düsseldorfer Express ein ausführlicher Artikel, der Uniter unter der Überschrift „Hannibals Schattenarmee“ als „umstrittenen“ Verein einordnete – nicht ohne die wesentlichen Eckpfeiler der Uniter-Story zu referieren.

Das Düsseldorfer Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ kündigte nur wenig später an, den „Veteranentag“ nicht unkommentiert geschehen zu lassen für den Fall, dass die Uniter-Spaziergänger*innen wie angekündigt am Karfreitag am Rhein auftauchen würden.

Auch bundesweit wurde über die merkwürdige Öffentlichkeitsoffensive des Vereins berichtet. Die Initiative NSU-Watch wies einmal mehr auf die Verknüpfung von Uniter und den extrem rechten Netzwerkstrukturen rund um „Hannibal“ hin. Und auch die taz legte nach, mit kundigem Blick für den aktuellen Anlass – den Veteranentag in Düsseldorf. Beschrieb sie doch unter der Überschrift „Hannibals Kameraden beim DFB“, dass Uniter-Mitglieder im Juni 2018 Teil der Security waren, die die Fußballnationalmannschaft zur WM nach Russland begleitet hatten. Einer von ihnen: Marc Z. aus Hilden, der „Distriktleiter West“.

Dieser hatte sich einen Tag zuvor bereits selbst der Presse gegenüber ins Spiel gebracht: Mit einem Gespräch mit dem Düsseldorfer Express, in dem er dem Lokaljournalisten von der aufrichtigen demokratischen Gesinnung des Vereins und seinen mehrstufigen Vertrauensprüfungen seiner Mitglieder berichtete. Nazis seien die Mitglieder von Uniter gewiss nicht, betonte Z. und ergänzte, dass der Verein seinen Veteranentag anders als geplant nun doch nicht in Düsseldorf stattfinden lassen würde. Schließlich sei es bereits zu Bedrohungen des Gastwirtes gekommen, bei dem der Verein seinen Marsch-Tag habe ausklingen lassen wollen.

Es ist fraglich, ob der Express-Reporter die Behauptung des Uniter-Kaders, dass der Betreiber des Gastro-Schiffes bedroht worden sei, geprüft hat, bevor er sie in seinem Artikel zitierte. Getäuscht worden ist der Journalist aber in jedem Fall – wenn wir einmal optimistisch davon ausgehen, dass der Express-Autor sich nicht hat vor den Karren des tags zuvor noch als „umstritten“ beschriebenen Vereins hatte spannen lassen. Denn in der Tat haben die Organisator*innen des „Veteranentags 2019“ ihrer eigenen Ankündigung, ihren Marsch mitsamt Umtrunk für Düsseldorf absagen und ins Saarland verlegen zu wollen, nicht entsprochen. Vielmehr traf sich am 19. April tatsächlich ein überschaubares Trüppchen in einheitlichen weißen T-Shirts (als Ausdruck ihrer „inneren Verbundenheit“) mit Uniter-Logo und „Ihr seid unvergessen“-Aufdruck am Unterbacher See in Düsseldorf. Auf der Uniter-Homepage findet sich heute ein Bild-Bericht vom Tag, der sich sehr um Anonymisierung von Personen und Ort bemüht. Der Düsseldorfer Fernsehturm im Foto-Hintergrund lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass das Saarland für die Uniter-Truppe bei ihrem Veteranen-Tag maximal weit entfernt lag. Näher dran werden dagegen die zwei Vertreter*innen der „Presse“ gewesen sein, die den Uniter-Marsch nach dessen Aussage voller Interesse begleitet haben sollen.

Reinigungsversuch gescheitert

Wenn es dem „Uniter e.V.“ um maximale Aufmerksamkeit gegangen sein sollte, ist seine Planung wohl aufgegangen. Selten hat eine so kleine Gruppe Spaziergänger*innen, die nach Ende ihres Ausfluges auf der eigenen Homepage einen peinlichen, beinahe aufdringlichen Besinnungsaufsatz über ihre Tour veröffentlichten, wohl mehr Medien-Echo erfahren. Geglückt ist dieser ungelenke Versuch, den Verein als harmlosen Club darzustellen, indes aber kaum. Da reicht es angesichts der Informationen, die über Uniter in der Welt sind, nicht, bei schönstem Wetter an die Kameraden im Einsatz zu erinnern und in rein-weißen Gruppen-T-Shirts knackig und sportlich einen top-geheimen „idyllischen See“ zu umrunden. Mit Blick auf die für den Verein aktuell offenbar so dringliche PR-Strategie, Uniter möglichst weit weg zu rücken von allen Gedanken an extrem rechte Netzwerke, Geheimarmeen sowie Umsturz- und Mordpläne gegen Linke, wäre dem Verein durchaus davon abzuraten, öffentlich breitzutretende Veranstaltungen wie den „Veteranentag“ zu wiederholen. Der Harmlos-Zug dürfte abgefahren sein, so bemüht sich ein Marc Z. oder André Schmitz auch zeigen, allen „Gerüchten“ zu trotzen.

Es würde sich vielmehr durchaus lohnen, eine Wette darauf abzuschließen, dass bei nächster Gelegenheit, zu der die Mitglieder von Uniter erneut aus der Deckung kriechen möchten, die kritische Berichterstattung bereits da ist. Wieder wird niemand über aufrichtigen Kameraden-Zusammenhalt, alle aber erneut über „Hannibal“ sprechen. Außer vielleicht die zwei Vertreter*innen der Presse, die die Hauschronik von Uniter schreiben. Und der Express. Möglicherweise.

Fanny Schneider