TERZ 09.19 – RASSISMUS
Auf Einladung von CDU-Rechtsaußen Sylvia Pantel, seit 2013 Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Düsseldorf-Süd, Vorsitzende der Düsseldorfer Frauen-Union und prominente Unterstützer*in des erzkonservativen rechten CDU-Flügels „Werte Union“, kam am 26. Juli der Sicherheitspolitik-Hardliner und angehende CDU-‚Dissident‘ Hans-Georg Maaßen nach Garath. Das vollbesetzte Freizeithaus war an diesem gewittrig-heißen Freitagabend binnen weniger Minuten Schwitz- (oder Brut?-)Kasten für Hass und Menschenfeindlichkeit. Ein Bericht
Gewarnt habe man sie, eröffnete Sylvia Pantel den Veranstaltungsabend mit Hans-Georg Maaßen, dass ihre Einladung, den ehemaligen Verfassungsschutz-Chef in Düsseldorf sprechen zu lassen, (sogar intern) auf massive Kritik stoßen könnte. Auch mit Bedrohungen, Radau, Krawall und vielleicht sogar „linksextremistischer“ Gewalt sei zu rechnen, wenn sie als Vorsitzende der Düsseldorfer CDU-Frauen-Union an ihrem mutigen Plan festhalte, mit Maaßen einen für sie bewundernswerten und kühnen Querdenker einzuladen.
Jede aufgeregte Warnung auch aus den eigenen CDU-Reihen hätten sie und die Düsseldorfer Frauen-Union hingegen sogar um so mehr bestärkt, den umstritten krass polemisierenden „Klartextsprecher“ Maaßen mitsamt seinen zuletzt hyperventilierten, mindestens rechtspopulistischen Positionen zur Migrationspolitik der CDU erst recht als Gast zu begrüßen. „Das hier ist Deutschland“, formulierte Pantel in aller im Sommerkostüm möglichen Breitbeinigkeit rechter Populist*innen. „Und in Deutschland gilt immer noch unsere Meinungsfreiheit“. Daran wollten sie und die Werte-Union festhalten, auch wenn sie Polizeischutz benötigten, wenn sie und ihresgleichen Gefahr liefen, mit ihren „unbequemen Meinungen“ unterdrückt oder von linken Gegenprotesten angegriffen zu werden.
In nur wenigen Sekunden hatte Pantel damit das volle Programm rechter Nabelschau-Polemik aufs Parkett gelegt. Vom Opferstatus der Wahrheitsträger*innen einer vermeintlichen linksliberal-grünen Meinungsdiktatur bis zum ‚Heldentum‘ ihres konservativen ‚Widerstands‘. Unnötig zu erwähnen, dass kein Protest die Veranstaltung störte, die lässig abgestellten Polizeibeamt*innen standen ganz umsonst parat.
Derart bestens eingestimmt stieg die Stimmung vorhersehbar. In eskalierender „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Laune dauerte es keine 15 Minuten, bis nahezu jedes der von Maaßen in seinem knapp 45-minütigen Vortrag skizzierten ‚Argumente‘ mit bestätigendem Applaus, schließlich mit brachialem Jubel und zuletzt mit Zuspruchs-Grölen quittiert wurde. Dabei war es einerlei, ob Maaßen die CDU-Spitze in ihrer migrationspolitischen Entscheidung von 2015 angriff oder, ebenso effektheischend wie pomadig, nach deren nachteiligen Konsequenzen für „den kleinen Mann“ fragte, dem Merkel mit ihrer „Flüchtlingspolitik“ nun auf der Tasche läge. Ganz egal, ob es Daten zur Kriminalitätsstatistik waren oder Informationen dazu, wie viele der „vorgeblich Asylsuchenden angeblich keine Passdokumente“ hätten. Gleichgültig auch, dass Maaßen erneut in Abrede stellte, dass es in Chemnitz „Hetzjagden“ von Neonazis gegen People of Color gegeben habe, nachdem im vergangenen Jahr das nahezu komplette Spektrum der extremen Rechten einen Mord dort zum Anlass zu rassistischen und neonazistischen Aufmärschen und Angriffen genommen hatte.
Faktencheck? Egal. Datengrundlagen? Unwichtig! Argumentationsstärke? Unbedeutsam! Sobald Maaßen den Mund aufmachte, zählten nur mehr: Gefühle. Maaßens Konzept ist es offenkundig, mit den Nadelstichen des Hasses und der Menschenfeindlichkeit herauszukitzeln, was aufrichtige Christ*innen (als die sich Sylvia Pantel selbst bezeichnet) wohl eine „Todsünde“ nennen würden: Neid und Missgunst, Ignoranz, Selbstsucht, Geiz, Überheblichkeit und Hass. Rassistische Auswürfe, Fremdabwertungs- und Selbstaufwertungsfloskeln jeder noch so widerwärtigen Dimension, weiterhin Opferdiskurse vom ausgebeuteten deutschen Volk im Widerstand gegen Meinungsdiktatur und gegen eine vermeintlich nach links verrutschte CDU sowie nicht zuletzt die Feier des eigenen ‚Widerstands‘ dagegen, erfassten im Laufe des Abends nahezu alle Veranstaltungsteilnehmer*innen. Ob gut Gekleidete in ihren Mitt-70ern, im Partnerlook mit dem Gatten, rausgeputzt als Best-Ager aus den Kreisen der CDU, befriedigt aufrechtsitzend wie Birgit Kelle, antifeministische Speerspitze der CDU und „Junge Freiheit“-Autorin. Alles ‚ganz normale‘ Menschen. Die wenigen Jüngeren wirkten, als hätten sie sich aus der Identitären Bewegung in die CDU-Veranstaltung ‚verirrt‘. Obwohl: Sie waren doch erschreckend richtig. Denn völkisch-rassistischer Boshaftigkeit war die Stimmung an diesem Abend. Spätestens als ein Zuschauer bemerkte, dass er es nicht so gut fände, wenn auf „Flüchtlinge“ in Schlauchbooten geschossen würde, zeigte sich das Gewaltpotential der Biedermänner*innen im erlauchten Maaßen-Publikum. Bekräftigten doch genau 2 (in Worten: ZWEI!) Zuschauer*innen mit schüchternem Beifall ihren Vorredner, alle anderen schwiegen eisig. Maaßen? Lächelte. Selbst die dritte Todsünde, die „Wollust“, hatte ihren Platz an diesem Abend. Als eine Teilnehmerin, eine der wenigen, die sich aus dem Kreis von „Garath tolerant und weltoffen“ in die Veranstaltung getraut hatte, ansprach, dass Maaßens Urteil zur Rolle von Geflüchteten für die weiße Mehrheitsgesellschaft zu negativ sei und Ressentiments schüre – ihr selbst hätten geflüchtete junge Männer bei der Renovierung ihrer Wohnung geholfen –, männerwitzelte es auf ekelhafte Weise zurück, Vergewaltigungsphantasien inbegriffen.
Was wir im Freizeithaus Garath im Juli 2019 erlebt haben, war blanker Hass. Hass und Menschenfeindlichkeit, die weder Glatze noch RechtsRock brauchen. Keine*r der anwesenden Zuschauer*innen würde sich als „rechts“ sehen. Brave Bürger*innen überall. Das Gewaltpotential troff ihnen aber aus jeder Pore. Niemanden hätte es verwundert, wenn kritisch Nachfragende auch körperlich angegangen worden wären. Als eine Zuschauerin von Maaßen als ehemaligem Geheimdienstmann wissen wollte, warum der Verfassungsschutz bei ihr durch die Wände höre und ihre Telefonleitungen manipuliere, überbrüllte die Meute sie im „Maulhalten“-Stil.
Dies alles geschehen lassen zu müssen und nur beobachtend teilnehmen zu können, war ohne Zweifel eine bittere Erfahrung. Fragen bleiben.
Müssen wir uns weiterhin um die 20 bis 50 „Brüder“ der „Bruderschaft Deutschland“ oder den großschreierischen Düsseldorfer Neonazi Sven Skoda Gedanken machen, wenn wir Rentner*innen in Beige und im Blumenkleidchen in der Stadt haben, die alles ausmerzen und verschwunden sehen möchten, was ihnen nicht in ihr rassistisches Weltbild passt? Wenn wir in Düsseldorf Bürger*innen haben, die rechte Helden brauchen und sich am gemeinsamen Hass laben, lustvoll zusammenrücken in der eigenen Überheblichkeit? Tun wir uns einen Gefallen, solcherlei Bürger*innenzorn rechts liegen zu lassen, wegzuschweigen, ihm nicht zu begegnen? Ist es strategisch wirklich so gut, auf Proteste zu verzichten, weil niemand Kulisse für die Opfershow der extremen Rechten sein möchte?
Wann ist der Schneeball, den Erich Kästner frühzeitig zu zertreten empfahl, eine Lawine? Oder warten wir, bis aus der (heute noch?) phantastischen völkisch-rassistischen Lust am Herrenmenschentum der Normalfall Neonazi geworden ist? Wann ist Antifa Handarbeit?
Es ist freilich deutsch in Kaltland. Ziehen wir uns warm an für die kommenden Schneebälle, tauschen wir uns darüber aus, was wir tun können, bevor es zu spät ist.