TERZ 06.19 – LOKALPOLITIK
Der große Wurf bleibt aus, aber ein bisschen was bewegt sich in Sachen Klimaschutz in der Stadt.
Klimaschutz ist in aller Munde. Und auch durch die momentan populären Themen Wohnungsnot und steigende Mieten werden am Rande des öffentlichen Diskurses oft Fragen gestreift wie: wie wollen wir das Leben in den Großstädten gestalten? Damit ist eigentlich gemeint: wie können wir trotz Verkehrslärm, Abgasen, unbezahlbarem Wohnraum, schwindenden Freiräumen und knappen städtischen Naherholungsgebieten ohne Nervenzusammenbruch oder gesundheitlichen Kollaps aus der ganzen Nummer rauskommen? Düsseldorf hatte zuletzt immer wieder ziemliche „Feinstaubprobleme“ (Terz 04/18) und war so gezwungen, sich mal was zum Verkehrsfluss in der Stadt zu überlegen. Das passierte sehr halbherzig, ein Dieselfahrverbot sollte es schließlich auf gar keinen Fall sein. Im April wurden nun testweise Umweltspuren in Bilk und Pempelfort eingerichtet: auf diesen Abschnitten dürfen ausschließlich Fahrräder, E-Autos, Taxen und Busse fahren. Dies soll dann dazu führen, dass mirakulöserweise mehr Menschen ihr Auto stehen lassen, auf andere Verkehrsmittel umsteigen und ergo die Feinstaubbelastung sinkt. Vor wenigen Wochen wurde die nächste Hiobsbotschaft für Düsseldorfs Autofahrer*innen publik: im September wird es gar den ersten autofreien Sonntag geben!! Und die freie Fahrt für freie Bürger*innen, die in Deutschland doch sowas wie ein Grundrecht ist? Ruhig Blut, die wird weiterhin gewährleistet sein, sogar am autofreien Sonntag – da wird ja nur ein kleiner Teil im Innenstadtbereich für den Autoverkehr gesperrt.
Nichts gegen den autofreien Sonntag, das ist ein schönes Symbol, der ÖPNV wird an dem Tag obendrein frei sein und so lässt sich sicherlich erschnuppern, wie es wäre wenn doch immer autofrei mit kostenlosen Bahnen und Bussen wäre... aber irgendwie tut sich Düsseldorf schwer mit einer tatsächlichen Verkehrswende, einer wirklichen Umgestaltung der Stadt von einer Durchfahrtsstrecke für lärmende und stinkende Autos zu einem geteilten Raum von Fußgänger*innen, Radler*innen, Bussen, Bahnen und ja, vielleicht auch von den ein oder anderen Autos. Manchen Entscheider*innen im Rathaus scheint die Verkehrswende ohnehin nicht einzuleuchten. So schlug allen Ernstes Andreas Hartnigk (CDU) vor wenigen Wochen vor, Parkgebühren für abgestellte Fahrräder einzuführen – gerechtigkeitshalber, schließlich müssten parkende Autos ja auch zahlen. Die Idee war aber selbst einigen Parteigenoss*innen zu gaga.
Was Hartnigk von folgendem Wurf hält, ist leider nicht bekannt: Ab sofort lädt die Stadt ihre Bürger*innen ein, Düsseldorf zur „essbaren Stadt“ zu machen. Hmmmh, lecker! In einer Informationsvorlage zur Sitzung des Ausschusses für Umweltschutz vom 2. Mai heisst es, dass durch „lokalen Lebensmittelanbau“ lange Transportwege, Emissionen und Lärm reduziert, der Lebensmittelverschwendung entgegengewirkt und durch weniger Verpackung ein Beitrag zur Müllvermeidung geleistet, außerdem das Miteinander gefördert werde und das „urbane Grün“ außerdem kühlende Wirkung habe und Versickerungsflächen ermögliche, dem Verlust von Insekten- und Pflanzenarten Einhalt geboten werde und – nicht zu vergessen: „Gärtnern im Freien tut Körper und Geist gut“! Hört sich großartig an! Und ist es auch! Irgendwo muss man ja anfangen! Allerdings werden die hier aufgezählten Wirkungen von „urbanem Grün“ und „lokalem Lebensmittelanbau“ kaum von den von der Stadt angestoßenen Projekten zu erreichen sein. Sie stellt 30.000 Euro bereit, etwa für Hochbeete, Erde und Saatgut, die dann auf privaten Flächen aufgestellt und von Privatmenschen betreut werden, aber öffentlich zugänglich sein sollen. Jeder Mensch kann theoretisch ernten, Mundraub ist erlaubt. Für Schulen werden spezielle Projekte angeboten und ferner pflanzt das Gartenamt auf 6 Spielplätzen Johannisbeersträucher, an denen sich jede Person bedienen kann. Also, eine kleine, aber feine Sache, die die Stadt da angestoßen hat. Auch die Mischung ist gut: die Stadt selbst verantwortet einige Projekte, sie spornt Privatleute und Vereine aber auch an, sich gärtnerisch in irgendeiner Form zu betätigen, stellt Fördermittel zur Verfügung und möchte bereits vorhandene Urban-Gardening-Projekte unterstützen.
Sicherlich ganz im Sinne der essbaren Stadt ist eine Aktion der Slow Food Youth Düsseldorf. Die hat nämlich auf dem Fürstenplatz Hochbeete installiert, in denen Kürbis, Gurke, Zuckererbsen, Rotkohl und Fenchel wachsen (sollen).
Wäre da nicht der kritische Geist in den hinteren Hirnwindungen der immer was zu meckern hat: was bringen drei verloren aussehende Hochbeete auf dem Fürstenplatz, wenn wir durch den REWE nebenan in ein kapitalistisches globales System der Nahrungsmittelproduktion eingebunden sind, das Natur und Tier ausbeutet, den Planeten zumüllt und die Lebensgrundlagen so vieler Menschen auf der Welt zerstört? Vielleicht bringen sie nix! Vielleicht ermächtigen sie aber einige, sich selbst in die ökologische Gestaltung der grauen Stadt einzubringen, global zu thinken und local zu acten, nachhaltigen Konsum zu praktizieren und vielleicht, vielleicht entsteht aus vielen verschiedenen kleinen Initiativen dann eine Stadt mit essbaren Orten, an denen die Bienen summen, die Vöglein zwitschern und wir in aller Ruhe unter einem schattenspendenden Baum die neue Terz lesen, während glückliche Radfahrer*innen an uns vorbeistrampeln.