Was tun bei Ingewahrsamnahmen Teil 2

Nachdem wir Euch in Teil 1 dargestellt haben, was bei freiheitsentziehenden Maßnahmen im Zusammenhang mit Aktionen zu beachten ist, wollen wir hier noch ein paar weitere Fragen beantworten:

1. Wie lange darf eine Ingewahrsamnahme dauern?

In der Regel werdet Ihr nach Ende der Aktion, bei der ihr mitgenommen worden seid, beispielsweise nach Ende der Demonstration, wieder freigelassen, spätestens jedoch nach 24 Stunden – es sei denn, Ihr werdet einer*m Haftrichter*in vorgeführt, die*der Untersuchungshaft anordnet. Dazu aber in einem späteren Artikel mehr. Neu hinzugekommen ist in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, Euch länger festzuhalten, wenn Eure Identität nicht festgestellt werden kann, weil Ihr Euch z.B. weigert, diese anzugeben – doch auch dazu in einem separaten Artikel in einer der nächsten Ausgaben mehr. Damit wir von außen Druck machen können, ist es umso wichtiger, dass der Ermittlungsausschuss (EA) weiß, wer eingefahren ist, damit wir Anwält*innen informieren können, die sich darum kümmern, dass Ihr möglichst schnell wieder rauskommt.

2. Was darf die Polizei mit mir auf der Wache anstellen? Wie soll ich mich dabei verhalten?

Sie dürfen Dich durchsuchen: Sehr sicher wirst Du durchsucht werden, bevor Du in die Zelle kommst, mal mehr, mal weniger gründlich. Solltest Du also auf der Aktion Gegenstände dabei haben, die besser nicht gefunden werden sollen, achte darauf, diese vor dem Zugriff wegzuwerfen. Sobald Du in den Händen der Polizei bist, hast Du hierzu keine Gelegenheit mehr. Vor der Aktion besser noch mal alle Taschen durchschauen und nichts mitnehmen, was Du nicht brauchst. Was leider immer wieder vorkommt, ist, dass jemand noch etwas Gras o. ä. dabei hat. Lasse das einfach zu Hause.

Mittlerweile werden manchmal schon vor Ort bei der Ingewahrsamnahme, manchmal erst im Präsidium, Fotos von Dir gefertigt. Du bist nicht verpflichtet, aktiv mitzumachen, d. h. wenn sie Dir sagen, Du sollst beispielsweise Deine Kapuze runterziehen, musst Du das nicht tun. Sollen sie es halt selber machen.

Neben der Durchsuchung wirst Du sicherlich zu Deiner Person befragt werden. Hier musst Du nichts aussagen, was nicht Deiner unmittelbaren Identifizierung dient. Name, Geburtsdatum und Deine Wohnadresse (bzw. die Adresse auf Deinem Ausweis) reichen, vielleicht musst du noch Deinen Familienstand angeben und eine sehr allgemeine Berufsbezeichnung.

Lass Dich nicht in Gespräche verwickeln – auch wenn Dein Gegenüber „nett tut“. Auch in der Zelle solltest Du aufpassen, über was Du wie mit wem redest! Wenn Du Dein Gegenüber nicht kennst, sowieso. Keine Aussagen dazu, wer was wo und wann gemacht hat! Über die bei Dir gefundenen Gegenstände wird ein Protokoll angefertigt werden. Bei Deiner Entlassung wirst Du dann aufgefordert werden, die Rückgabe zu unterzeichnen – lass es einfach, Du bekommst Deinen Kram auch so zurück.

3. Und was darf ich in Polizeigewahrsam?

Du darfst darauf bestehen, dass die Durchsuchung durch eine gleichgeschlechtliche Person durchgeführt wird. Mit dem Hinweis auf eine sogenannte Gefahrensituation kann die Polizei dieses Recht aushebeln und macht es auch oft. Mittlerweile kommt es auch immer wieder zu Untersuchungen, bei denen Ihr Euch nackt ausziehen müsst und jemand in Euren Po schaut. Das Ganze ist extrem entwürdigend, und genau deshalb machen sie es auch. Sei stark und versuche, darüberzustehen. Häufig kommt es auch zu rassistischen und sexistischen Äußerungen der Beamt*innen.

Bevor Du in die Zelle kommst, musst Du Schnürsenkel, Gürtel und so weiter ausziehen, um eine behauptete Selbstgefährdung auszuschließen. Du hast das Recht auf Toilette zu gehen, aber auch das wird oft verweigert.

Du darfst einen Anwalt (oder besser den EA) anrufen. Zumindest theoretisch – oft wird Dir dies untersagt, auch wenn es nicht rechtens ist. Die Beamt*innen haben viele Möglichkeiten, Dir die Festnahme so ungemütlich wie möglich zu machen – und sie versuchen es auch. Sie lassen Dich ihre Macht spüren. Lass Dich davon nicht einschüchtern und vor allem nicht provozieren.

Vor allem darfst und solltest Du schweigen. Wie oben schon erwähnt, kann es nicht oft genug betont werden: Klappe halten und nix unterschreiben.

4. Was mache ich nach der Entlassung?

Erst einmal den EA informieren. Wenn Du in einer Gruppe organisiert bist, wirst Du sicherlich spätestens beim nächsten Gruppentreffen darüber reden, Erfahrungen bei der Aktion abgleichen, feststellen, was gut und schlecht gelaufen ist und Dir ggf. vornehmen, beim nächsten Mal etwas anders zu machen.

Sehr wichtig ist, dass Du möglichst schnell nach der Entlassung ein Gedächtnisprotokoll von der Situation der Ingewahrsamnahme bis zur Freilassung anfertigst, ohne aber zu beschreiben, was Du konkret getan hast (falls Du etwas getan hast). Du wirst dich von Tag zu Tag schlechter erinnern, Details gehen verloren oder vermischen sich mit Erzählungen von anderen. Sollte es zu einer Gerichtsverhandlung kommen – und die kann auch mal drei Jahre später sein - ist es wichtig, präzise mit den Anwält*innen und der Rechtshilfegruppe das Vorgehen zu besprechen, um eine Strategie festlegen zu können. Hier hilft dann das Protokoll ungemein.

Falls Du Verletzungen davongetragen haben solltest, ist es zudem ratsam, möglichst schnell einen Arzt / eine Ärztin aufzusuchen und diese alles protokollieren zu lassen. Dokumentiere die Blessuren zudem mit Fotos. Und wenn Du das Bedürfnis hast, Dich auszuquatschen, wende Dich an Organisierte vor Ort: sie wissen, wie es Dir geht und wer sich am besten um Dich kümmern kann.

Rechtshilfegruppe Düsseldorf
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