TERZ 09.19 – SEI DABEI
In diesem Monat nimmt der heiße Herbst in Sachen „Klima“ seinen Anfang. Am 20. September findet der globale Klima-Streik statt; gleichzeitig stellt die Große Koalition ihr Maßnahmen-Paket zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen vor. Und drei Tage später beginnt der Klima-Gipfel der Vereinten Nationen in New York. Die TERZ sprach aus diesem Anlass mit Jacob von den „Fridays for Future Düsseldorf“.
TERZ: „Fridays for Future“ hat schon die unterschiedlichsten Aktionen gemacht: „Fahrrad for Future“, einen Klima-Streik zur Europa-Wahl, Demos gegen RWE, Kundgebungen gegen die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Wen seht Ihr als den Hauptverursacher der Klima-Krise an?
Jacob: Ich glaube, das kann man immer nur lokal sagen. Hier in Düsseldorf mit der Nähe zum Rheinischen Braunkohle-Revier ist es ganz klar die Braunkohle, gegen die wir lokal agieren müssen. Und das ganze Gefliege ist natürlich auch ein Angriffspunkt, denn Düsseldorf hat den drittgrößten Flughafen Deutschlands nach Frankfurt und München. Ich glaube, man kann nicht so pauschal sagen, wer der Klima-Killer schlechthin ist. Den Klima-Killer, den sich „Fridays for Future“ ganz spezifisch vornimmt, gibt es nicht.
TERZ: Morgen wollt Ihr eine Aktion am Düsseldorfer Flughafen machen. Was habt Ihr genau geplant?
Jacob: Die Zielsetzung ist, dass wir den Menschen bewusst machen wollen, dass Fliegen einer der großen Klima-Killer ist. Wir haben das Ganze extra an das Ferien-Ende gelegt, weil wir uns nicht moralisch über die Leute erheben und ihnen vor dem Abflug in den Urlaub noch mal einen reindrücken wollten. Der Gedanke ist eher, dass wir die Leute, wenn sie zurückkommen, in Empfang nehmen und sagen: ‚Nächstes Mal vielleicht nicht fliegen’. Es wird Flyer geben mit Forderungen, die wir zum Thema „Fliegen“ haben, und ein ‚Die-In’, diese relative neue Form des Flashmobs, wo alle auf ein bestimmtes Signal hin wie tot auf den Boden fallen.
TERZ: À propos Moral: „Fridays for Future“ hat das Thema „Klimawandel“ mit großem Erfolg in die Öffentlichkeit gebracht. Es ist omnipräsent, aber auch ein wenig diffus geworden. Er scheint wirklich als moralische Frage beim Einzelnen gelandet zu sein: „Tue ich auch genug für den Klimaschutz?“ und das große Ganze aus dem Auge zu verlieren.
Jacob: Ich bin auch kein Freund von diesem Individual-Verzicht. Ich erwische mich zwar selber dabei, wie ich mittlerweile öfters im Unverpackt-Laden einkaufen gehe, das ist auch nichts Schlechtes, aber sicherlich ist der Individual-Verzicht nicht der Weg, der das Klima retten wird, sondern das ist die Überwindung des kapitalistischen Systems. Aber dazu gibt es innerhalb der Bewegung ganz unterschiedliche Positionen. Es gibt Leute, die den Kapitalismus als die treibende Kraft hinter der Klima-Krise sehen; es gibt aber auch Leute, die einen grünen Kapitalismus anstreben und die Bereiche „Klima-Aktivismus“ und „Kapitalismus-Kritik“ klar voneinander trennen.
Es stimmt, dass das Thema irgendwie diffus geworden ist. Viele Firmen schlagen da jetzt Profit draus. Das finden wir ziemlich pervers in der Bewegung, jedenfalls in Düsseldorf, wenn Leute anfangen, in irgendwelchen Online-Shops klima-bezogene T-Shirts zu verkaufen, die dann auch noch das „Fridays for Future“-Logo tragen. Das verliert sich momentan in echten Kleinigkeiten, während wir aus den Augen verlieren, dass der Regenwald im Amazonas-Gebiet seit drei Wochen brennt.
TERZ: Habt Ihr auch Düsseldorf auf dem Schirm? Wie bewertet Ihr die Klima-Politik der Stadt?
Jacob: Vor den Sommerferien war der Oberbürgermeister bei uns auf der Demo. Wir fangen ja meistens vor dem Rathaus an, und dann kam er raus und sagte, wir dürften uns nicht mit Symbol-Politik abspeisen lassen usw. usf. Sein Abschluss-Akt war dann, dass er eine „Fridays for Future“-Fahne gekauft hat. Da war natürlich die Begeisterung nicht groß. Wir meinten dann: „Die können Sie ja aus Ihrem Büro hängen oder hier am Fahnen-Mast anbringen“, aber das ist bis heute nicht passiert. Also mit dem Herrn Geisel haben wir noch das eine oder andere Hühnchen zu rupfen.
Es passieren Dinge, klar, zum Beispiel die Einrichtung der Umweltspuren. Das begrüßen wir, aber es sind insgesamt glaube ich so zehn Kilometer Umweltspur, die wir hier in Düsseldorf haben, bei einem Staßennetz, das bestimmt das 20-Fache dessen ausmacht. Da müsste es mehr geben. Und die Stadt müsste insgesamt fahrrad-freundlicher werden. Der Weg durch die Innenstadt zum Bahnhof auf dem Fahrrad ist Selbstmord. Und das kann es nicht sein, denn dann steigen die Leute wieder ins Taxi oder fahren mit dem Auto. Dann müsste es mehr Fahrrad-Stellplätze geben. Es gibt also noch viel zu tun in Düsseldorf, aber ich denke, dass wir auf einem relativ guten Weg sind. Und wenn der Stadt klar wird, dass das mit den Umweltspuren tatsächlich funktioniert und der Verkehr nicht vollkommen aus allen Nähten platzt, hoffe ich, dass wir das flächendeckend bekommen. Im Allgemeinen glaube ich aber, dass wir in Düsseldorf noch nicht so ernst genommen werden wie in anderen Städten, aber das ist nur mein eigenes Gefühl. Vielleicht bin ich da auch zu pessimistisch, aber ich glaube, wir werden innerhalb Düsseldorfs noch belächelt.
TERZ: Düsseldorfs Stadtrat hat ja auch den Klima-Notstand ausgerufen. Hattet ihr einen Anteil daran?
Jacob: Ich denke, es ging vor allem darum, das Thema auf den Tisch zu bringen. Als die Sitzung dazu stattfand, sind wir auch vor Ort gewesen und haben vor dem Rathaus eine Kundgebung gemacht. Ich würde uns also schon einen Anteil an dem Beschluss zusprechen.
TERZ: Wie gehen die Schulen hier in Düsseldorf mit den Streiks um?
Jacob: Als das Thema anfing, aktuell zu werden und auch hier in Düsseldorf jeden Freitag 150, 200 Leute auf die Straße gingen, hat die Stadtverwaltung eine Schulleiter*innen-Konferenz einberufen. Und da hieß es: „Nein, das ist nicht zu tolerieren, das ist zu sanktionieren mit Disziplinar-Maßnahmen.“ Der Anfang war heftig, aber viele Schulen haben sich auf dem kleinen Dienstweg darüber hinweggesetzt. Viele Direktoren und Direktorinnen haben gesagt: „OK, was ich nicht sehe, passiert nicht.“ Und dann gab es viele Lehrpersonen, die die Streiks als Exkursionen deklariert haben: „Wir besuchen jetzt als Maßnahme der politischen Bildung mal ’ne Demo.“ Der Schulleiter meiner eigenen Schule, dem Humboldt-Gymnasium, war sehr, sehr kooperativ. Gerade bei den Groß-Demos. Wenn eine Lehr-Person für eine Klasse eine Exkursion angemeldet hatte, war es völlig in Ordnung zu gehen. Es musste halt nur die Aufsichtspflicht gewährleistet sein.
TERZ: Ach, die Lehrer*innen müssen immer mit?
Jacob: Ja, wenn es eine Unter- oder Mittelstufen-Klasse ist. Bis zur 9. Klasse gilt die Aufsichtspflicht, und ab der 10. darf man unbeaufsichtigt vom Schulgelände runter. Das hat mit den Versicherungen zu tun.
TERZ: Einige Schulen sind aber härter vorgegangen, habe ich gehört, das Comenius-Gymnasium zum Beispiel.
Jacob: Ja, stimmt.
TERZ: Die nächste große Sache steht am 20. September an: der globale Klima-Streik. Was habt Ihr da konkret vor?
Jacob: Es wird hier in Düsseldorf eine Demo geben mit Zwischenstopps, Rede-Beiträgen und einer größeren Abschluss-Kundgebung, auch mit Musik-Gruppen. Die „Scientists for Future“ werden wieder kommen und die ganzen – wie soll man das nennen? – Tochter-Organisationen, die es jetzt mittlerweile gibt: Die „Artists for Future“, die „Teachers for Future“, die „Parents“, die „Seniors for Future“ ...
TERZ: Einige halten der „Fridays for Future“-Bewegung vor, dass sie elitär wäre und nur aus Gymnasiast*innen bestehen würde.
Jacob: Ja? Das habe ich selten gehört. Ich frage auf den Demos jetzt nicht: „Von welcher Schule kommt ihr?“, aber was ich auf jeden Fall sagen kann, ist, dass wir viele von Berufschulen und Berufskollegs haben, auch Leute vom Zweiten oder Dritten Bildungsweg, die dann schon einen Tacken älter sind. Realschüler*innen haben wir mit Sicherheit auch dabei. Also eine einseitige Zusammensetzung ist mir bisher nicht aufgefallen. Ich finde, es ist ziemlich heterogen, da ist alles an Hautfarben und Geschlechtern dabei.
TERZ: Ihr seid basis-demokratisch organisiert. Das macht die Entscheidungswege manchmal kompliziert, beispielsweise, als es darum ging, wie „Fridays for Future“ sich zu den Blockaden von „Ende Gelände“ positioniert. Wollt Ihr diese Form trotzdem beibehalten, oder ist es überhaupt ein Problem für Euch?
Jacob: Bei der Basis-Demokratie wollen wir auf jeden Fall bleiben. Ich glaube nämlich, dass das dasjenige ist, was uns vor den anderen Jugendbewegungen auszeichnet. Klar, die 68er haben sich die Basis-Demokratie auch auf die Fahnen geschrieben, aber wenn man sich so Video-Aufnahmen von den 68ern so ansieht, dann sind es Männer, meistens Hetero-Männer, und es sind alle weiß. Und die planen im Kämmerchen dann ihre nächste direkte Aktion. Alles andere darf mitkommen, aber bloß nicht bei der Planung mit dabei sein. Und ja, der Entscheidungsprozess kann lang sein, wobei es weniger daran liegt, dass die Themen so krass kontrovers wären. Dadurch, dass wir uns so pyramidenförmig aufbauen – von Stadt oder Kreis zu Bundesland bis hin zur bundesweiten Delegierten-Konferenz – dauert das halt einfach. Was „Ende Gelände“ betrifft, war die Meinung schon vor der offiziellen Solidaritätserklärung ziemlich klar, nämlich dass wir uns natürlich gegenseitig unterstützen und uns da nicht in irgendwelche komischen Lager spalten lassen von der Öffentlichkeit. Und wenn die Themen wirklich mal kontrovers sind wie z. B. beim Antikapitalismus, dann ist es uns diese Diskussion auch wert. Davon lebt die Bewegung, dass man Leute mit anderen Perspektiven kennenlernt. Und für mich, der sich da schon in der antikapitalistischen Gruppe sieht, ist es immer so, dass es befriedigend ist. Es kommt nie so ein sozialdemokratisches Wischiwaschi am Ende dabei raus, sondern es bleibt immer noch schön kritisch. Und es finden sich komischerweise immer Kompromisse. Ich glaube, ich habe noch keine Vollversammlung erlebt, wo ein Antrag komplett durchgegangen ist oder komplett abgelehnt wurde. Es wurden immer noch Veränderungen vorgenommen, so dass wirklich alle Meinungen mehr oder weniger repräsentiert wurden. Da ist uns die Basis-Demokratie dieses ganze Gehampel, das es manchmal gibt, schon wert.
TERZ: Wie siehst Du die Zukunft von „Fridays for Future“?
Jacob: Das ist ein heiß diskutiertes Thema. Auf dem Sommer-Kongress ging es einen ganzen Tag lang um die Zukunft der Bewegung. Momentan bin ich ziemlich zuversichtlich, muss ich sagen. Es gab immer so Zeitpunkte, wo wir dann gedacht haben: „Danach ist Ende“. Nach dem 8.000er-Streik im März, nach der Demo in Aachen, zum Beginn der Sommerferien. Aber auch in den Sommerferien gab es dann auf dem Schadow-Platz immer wieder Workshops und Sit-ins, und die waren auch immer gut besucht. Momentan glaube ich tatsächlich, dass man so ganz naiv sagen kann: Wir streiken, bis Ihr handelt.“