TERZ 12.19 – SEI DABEI
Ein Rückblick auf dreihundert Nummern Terz und einen bald drei Jahrzehnte alten Düsseldorfer Zeitungs-Dino
Die Terz ist in Bezug auf ihren Entstehungszeitpunkt ein Kind der Neunziger: Entstanden kurz nach dem Trubel nationaler Besoffenheit durch den Anschluss, als minoritärer antinationaler Widerpart zur Parole „Wir sind ein Volk“ und Kohls versprochenen blühenden Landschaften für unsere Brüder und Schwestern aus Ossi-Land. „Halt’s Maul, Deutschland“ rief die radikale Linke im Oktober 1990 und roch im Sommer darauf den „Teen Spirit“ zum umwerfenden Sound von Nirvana. Von geeintem Volk wollen heute viele in NRW nichts mehr wissen: Die Oberbürgermeister aus dem Ruhrpott wollen den Soli lieber für das wachsende Prekariat nördlich der A 40 verwenden und nicht nur „Die Partei“ wünscht sich mittlerweile den Wiederaufbau der Mauer herbei. Vorbei sind auch die Zeiten sozialdemokratischer Allmacht im bevölkerungsreichsten Bundesland – das war zur Zeit der Entstehung der Terz noch ganz anders. Die erste Ausgabe von „Düsseldorfs alternativer Stattzeitung“ hatte die schändliche Abschiebepraxis der nordrheinwestfälischen Landesregierung gegenüber den Roma zum Thema: Die Terz zeigte sich solidarisch mit dem Roma-Protest-Camp vor dem Landtag und zugleich ihre Abscheu gegenüber dem sozialdemokratischen Widerling Wolfgang Clement, Exekutor der Abschiebungen.
Die Zeiten haben sich geändert. Die Terz hat alle diese Wegmarkierer vergangener Zeiten überlebt: Kurt Cobain, Birne Kohl, Landesväterchen Johannes Rau und Düsseldorfs Ausverkäufer Joachim Erwin an Lebensechtzeit, den neoliberalen SPD-Zerstörer Clement sowie dessen gesamte Partei weitestgehend politisch.
Mit Blick auf ihren politischen Entstehungskontext ist die Terz aber ein Kind der Achtziger: Hausbesetzungen und (Post-)Autonome, Friedensbewegte und Antifa sowie New Wave, Punk & Pogo. Weihnachten 1992 veröffentlichten die Toten Hosen den Song „Sascha … ein aufrechter Deutscher“– als Single. Ja, sowas gab’s damals noch! Pogo und Hausbesetzungen wurden out – die ehemaligen Hausbesetzungs-Viertel sind weitestgehend gentrifiziert und die neuen Verkünder*innen von „legal-illegal-scheißegal“ sitzen in der Immobilienbranche. Und auch die neue Jugendmusikkultur tickt anders als früher: Düsseldorfs RAP-Doofmann Kollegah versucht sich lieber als Arschloch-Vorbild und publizistischer Businessberater und Peter Fox singt vom Traum vom Haus am See.
Als die Terz das Licht in Düsseldorf erblickte, gab es noch den „Überblick“ – ein Hochglanz-Magazin mit Ausgeh-Tipps und gefühlten 80 Prozent Anzeigenwerbung. Die Terz entstand als Gegenblatt wie als Gegenkultur zur konsumorientierten Lifestyle-Publizistik: Statt sich um Firmenwerbung im Blatt zu bemühen, wurde ehrenamtlich im Kollektiv gearbeitet. Im verdunkelten Badezimmer wurden Fotos gerastert und am verrauchten Redaktionstisch das Layout mit der Schere zusammengeschnippelt. Die Redaktion nahm regelmäßig teil an den Jahrestreffen alternativer „Stattzeitungen“ aus Deutschland, die damals noch in vielen Städten den linksalternativen Bewegungen aus der Region als Verlautbarungsorgan dienten. Der alternative Zeitungsmarkt veränderte sich mit der zunehmenden Digitalisierung, doch die Terz trotzte den wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten sozialer Bewegungsforschung. Generativ die Szenen überlebend wurde einfach stoisch weiterproduziert. Die Ankündigungen für neue linke Szene-Events werden heutzutage gepostet – Infos zum nächsten Antifa-Treff und zur nächsten linken Demo findet man/frau heute in den sozialen Netzwerken. Doch wie aus der Zeit gefallen, finden alle diese Grüppchen in Düsseldorf zugleich ihre Wege zur alten Terz. Wie ein linksgestricktes Highlander*innen-Kollektiv schreitet die Redaktion durch den Wandel der Zeit, das singende Schwert der Anarchie und des rheinischen Frohsinns schwingend. Ungläubig blickt man/frau auf diesen publizistischen Dinosaurier und wünschen sich immer neue Geschichten vom Marx-Man, der uns mit erhobenem Zeigefinger die Bewegungsgesetze des Kapitals und dessen Überwindung predigt. Und vielleicht lesen einige der älter gewordenen linken Düsseldorfer*innen auch abends ihren Kinderlein vor dem Schlafengehen die Geschichten vom alten Uschkureit aus der Terz vor. Wie der damals in Düsseldorf gekämpft hat, das waren noch Zeiten! Gegen den neoliberalen Zeitgeist und andere Übel… Und dann freuen sich diese linken Eltern über die Terz und Uschkureit: Wie der ihre Kleinen in den Schlaf bringen kann mit dem schönen Traum von einer kommenden, einer besseren Welt….
Glückwunsch und alles Gute für die kommenden dreihundert Ausgaben!
AL C.